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Interview mit Dirk von Lowtzow & Arnim Teutoburg-Weiß "Ich war eher derjenige, vor denen Eltern ihre Kinder gewarnt haben"

Die Beatsteaks und Tocotronic haben sich für den Soundtrack von "Tschick" zusammengetan und "French Disko“ von Stereolab gecovert. Grund genug, Dirk von Lowtzow und Arnim von den Beatsteaks nach ihren "Tschick"-Momenten zu fragen.

Von: Lisa Altmeier und Stefan Schroetke

Stand: 31.08.2016 | Archiv

Dirk von Lotzow / Arnim Teutoburg-Weiß | Bild: BR

PULS: Die beiden Jungs im Film "Tschick" bauen eigentlich die ganze Zeit nur Scheiße, erleben dabei aber die geilste Zeit ihres Lebens. Erinnert ihr euch noch an solche Scheiße-aber-geil-Momente?

Dirk: Da gibt’s ne ganze Menge. Mit 15 hatte ich einen Fahrradunfall wegen total besoffen, ich bin an ein Auto geschrammt und leider saß der Besitzer drin. Der hat mich dann zur Polizei geschleppt und ich habe 16 Arbeitsstunden in der Jugendgerichtsverhandlung aufgebrummt bekommen. Und das war natürlich zu der Zeit nicht so geil. Aber im Nachhinein war es eine ganz gute und lustige Erfahrung, die so nicht jeder erlebt hat. Ich hab das mit meinem damals besten Freund gemacht und das war's wert. Meine Eltern haben das aber natürlich nicht so abgefeiert!

Arnim: Sowas hab ich auch erlebt: Ich war in Ostberlin im Kaufhaus klauen und wurde prompt erwischt. Und dann hat mich meine Mutter aus dem Büro abgeholt und drei Tage nicht mit mir gesprochen. Das war nicht schön. Da wusste ich: Klauen – lass lieber sein. Untalentiert.

Dirk: Da muss man besser sein!

Arnim:  War ganz klar nicht mein Metier! Aber es war so ne kleine Lehrstunde, denn alle meine Kumpels haben geklaut und kamen damit durch. Und ich? Ich halt nicht. Eine ähnliche Lehrstunde war es, als mein Schwimmtrainer zu mir gesagt hat: Du bist ein richtig guter Schwimmer, aber leider weiß ich jetzt schon, dass du nicht groß genug wirst. Das war sehr hart, weil ich unbedingt Schwimmer werden wollte!

Dirk: Leistungsschwimmer?

Arnim: Ich wollte zu Olympia. Ganz klar. Mit 12 hatte ich dann das Erlebnis mit dem Schwimmtrainer. Das war nicht so einfach. Aber das Leben geht weiter!

Tschick, die Hauptfigur im gleichnamigen Kinofilm, bringt nur Ärger: Er klaut, er säuft, er überredet seinen Kumpel Maik ständig zu Quatsch. Warum lohnen sich Freundschaften mit Jungs wie Tschick trotzdem?

Dirk: Solche Freundschaften sind wichtig, weil sie einem die Augen öffnen und man durch sie eine andere Wahrnehmung der Dinge erfährt. Dieser Ärger ist irgendwie wichtig, weil man weiß, es gibt noch ne andere Art das Leben zu leben und man aus diesem behüteten Jugendleben ausbricht. Das finde ich sehr, sehr interessant. Ich finde generell die Figur des Menschen, der einen schlechten Einfluss auf andere hat, spannend.

Arnim: Bei mir gab's einen Jungen in der Schule, der mit Westmusik gedealt hat, die in Ostberlin verboten war. Dieser Junge war für mich Tschick. Bei ihm gab's Musik, die man sonst nicht bekam, auf rauschigen Tapes. Man durfte halt nur nicht erwischt werden.

Hattet ihr denn Freunde, die so schlimm waren, dass eure Eltern euch vor denen gewarnt haben – so wie das Maiks Eltern bei Tschick tun?

Dirk: Ich glaube, ich war eher derjenige, vor denen andere Eltern ihre Kinder gewarnt haben! Ich war schon so mit 12, 13 Jahren relativ exzentrisch. Jedenfalls im Vergleich zu dem etwas biederen badischen Milieu, in dem ich aufgewachsen bin. Ich war in der Schule sehr aufsässig, sehr rebellisch und hab viel Scheiße gebaut. Ich glaube schon, dass es da Leute gab, die ihre Kinder gewarnt haben und über mich gesagt haben:  "Der ist nicht so ein guter Einfluss.“

Tschick und Maik erleben im Film ja einen Roadtrip. Wie ist es denn bei euch, wenn ihr auf Tour seid – fühlt ihr euch da auch manchmal wie in einem Roadmovie?

Arnim: Also, wenn ich mich an unsere Anfangszeit erinnere, wie wir mit dem VW-Bus losgefahren sind, das war eigentlich genau so eine Situation. Wir wussten gar nichts, wir haben kein Geld verdient und wir haben es eigentlich nur deshalb gemacht, weil wir mussten.

Dirk: Mit der Band? Ja, das war bei uns genauso.

Arnim: Ganz, ganz lange war das so und dann irgendwann wurde mein Traum wahr und das Ganze wurde mein Beruf. Aber es ist bis heute so, dass wir unser Bier viel intensiver aufmachen, wenn wir vor unserem Tourbus stehen. Das hat sich nicht geändert. Auch wenn unser Bus jetzt größer ist und eine Toilette hat. Das Gefühl ist geblieben!

Dirk: Ich hab wie viele westdeutsche Jugendliche früher auch Interrail gemacht, womit man dann einen Monat lang so viel Bahn fahren durfte, wie man wollte. Das habe ich mit meinem damals besten Freund gemacht. Er ist leider inzwischen schon verstorben. Wenn wir unterwegs waren, war das bisschen so wie bei "Tschick". Wir haben nie Jugendherbergen gebucht, weil uns das viel zu spießig war, sondern in Parks und auf der Straße geschlafen. Wir waren fünfzehnjährige Kinder-Punks und hingen dann immer mit so wirklichen Straßenpunks und deren Hunden irgendwo rum und haben getan als seien wir auch richtige Punks. Einmal war ich auch in einem besetzten Haus in Mailand, das war so eine krasse Rumpelbude, dagegen waren die besetzten Häuser in Deutschland Hotel Adlon.

Maik und Tschick, die beiden Hauptfiguren im Film, sind nicht nur Rebellen, sondern auch Außenseiter. Habt ihr euch in eurer Kindheit auch mal als Außenseiter gefühlt?

Regisseur Fatih Akin

Dirk: Ja , ich war schon als Jugendlicher effeminierter, ich war nicht so ein Junge-Junge. Und da hat mir dann natürlich Musik geholfen, in der genau solche Männerbilder als geil dargestellt werden. Ich habe dann versucht, mich auch so zu inszenieren wie die Stars.  Aber dann läuft man durch die Straßen in einer Kleinstadt und wird sofort als Schwuchtel beschimpft, wenn man mit Blümchenhemd und auftoupierten Haaren unterwegs ist. Das war aber für mich ganz wichtig, diese Stigmatisierung als Außenseiter auf der einen Seite und andererseits durch diese narzisstische Kränkung dann selbst eine rebellische Pose zu erfinden, mit der man sagt: Ihr könnt mich alle mal! Ich kann mich aber auch daran erinnern, dass es bei uns an der Schule viele Außenseiter gab, die das nicht selbst gewählt hatten, sondern die aus sozial schwachen Elternhäusern kamen und deshalb Sonderlinge waren. Die konnten sich halt keine Boss-Jacken leisten und wurden dann von den Rich Kids fertig gemacht. Das fand ich als Kind ganz schlimm.

Arnim: Ich kann mich an Jungs und auch Mädchen erinnern, die mir sehr rebellisch vorkamen. Es war zum Beispiel verboten, in Ostberlin mit Coca Cola rumzulaufen. Und da gab es ein Mädchen, die das knallhart durchgezogen hat. Morgens beim Fahnenappell hat die die Cola-Dose rausgezogen und dann musste die immer vortreten vor der ganzen Schule.

Dirk: Weil Kapitalistenbrause.

Arnim: Weil Kapitalistenbrause. Und das hat die bestimmt drei Mal gemacht. Und ich dachte: "Das ist das coolste Mädchen aller Zeiten.“ Gibt’s ja gar nicht. Macht sie einfach!

Wie kam es denn jetzt überhaupt dazu, dass eure Bands gemeinsam einen Stereolab-Song für "Tschick" gecovert haben?

Arnim: Der Regisseur Fatih Akin rief bei uns im Proberaum an und sagte: Ich möchte, dass ihr einen Song beisteuert, ich verfilme "Tschick". Ich kannte das Buch allerdings nicht, aber mein Bassist, der Schlagzeuger und auch der Gitarrist meinten so: Hammer Buch, da müssen wir mitmachen. Also wusste ich: Gutes Buch und dass Fatih Akin daraus einen Hammer Film macht, is ja sowieso klar. Der Song ist einer unserer Lieblingssongs und wir hatten sowieso vor, den zu covern. Als wir ihn Fatih Akin geschickt haben, meinte der "Super, den nehme ich!" Das Schöne ist: Jede Aussage in diesem Songtext passt haargenau zu dem, was im Film passiert, wie die Leute dort denken und wie sie die Welt beobachten.

Dirk: Das hast du jetzt aber wirklich schön gesagt!

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