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Games // The Last Guardian Der kleine Junge und das Ungeheuer

Dieses Game ist ein Meisterwerk! Nicht wegen toller Klettereien, ausgefeilter Rätsel oder spannender Kämpfe - die es so auch nicht hat. Nein, wegen der spannenden Beziehung zwischen den beiden Hauptcharakteren.

Von: Franz Liebl

Stand: 02.01.2017 | Archiv

The Last Guardian | Bild: Sony

Das hier ist ein ganz besonderes Spiel. Etwas, das ich so noch nie erlebt habe. Ich spiele einen kleinen Jungen, der in einer Höhle aufwacht, direkt neben einem angeketteten Fabelwesen: Trico. Trico ist ein riesiges wildes Ding, eine Mischung aus Fledermaus, Steinbock, Greifvogel und Hund. Speere stecken in seinem Körper. Ich glaube, ich sollte ihm nicht zu nahe kommen. Aber wir sind aufeinander angewiesen um hier rauszukommen. Ich gewinne sein Vertrauen, indem ich ihn füttere. Vorsichtig nähere ich mich dem knurrenden Wesen. Er lässt mich tatsächlich die schmerzhaften Speere rausziehen. Gemeinsam entkommen wir der Höhle, nur um zu erkennen: Wir sind gefangen in einer gigantisch großen Tempelruine irgendwo in den Bergen. Das ist der Auftakt zu einem noch nie dagewesenen Abenteuer.

Hilfloser Junge – Mächtiges Fabeltier

Trico und ich sind eine Schicksalsgemeinschaft, aber wir werden immer mehr auch zu Freunden. Ich kann nicht ohne ihn, weil ich ein leicht tollpatschiger Junge bin, der schon mal auf seinen Hintern fällt und sich aufrappeln muss. Das schlägt sich auch in der Steuerung wieder, die oft ein wenig schwammig wirkt. Aber ich denke das ist Absicht. Ich spiele hier eben keinen volltrainierten Kletterkönig. Und wenn mich plötzlich zum Leben erwachte Steinwächter jagen, bin ich ohne die mächtigen Tatzen von Trico völlig hilflos. Aber Trico braucht mich auch. Ich öffne ihm riesige Tore und bewahre ihn vor Fallen, die er nicht als solche erkennen kann. Er bleibt ein wildes Tier. Ich verliere nie den Respekt vor ihm. Manchmal hab ich mich direkt erschrocken, als er plötzlich hinter mir stand.

Story schlägt Gameplay

Es sind nicht die Klettereien oder kleinen Rätsel, die dieses Game so besonders machen. Es ist die Beziehung zwischen Trico und mir. Manchmal wütet er und ich kann nur warten bis er sich beruhigt hat oder es mit streicheln versuchen. Irgendwann im Game kann ich ihm rudimentäre Befehle erteilen wie "Da lang!" oder "Hier hoch!". Aber Trico ist nicht abgerichtet, er bleibt eigensinnig. Oft muss ich warten, bis er sich auch dafür entscheidet, das zu tun, was ich von ihm möchte.

Spätestens da kann das Game zu einer Geduldsprobe werden. Ich finde, das macht das Erlebnis nur noch intensiver. Das unglaublich realistisch wirkende Verhalten von Trico zieht mich nur noch mehr rein. "The Last Guardian" ist im Großen und Ganzen ein sehr ruhiges und langsames Game. Aber eine selten intensive Spielerfahrung. Der fantastische Orchester-Soundtrack und die tolle Erzählstimme kommen noch dazu. Märchenhaft, nein im wahrsten Sinne des Wortes: sagenhaft.

The Last Guardian (Sony // für PS4)


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