Ganzes Land offline So fühlen sich zwölf Tage ohne Internet an

Jedes einzelne Funkloch nervt. Aber was wäre, wenn plötzlich in einem ganzen Land das Internet nicht mehr geht? Auf Tonga ist genau das passiert. Laura lebt dort und hat uns erzählt, was zwei Wochen ohne Internet mit einem machen.

Von: Raphaela Kaiser und Julian Wenzel

Stand: 12.02.2019 | Archiv

Laura Maya Frot auf FaFa Island, Tonga | Bild: Laura Maya Frot

Tonga ist normalerweise schon total vom Rest der Welt abgeschnitten. Die rund 170 Inseln liegen mitten im Südpazifik, sind mehrere tausend Kilometer von Australien entfernt und gehören alle zu einem Inselstaat. Ende Januar war Tonga aber nochmal ein Stückchen weiter entfernt von uns: Denn über Nacht fiel für die rund 100.000 Bewohner das Internet aus. Das Unterseekabel, das die Inseln mit dem World Wide Web verbindet, war gerissen. Warum weiß man nicht genau. Die Australierin Laura Maya Frot lebt auf einer der Inseln von Tonga und verdient ihren Lebensunterhalt hauptsächlich über das Internet.

PULS: Laura, wie war es für dich, als auf einmal das Internet weg war?

Laura Maya Frot: Die Insel, auf der ich arbeite, ist ein Resort für Urlauber und für uns war es richtig hart. Unsere ganzen Reservierungen laufen über E-Mail. Wir hatten also nach dem Internetausfall keinerlei Überblick mehr über unsere Buchungen und wussten nicht, ob jemand am Flughafen abgeholt werden muss. Ich selbst arbeite zusätzlich online als Autorin und Lifestyle-Coach und war plötzlich von meinen Kunden abgeschnitten.

Wann wurde dir klar, was der Internetausfall bedeutet?

Am Anfang dachten wir noch, nach ein zwei Tagen sind wir wieder online. Aber dann wurde uns gesagt, es dauert zwei bis drei Wochen, um das Problem zu beheben. Wir fragten uns wirklich, wie wir ohne Internet weiterarbeiten können. Es wirkte, wie ein Ding der Unmöglichkeit.

Auf Tonga leben ungefähr 100.000 Menschen – und plötzlich sind alle offline. Hat das zu Problemen geführt?

Ja, das größte Problem war, dass auch Kartenzahlungen übers Internet abgewickelt wird. Bei Geldautomaten ist das genauso, deswegen konnten ab dem Internetausfall alle nur noch bar zahlen. Einheimische standen an den Bankschaltern Schlange, um Geld abzuheben. Urlauber, die hier kein Konto haben, hatten gar keine Möglichkeit an Bargeld zu kommen. Sie hatten also nur das Geld, das sie im Geldbeutel hatten. Viele Geschäftsleute machten währenddessen Verluste, weil sie ihre Geschäfte nicht weitermachen konnten. Es konnte nichts verschickt oder abgeholt werden. Auch Geldüberweisungen funktionierten nicht. In der Filiale eines Telefonanbieters habe ich eine Frau getroffen, die sich sehr über den Ausfall geärgert hat. Sie hat die Mitarbeiter angebrüllt, wie es möglich sei, dass Tonga im Jahr 2019 auf das eine Kabel angewiesen sei und keinen Plan B habe. Es waren stressige Tage für alle, weil wir Vieles anders regeln mussten.

Es gab also Probleme im öffentlichen Leben. Wie schlimm war es für dich persönlich offline zu sein?

Es überrascht mich selbst, aber ich hab das Internet überhaupt nicht vermisst! Das einzig Nervige war, dass ich nichts googeln konnte, wenn ich was nicht wusste. Und ich hab mich selbst ertappt, dass ich an der Supermarktkasse instinktiv auf mein Handy geguckt hab, obwohl nichts ging. Da hab ich mich schon gefragt, was falsch mit mir ist, weil ich nicht einfach, ohne mein Handy zu checken, in einer Schlange stehen kann. Ansonsten hab ich viel mehr Sport gemacht, auch mal Brettspiele gespielt, meine Ukulele wieder hervorgeholt und öfter Freunde getroffen. Das hat mich sehr befreit, weil ich nicht mehr die ganze Welt im Kopf hatte. Ich habe es wirklich genossen und viele andere Tongaer auch.

Jetzt ist das Kabel wieder repariert und ihr seid wieder mit der Welt verbunden. Wie fühlt sich das an?

Seit fast einer Woche sind wir wieder online und ich habe es mir ziemlich abgewöhnt, jeden Tag Instagram zu checken. Ich hab auch nicht mal mehr die Lust dazu. Normalerweise verbringe ich wegen meiner Arbeit viel Zeit online, deswegen erstaunt mich das sehr. Man denkt immer, ohne Internet geht’s nicht, weil es so viel Raum in unserem Leben einnimmt und wir darauf angewiesen sind. Dabei funktioniert das Leben wirklich auch ohne! Man findet eben andere Möglichkeiten, seine Sachen zu erledigen. Ich hab quasi gelernt: "You disconnect from the Internet but you reconnect with something else."

Sendung: Netzfilter vom 09.02.19 - ab 12 Uhr.