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Interview mit Lann Hornscheidt "Sprache darf niemanden ausschließen"

Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, kommen in unserer Sprache oft nicht vor. Deswegen setzt sich Professx Hornscheidt für eine neue Sprache ein und erklärt im Interview warum Namen besser sind als Pronomen.

Von: Sebastian Meinberg

Stand: 23.10.2015 | Archiv

Gendergerechte Sprache | Bild: BR

Wir schreiben "StudentInnen“ und "liebe Kolleginnen und Kollegen". Soweit, so gendergerecht. Aber was ist mit Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen? Sie kommen selbst in diesen Formulierungen nicht vor. Lann Hornscheidt beschäftigt sich mit gendergerechter Sprache und hat eine Professur für Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin. Lann Hornscheidt möchte sich selbst keinem Geschlecht zuordnen und verwendet als Titel entweder "Professx" oder "Professecs". Auf der eigenen Webseite bittet Lann Hornscheidt, auf die Anrede mit "Frau" oder "Herr" zu verzichten – und wünschst sich von E-Mailschreibern stattdesssen "kreative anti-diskriminierende Ideen". PULS Reporter Sebastian Meinberg hat Lann Hornscheidt in Berlin getroffen und sich bei der Begrüßung viel Mühe gegeben.

Sebastian Meinberg: Guten Tag, Professx Hornscheidt!

Lann Hornscheidt: Guten Tag!

War die Anrede korrekt?

Ja, obwohl ich es mittlerweile schöner finde ohne Titel angesprochen zu werden, sondern stattdessen einfach nur mit Vor- und Nachnamen.

Hallo, Lann Hornscheidt.

Genau, das wäre mir am liebsten.

Ihr Titel ist "Professx", also mit einem "-x" am Ende. Woher kommt eigentlich diese Endung?

In Großbritannien wird diese Form schon lange genutzt. Dort gibt es neben "Mr" und "Mrs" noch "Mx" für Personen, die sich nicht als Frauen oder Männer verstehen. Das steht offiziell im Oxford English Dictionary. In der lateinamerikanisch-feministischen Bewegung ist das "x" auch als dritte Form zur Bezeichnung von Menschen neben "-o" und "-a", sprich "latino" und "latina", eingeführt worden. Es soll das "Es-gibt-nur-Frauen-oder-Männer"-Denken brechen. Jedoch ist diese x-Endung kritisiert worden von der afroamerikanischen Community, weil die das "X" "Malcolm X" zuschreiben, also dem antirassistischen Kämpfer in den USA der 50er und 60er Jahre. Unsere Form des "-x" wird als Vereinnahmung der antirassistischen Strategie kritisiert. Aus diesem Grund würde ich mittlerweile eine andere Form benutzen und "-ecs" verwenden. Die Idee dahinter ist "exit gender" - also das Geschlecht sprachlich zu verlassen und zu betonen, dass es etwas jenseits der Frauen- und Männerlogik gibt.

Wer entscheidet, was richtig ist und was falsch - können Sie es bei diesem Thema überhaupt allen Recht machen?

Es gibt nicht die eine, richtige Form und wir werden es auch nicht allen Recht machen können. Die Gesellschaft wird nie eine diskriminierungsfreie Sprache haben. Es ist immer ein Prozess: Begriffe werden immer wieder vereinnahmt und anders gedeutet. Wenn die Öffentlichkeit jetzt stark auf meine Vorschläge reagiert, heißt das aber, dass ich einen sozialen Nerv getroffen hab. Sprache scheint also wichtig zu sein. Wie viele Mails ich schon von Leuten bekommen habe, in welchen sie mir über Bibelzitate und Gesetzestexte versuchen zu erklären, dass es nur Frauen und Männer und sonst nichts gibt. Ich habe nie gesagt, dass es keine Frauen und Männer gibt, sondern dass ich mich nicht so verstehe. Für viele ist dies unvorstellbar.

Wenn ich Ihr Sprachkonzept mit den geschlechtsneutralen Endungen richtig verstehe, geht es darum, dass nicht erkennbar ist, welches Geschlecht die angesprochene Person hat. Stimm das?

Fast. Für mich bezeichnet diese "-ecs"- und "-x"-Endung eine Person, die sich nicht als Mann oder Frau versteht. Wenn ich aber nun alle Personen einer bestimmten Gruppe meinen würde, dann würde ich eine Form mit einem Unterstrich nehmen, da dies für viele Leute verständlicher zu sein scheint. Also "Schüler_innen", ausgesprochen mit einer kurzen Pause, um zu sagen, es gibt Frauen, es gibt Männer und dann gibt es noch andere Leute, die nicht da reinpassen. Dafür steht der Unterstrich. So können sich alle mit irgendeiner Form identifizieren.

Haben Sie einen Vorschlag, wie man Sie in der dritten Person ansprechen kann? Es gibt im Deutschen ja kein passendes Personalpronomen dafür.

Ich finde es am coolsten, meinen Vornamen zu benutzen, denn es ist ein selbstgewählter Vorname und ich habe ihn auch mit dem Gedanken gewählt, dass er nicht als männlich oder weiblich einzuordnen ist, was auch funktioniert. Es gibt auch die Möglichkeit "-x" oder "-ecs" als Pronomen zu benutzen. Dass sowas funktioniert, zeigt das schwedische Beispiel. Hier wurde vor drei Jahren ein Pronomen neben "er" und "sie" eingeführt, im Schwedischen heißt es "hen". Das ist aus der Transbewegung gekommen, gilt aber als ein geschlechtsneutrales Pronomen. Das funktioniert und wird von den Leuten im Alltag benutzt. Es ist unglaublich, wie schnell das geklappt hat. Selbst in Tageszeitungen wird "hen" regelmäßig benutzt.

Wenn die Schweden das schon machen, hinken wir da im internationalen Vergleich hinterher?

Dass es zurzeit so viele öffentliche Diskussionen bezüglich der "-x" und "-ecs"-Endung gibt, zeigt, dass sich zurzeit etwas verändert. Wir sind in Deutschland auf einem guten Weg. Mein Ansatz ist es, ein neues Bewusstsein zu schaffen und Leute zu ermutigen, sich Sprache neu anzueignen. Ich muss nicht in die Sprache reinpassen, sondern die Sprache muss mich als Mensch repräsentieren. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich mit den vorhandenen Formen nicht kommunizieren kann, muss ich neue Sachen machen und das ist natürlich erstmal irritierend. Alle glauben Sprache sei neutral, aber das ist nicht der Fall. Alle Untersuchungen in der Linguistik zeigen, dass sich unter der Aussage "die Schweden machen …" die Mehrheit der Personen prototypisch Männer vorstellen. Auch wenn wir glauben, dass wir neutral sind, wir sind es nicht. Das ist keine bewusste Handlung, aber trotzdem entstehen die ganze Zeit Bilder im Kopf.

Nochmal zu dem Pronomen: Brauchen wir auch im Deutschen ein neues Pronomen und haben Sie einen Vorschlag, wie das lauten könnte?

Fände ich ziemlich cool! Als drittes Pronomen für Personen, die sich nicht als Frau oder Mann verstehen, fände ich "-x" oder "-ecs" ganz gut. Ein Pronomen, bei welchem wiederum möglichst viele Personen gemeint sind, wäre "sie_er", also ein Zusammenschluss aus "sie" und "er". Der Unterstrich symbolisiert wie immer, dass es neben "sie" und "er" noch mehr gibt.

Gibt es für Sie einen persönlichen Grund, warum Sie an einem neuen Sprachkonzept arbeiten?

Dass ich mich nicht als weiblich oder männlich verstehe, ist mir schon länger klar, nur gibt es dafür ja keinen Ausdruck. Deswegen hab ich mir gedacht, dass ich etwas tun muss. Wenn es die Party nicht gibt, auf die ich will, dann muss ich sie feiern. Aus den Diskussionen mit Leuten, die die ganze Zeit mit Sprache hadern und versuchen, neue Ausdrucksformen zu finden und sich so irgendwie eine Anwesenheit in der Sprache zu schaffen, habe ich dann die Idee einer neuen Form entwickelt. Schlussendlich geht es darum, dass ich versuche, so wie ich lebe und mich verstehe, anwesend zu sein. Auch in der Sprache. Sprich: Menschen sollen sich möglichst differenziert wahrnehmen können und niemand soll durch Sprache ausgeschlossen werden.

Ein neues Sprachmodell zu erlernen kostet aber Mühe und ist für viele bestimmt unbequem. Glauben Sie, dass sich das durchsetzen kann?

Ich teile die Auffassung nicht, dass es unbequem ist. Offenheit, Wertschätzung und Interesse sind entscheidend. Ich bin sicher, dass es in Deutschland auch irgendwann soweit sein wird. Wenn man alles, was man nicht kennt, als Bedrohung wahrnimmt, dann ist das Leben ganz schön eng und anstrengend. Ich wünsche mir eine Haltung wie: "Oh, da ist was Neues, ich kenn’s noch nicht. Ich frag mal nach!" Das ist nichts, was ich verlangen kann, aber ich glaube, dass diese Offenheit für alle das Leben sehr viel schöner und reicher machen würde.


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Kommentieren

Honkel, Donnerstag, 29.Oktober 2015, 10:04 Uhr

4. Neutrum

Es gibt schon ein neutrales Pronomen, das "es". Wenn sich jemand nicht als "er" oder "sie" angesprochen fühlt, ein "es" ist er/sie/es auf jeden fall. Alles was existiert ist immer erstmal ein es und kann dann ggf. weiter spezifiziert werden. Meint aber etwas kein "es" zu sein, sagt es aus, nicht zu existieren, so dass man es dann auch nicht weiter beachten muss. Man muss also nicht gleich irgendwelchen neuen Kram erfinden. Die deutsche Sprache bietet schon ausreichend Möglichkeiten sich geschlechtsneutral auszudrücken.
Des weiteren, anstatt "Liebe Kollegen und Kolleginnen und Kollegx und Kollegsonstwas..." könnte man auch einfach nur "Liebe Kollegen" sagen, weil klar ist, dass damit sowieso jeder gemeint ist. Wie wir es bei so vielen anderen Wörtern (z.B. Menschen) auch tun, ohne dass jemand sich ausgeschlossen fühlt.
Gegenseitiger Respekt schön und gut, und Sie können ja Pronomen verwenden, wie Sie sie wollen. Das Ganze aber anderen aufzuzwängen, ist dann das Gegenteil von Toleranz.

Julian Müller, Dienstag, 27.Oktober 2015, 19:02 Uhr

3. Dieses Zusammentreffen von

Betroffenheit und behaupteter Expertise finde ich recht bedenklich. Ist denn der "Patient" der beste Arzt? Und ist die daraus folgende Distanzlosigkeit eine gute Basis für Wissenschaftlichkeit? Ich glaubs ja nicht.

Manfred, Montag, 26.Oktober 2015, 20:12 Uhr

2.

Wäre es nicht viel sinnvoller und einfacher, wenn sich die handvoll Menschen, die sich eventuell von unserer Sprache benachteiligt fühlen, sich einfach nicht gar soo wichtig nehmen!? Sie den Zeigefinger der Toleranz nicht immer nur gegen andere wenden und sich einfach mal selbst tolerant zeigen. Lass uns allen unsere Sprache, frei von Gender Irrsinn. Mich geht eure Veranlagung nichts an, und euch unser aller Sprache ebenfalls nicht!

Csaba, Samstag, 24.Oktober 2015, 00:54 Uhr

1. Sendung über "gender"

Deutsch ist zwar nicht meine Muttersprache, aber was ihr (und Konsorten) damit versucht, ist krank und sinnfrei. (Zuviel Wohlstand, geistige Langeweile, ahnungslosigkeit in Biologie?) Sucht unbedingt ein Psychologe oder von mir aus eine Psychologin und nimmt dieses "Lann" unbedingt mit!
Schöne Grüße aus Milano.
Csaba