Kommentar Warum die Lockerung des Blutspendeverbots für Schwule eine Farce ist

In Deutschland soll das Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer gelockert werden. Diskriminierung ade? Nicht wirklich. Denn die neue Richtlinie verlagert das Problem nur. Unsere Autorin findet das zum Kotzen.

Von: Miriam Harner

Stand: 08.08.2017 | Archiv

Homosexuelle Blutspende | Bild: BR

Bislang war es so: Wenn du als Mann nur ein einziges Mal Sex mit einem anderen Mann hattest, dann durftest du nie wieder in deinem ganzen Leben Blut spenden. Dieses Blutspendeverbot für Schwule und Bisexuelle soll jetzt gelockert werden. Gestern hat die Bundesärztekammer zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut nämlich eine neue Richtlinie vorgestellt.

Die wichtigste Änderung darin: Schwulen und bisexuellen Männern soll das Blutspenden künftig erlaubt sein. Die bisherige Regelung war nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes diskriminierend. Und alle so: Yeah! Nach der Ehe für alle endlich ein weiterer Schritt Richtung Gleichberechtigung! Der Haken daran: Der Aderlass geht nur klar, wenn die Männer vorher mindestens zwölf Monate lang keinen Sex mit anderen Männern gehabt haben. Das gilt übrigens auch für Sex mit dem eigenen Partner. Für alle, die meinen: "Ist doch super! Jetzt werden Männer, die mit Männern schlafen, nicht mehr pauschal diskriminiert" - sorry, aber das ist Bullshit.

Diskriminierung ade? Von wegen!

Oder würdet ihr ein Jahr lang freiwillig auf Sex verzichten und den Keuschheitsgürtel anlegen, nur damit ihr am Ende Blut spenden dürft? Also ich sicher nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass niemand sich trauen würde, Heterosexuellen so eine absurde Vorgabe zu machen - die Message ist klar: Nur ein enthaltsamer Schwuler ist ein guter Schwuler. Diese Denke kennt man sonst nur von erzkonservativen Institutionen wie der katholischen Kirche.

Es werden also hunderttausende potenziell blutspendewillige Menschen dauerhaft ausgeschlossen - außer sie schränken sich krass in ihrem Sexleben ein. Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber der "Allgemeinbevölkerung" und am Ende nichts anderes als Diskriminierung. Man könnte auch sagen: Ziel verfehlt, setzen, 6!

Zwar ist es richtig, dass Schwule statistisch gesehen häufiger HIV-positiv sind als Heterosexuelle. Aber diese Menschen haben sich ja nicht mit HIV infiziert, weil sie schwul sind, sondern weil sie ungeschützen Sex hatten. Also beispielsweise Analverkehr ohne Kondom. Hier wird aber überhaupt nicht differenziert! Die Bundesärztekammer tut so, als hätten alle schwulen und bisexuellen Männer das gleiche Risiko, sich mit HIV anzustecken. Egal, ob sie Kondome benutzen, in einer monogamen Partnerschaft leben oder ohne Verhütung wild durch die Gegend vögeln - was natürlich komplett bescheuert ist.

Ungeschützter Sex geht uns alle an

Außerdem ist ungeschützer Sex nicht nur ein Problem bei Schwulen: Eine aktuelle Studie zeigt, dass jeder und jede Dritte zwischen 16 und 21 Jahren nicht mit Kondom verhütet. Zwar wird jede Blutspende auf Krankheiten untersucht, eine HIV-Infektion lässt sich aber erst nach sechs Wochen sicher nachweisen. Steckt sich jemand kurz vor der Spende an, wird er zur Lebensgefahr für andere – egal, ob homo oder hetero.

Viel klüger wäre es also, jeden Spender unabhängig von seiner sexuellen Orientierung zu fragen: Hast du dich in den letzten sechs Wochen beim Sex riskant verhalten? So läuft es zum Beispiel in Italien oder Portugal. Und in Spanien gilt die Regel: Wenn du einen neuen Partner hast, darfst du erst nach sechs Monaten wieder Blut spenden - egal ob Weiblein oder Männlein. In Deutschland wird hingegen Diskriminierung durch Diskriminierung ersetzt.