Experiment // Ohne Seife waschen Das habe ich aus sechs Wochen Kosmetik-Abstinenz gelernt

Sechs Wochen kein Duschgel, kein Deo, kein Shampoo, keine Schminke: Eine absolute Horrorvorstellung für PULS-Autorin Vanessa Schneider. Dann hat sie es ausprobiert.

Von: Vanessa Schneider

Stand: 21.03.2017 | Archiv

Im Netz gibt es eine Gemeinschaft, die darauf schwört kein Shampoo zu benutzen. Sie behaupten, dass Kosmetikprodukte unsere Haut und Haare quasi süchtig machen nach künstlicher Pflege. Angeblich überreinigen sie unsere Kopfhaut und sorgen dafür, dass sie immer mehr Talg produziert, damit wir auch weiterhin fleißig Haare waschen.

Ohne Shampoo – so die Theorie – pendelt sich die Talgproduktion nach einer sehr unangenehmen Übergangsphase wieder ein, Probleme wie fettige Haare, Schuppen und Juckreiz sollen verschwinden und das Haar schöner, glänzender und voller werden. Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Belege dafür und ich war mehr als skeptisch - aber ich habe es drauf ankommen lassen. Und wo ich schon mal dabei war auf eine Sache zu verzichten, hab ich direkt einfach alles weggelassen: Duschgel, Deo, Bodylotion, Shampoo, Gesichtscreme, Waschgel, Augencreme und Make-Up. Für ganze sechs Wochen. Das habe ich dabei gelernt:

1. Ich kenne meine Haut gar nicht

Seit meinem Studium creme ich wie bescheuert mein Gesicht ein. Anfang 20 hatte ich noch ziemlich schlimme Akne. Akne = fettige Haut, dachte ich, also habe ich seitdem ausschließlich Pflegeprodukte benutzt, die nicht rückfetten und der Haut sogar noch Fett entziehen. Natürlich hat sich meine Haut seitdem stark verändert. Durch meine falsche Pflege habe ich das aber gar nicht bemerkt. Erst durch den Verzicht auf alle Produkte, die langfristige Beobachtung meiner Haut und die wöchentliche Hautanalyse weiß ich jetzt, was meine (ziemlich trockene) Haut wirklich braucht. Und ohne die ganzen teuren Cremes, Wässerchen und Waschgels geht's nicht nur meinem Geldbeutel, sondern auch meiner Haut besser: Der Fettgehalt ist gestiegen und ich habe das Gefühl, dass meine Haut durch die falsche Pflege vor dem Experiment viel rauer und unebener war.

2. Ich brauche kein Duschgel

Hätte mir vor dem Versuch jemand gesagt, dass Duschgel eigentlich überflüssig ist, ich hätte ihn wahrscheinlich ausgelacht. Aber hey, ich arbeite nicht in einem Kohlewerk und werde nur sehr selten wirklich dreckig. Das bisschen Schweiß und Staub kann auch Wasser allein ganz gut wegwaschen. Tatsächlich entziehen normale Duschgels der trockenen Haut noch mehr Feuchtigkeit, weil sie nicht nur Schmutz und Staub, sondern auch die körpereigene Fettbarriere lösen. Wasser kann das nicht. Beim Duschen konnte ich das sehr gut daran sehen, dass sich kleine Wasserperlen auf meiner Haut gebildet haben. Und schon nach ein paar Tagen ohne Duschgel wurde meine Haut weicher und Unreinheiten auf dem Rücken weniger. Ich werde jetzt ab und zu mal ein Duschöl benutzen, das hat mir der Münchner Dermatologe Dr. Christoph Liebich empfohlen. Ansonsten kann ich auf Duschgel gut verzichten und brauche noch nicht einmal mehr eine Bodylotion.

3. Ich vermisse die kleinen Beautyrituale

Klar, ich musste mich erst daran gewöhnen, ungeschminkt das Haus zu verlassen. Aber ich war morgens auch noch nie so schnell fertig wie während des Experiments. Als Couch-Queen geht für mich nichts über Bequemlichkeit, das war also ein großer Pluspunkt. Dann passierte was, womit ich nicht gerechnet habe: Nach etwa zwei Wochen war mir, als ob mich mein Nagellackregal mit Sirenengesängen verführen wollte. All die Farben! Der Glitzer! Immer wieder hab ich mich bei den Gedanken erwischt, nur ganz kurz mal einen kleinen Fingernagel zu lackieren – und den Lack dann ganz schnell wieder zu entfernen. Merkt ja keiner! Ich hab's gelassen, aber da ist mir bewusst geworden, wie sehr ich diese kleinen Rituale in meinem Alltag vermisse, die nur mir gehören. Die sieben Minuten am Morgen, in denen ich mich (unter Zeitdruck) schminke. Die zwei Minuten am Abend, in denen ich mich (widerwillig) abschminke und eincreme. Diese Momente, in denen ich mich sehr bewusst – und oft überkritisch wahrgenommen habe, die mich genervt und mir Zeit geraubt haben, fehlen mir mehr als mein Deo. Weil ich mich in dieser Zeit nur auf mich konzentriere.

4. #NurWasser scheitert an meinen Haaren

Es mag sein, dass manche Menschen mit Haaren (und einer entsprechend guten Wasserqualität) gesegnet sind, dass sie ihre Haare ausschließlich mit Wasser waschen können. Ich kann es auf jeden Fall nicht. Nur Wasser führt bei mir dazu, dass meine Haare spätestens nach drei Wasserwäschen einen Grauschleier bekommen und sich echt schmierig anfühlen. Das liegt sicher zum Teil am kalkigen Münchner Wasser, aber es liegt  auch an meiner Kopfhaut und meinen strichgeraden kurzen Haaren, die ganz einfach schneller strähnig aussehen, als die eh schon trockeneren, leicht welligen Haare vieler Mitstreiterinnen. Meine Kollegen und mein Freund haben zwar darauf bestanden, dass meine Haare eigentlich immer ganz okay aussahen – und auch nicht schlimm rochen. Rückblickend kann ich nur sagen: Ne sorry Leute, das war ultra eklig. Wie wichtig meine Haare für mein Sauberkeitsgefühl sind, habe ich nach der Hälfte des Experiments gemerkt. Nach 19 Tagen nur mit Wasser waschen habe ich mich so schmuddelig gefühlt, dass ich darum gebettelt habe, wenigstens einmal Lavaerde benutzen zu dürfen.

5.  Natürliche Kosmetik-Produkte bringen's auch!

Ich wollte auf Chemie verzichten, also hab ich zu Lavaerde (“Lava” von lat. lavare-waschen) gegriffen, als mein Haar nach zweieinhalb Wochen Wasserwäsche extrem fettig, matt und eklig war. Und Lavaerde – eine mineralstoffreiche Tonerde aus dem marokkanischen Atlasgebirge - ist wirklich großartig: Die Anwendung macht so viel Spaß wie eine Schlammschlacht und die Haare sind nach der Wäsche und einer Spülung mit Essigwasser wunderbar sauber, glänzend und weich. Top Shampooalternative – vor allem für Leute mit Schuppen, fettigem Haar und empfindlicher Haut; der Schlamm ist nämlich ultra mild. Und ohne das Experiment hätte ich das niemals ausprobiert. Ab sofort greife ich erstmal zu natürlichen Mitteln, bevor wieder teure Kosmetikprodukte in meiner Tasche landen, bei denen ich nicht mal weiß, was drin ist.