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Jens Spahns Terminservice- und Versorgungsgesetz "Einem Gutachter mein komplettes Trauma in nur einem Tag zu verraten, wäre zu viel für mich!"

Gesundheitsminister Jens Spahn will Therapieplätze per Gutachten verteilen. Psychisch Kranke könnten sich dann ihren Therapeuten nicht mehr selbst aussuchen. Wir haben mit einer jungen Bayerin gesprochen, die in Therapie ist.

Von: Inés Peyser-Kreis

Stand: 17.12.2018 | Archiv

Grafik | Bild: BR

Wer in Deutschland eine Psychotherapie braucht, muss im Schnitt 20 Wochen auf einen Platz warten. Gesundheitsminister Jens Spahn will das ändern: Damit es schneller geht, sollen Gutachter und Gutachterinnen Therapieplätze zuteilen.

Eine Petition von Psychotherapeutenverbänden gegen Spahns Vorschlag wurde in kürzester Zeit über 150.000 Mal unterschrieben und im Bundestag musste Spahn Kritik von Parteien wie den Grünen oder der FDP einstecken. In einem Punkt scheinen sich alle einig: Wer Hilfe braucht, sollte die schneller bekommen können als bisher. Nur über das Wie wird heftig gestritten.

Wir haben mit einer jungen Bayerin gesprochen, die gerade ihre dritte Therapie macht: Chanti, 20, aus Günzburg hat Depression, Borderline und eine Posttraumatische Belastungsstörung.

PULS: Ein Kritikpunkt am vorgeschlagenen Gesetz von Jens Spahn lautet: Es könnte es noch schwerer machen, sich Hilfe zu holen. Was sagst du dazu?

Chanti: Ich sehe das ähnlich. Ich stelle mir das sehr kritisch vor, mich einem Gutachter anzuvertrauen, den ich einmal in meinem Leben gesehen habe. Zum Beispiel mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung wie bei mir: Wenn ich einem Gutachter von meinem Trauma erzähle und er mich zur Traumatherapie schickt, ist das natürlich erstmal gut, denn ich bekomme eine spezielle Therapie für mein Problem. Allerdings müsste ich dem Gutachter mein komplettes Trauma an einem Tag verraten. Das wäre, glaube ich, viel zu viel und sehr belastend. Mit einem Trauma muss sehr sensibel umgegangen werden. Ich würde das auf keinen Fall wollen. 

Wie war es für dich, nach Hilfe zu fragen?

Das war wirklich schwer für mich. Ich war damals 14 Jahre alt und habe mich gefragt: Ist das jetzt wirklich eine Depression oder ist das die Pubertät? Dann habe ich aber mit meiner besten Freundin gesprochen und den Entschluss gefasst, selbst bei einem Therapeuten anzurufen. Weil aber unter 18 Jahren ohne Erziehungsberechtigte eh nichts läuft, sollte ich erst mal meine Mutter informieren. Ihr die Situation zu erklären, war eigentlich die größte Überwindung. Aktiv nach Hilfe zu fragen ist sehr schwer. Man will irgendwie nicht wahrhaben, dass man erkrankt ist, nicht allein für sich sorgen kann und Hilfe in Anspruch nehmen muss. Man denkt, man ist verrückt, aber das ist man ja eigentlich gar nicht. 

Wie lange musstest du auf einen Therapieplatz warten?

Bei meiner ersten Therapie, als ich 14 Jahre alt war, ging das relativ zügig. Aber bei meiner jetzigen Therapeutin hat sich die Aufnahme schon schwieriger gestaltet. Eine Ärztin von mir hat mir diese Therapeutin empfohlen. Dann habe ich ein halbes Jahr auf einen Termin gewartet und hatte erst dann meine ersten Gespräche mit ihr. Sie hat von vornherein gesagt: Wir treffen uns jetzt ein paar Mal und dann schauen wir, ob es von meiner als auch von deiner Seite aus passt. 

Wie ging's dir in diesem halben Jahr?

Das war eine schwere Zeit für mich. Was mir geholfen hat: Meine zukünftige Therapeutin hat mir eine Notfallnummer von sich gegeben. Da konnte ich sie jederzeit anrufen, auch als ich noch nicht Patientin bei ihr war. Ich merke auch jetzt, dass es mir jedes Mal schlechter geht, wenn meine Therapeutin im Urlaub ist. Ich brauche die Gespräche.

Warum hast du dich dafür entschieden zu warten und es nicht woanders zu versuchen?

Mein Problem war: Ich habe nicht wirklich ein gutes Verhältnis zu Erwachsenentherapeuten. Mir ist das immer alles zu förmlich. Ich wollte also jemanden, der eigentlich Kinder- und Jugendtherapeut ist, aber auch für Erwachsene zuständig ist.  Meine jetzige Therapeutin ist zum Glück beides. Außerdem ist sie auf Borderline-Persönlichkeitsstörungen spezialisiert, was mir in dem Moment auch wichtig war. Denn kurz nach der Diagnose ging es erstmal viel darum: Wie gehe ich mit dieser Diagnose um? Darum habe ich mich für sie entschieden. Das Problem ist: In so ländlichen Regionen wie hier ist es teilweise noch schwerer, jemanden zu finden, der passt, weil die Therapeuten Mangelware sind.

Sendung: Filter vom 17.12.2018, ab 15 Uhr.