Schwertkampf statt BWL Dieser Bayer ist Samuraimeister mit 27 Jahren

Ōtsuka Ryūnosuke hieß früher Markus Lösch. Er ist der erste deutsche Samurai, der eine traditionell japanische Schule der Kampfkunst übernommen – und sie prompt nach München verlegt hat.

Von: Elisabeth Kagermeier

Stand: 15.03.2019 | Archiv

Ōtsuka Ryūnosuke  | Bild: BR

Früher hieß Markus Lösch noch Markus Lösch. Früher war er auch Christ. Jetzt ist er Buddhist, hat seine Heimatstadt München verlassen, um nach Japan auszuwandern und heißt Ōtsuka Ryūnosuke. Ōtsuka hat viel aufgegeben für seinen Traum: den Traum vom Schwertkampf.

Angefangen hat alles vor zwölf Jahren: "Mit 15 wollte er sein erstes Schwert haben", erinnert sich sein Vater Werner. Erst habe er nein gesagt. Nachdem sie einige Tage diskutiert hatten, stand aber doch fest: Der Sohn setzt sich durch, er kauft sich das Schwert.

Schwertkampf ist sein Hobby

Wie man mit einem Schwert umgeht, hat er also schon in München gelernt. Aber der Schwertkampf war für Ōtsuka mehr als nur eine Teeniephase. Mit 18 ging er nach Japan. Er hatte mehr Bock auf Samuraischwerter als auf BWL. Und was er in Deutschland lernen konnte, war ihm nicht traditionell genug. Er trat in eine der berühmtesten Samurai-Schulen Japans ein, die Hokushin Itto-Ryu.

Ōtsuka sagt, er sei schon immer sehr in Geschichte vertieft gewesen, gerade die japanische. "Kämpfen gefällt mir natürlich auch sehr gut", sagt er. Es sei aber eine Kunst, bei der es auch sehr viel um Respekt geht. "Es darf nicht falsch rüberkommen, dass es eine Form von Action ist, es ist kein Haudrauf-Ding", sagt er. Das werde in der Popkultur falsch dargestellt.

Seinen Traum, Samuraikämpfer zu werden und nach Japan zu ziehen, hat er sich mit dem Erbe seines Opas finanziert. Sein Vater sagt: "Lieber gibt er es dafür aus als für nen BMW, wie andere 18-Jährige." Für seine Mutter Christl wurde es erst schwierig, als ihr Sohn nach ein paar Jahren nach Deutschland zurückkehrte und sie merkte: Er will das, was andere als Hobby machen, wirklich zum Beruf machen. "Das war für mich schon gewöhnungsbedürftig", sagt sie.

Vom Schüler zum Meister

Mittlerweile ist Ōtsuka Ryūnosuke vom Samuraischüler zum Meister aufgestiegen - mit gerade mal 27 Jahren. Normalerweise sind die Meister älter, erfahrener und vor allem: japanischer. Ōtsuka ist der erste Leiter einer traditionsreichen Samuraischule, der kein Japaner ist.

In seiner Schule in Japan sei es gut aufgenommen worden, dass ein Deutscher jetzt ihre Tradition weiterführt - er war schließlich der beste Schüler. "Aber es gibt sehr traditionelle Japaner, die sagen, ein Ausländer sollte kein Meister sein", erzählt Ōtsuka. Er findet aber: Kultur ist etwas, das man erlernen kann: "Es hat nichts damit zu tun, wo man herkommt, es geht um das, was man annimmt und für sich übernimmt."

Aus Markus wird Ōtsuka

Er hat die japanische Samuraikultur auf jeden Fall verinnerlicht - nicht nur den Namen, die Religion und die Sprache. Er ist auch Teil einer japanischen Familie geworden. Selbst in seinem Pass steht nicht mehr Markus Lösch. Sein Meister hat ihn als Erwachsenen adoptiert. Das ist in Japan, zumindest bei traditionellen Künsten, ziemlich üblich: Die müssen nämlich immer in der Familie weitergegeben und der Name erhalten werden. Seine Mutter fand die Sache mit der Adoption im ersten Moment seltsam, aber dann las sie viel darüber und begriff, dass es eigentlich eine große Ehre ist, zum Nachfolger auserkoren zu werden. Mittlerweile sagt sie: "Vielleicht ist das einfach sein Weg."

So wichtig Ōtsuka die Tradition auch ist: Ein paar Dinge haben sich dann doch gewandelt. Früher hat seine Schule die erste japanische Verfassung mitgestaltet, haben Schüler politische Attenate verübt, die Samurais ließen Köpfe rollen. Heute kämpfen die Samurais nicht mehr auf Leben und Tod. Militärisch geht es beim Training aber immer noch zu. Die Kampfrufe sind laut und abgehackt, die Bewegungen ruckartig. Ōtsuka geht dann mit strengem Blick durch den Raum, während seine Schüler seine japanischen Anweisungen befolgen.

Ein bisschen Heimat ist geblieben

Er hat den Hauptsitz der Schwertschule mittlerweile nach München verlegt. Auch, um Nachwuchs zu finden. Das Interesse an traditioneller japanischer Kultur schwindet, zumindest in Japan, sagt er. "Junge Japaner spielen gerne Baseball, die wenigstens möchten traditionelle Künste ausüben." Deswegen würden viele alte Schulen aussterben, weil sie keine Nachfolger mehr finden würden.

Europäer dagegen fänden Samurais faszinierend, genauso wie Japaner wiederum das europäische Mittelalter und Ritter spannend finden. Ōtsuka hat mittlerweile 140 Schüler und Zweigstellen in mehreren europäischen Städten sowie in Tokio. Auch Frauen kommen zum Training, in München sind es diesmal zwei. "Unsere Schule war die erste traditionelle Samuraischule, die auch Frauen aufgenommen hat, schon ab 1848", sagt er stolz.

Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum Ōtsuka Ryūnosuke nach München zurückgekehrt ist. Er wollte zurück zu seiner Familie und in seine Heimatstadt. Obwohl er viel von seiner Identität verändert hat, seinen kulturellen Hintergrund selbst bestimmen will: Ein bisschen hängt er eben doch noch an dem deutschen Teil in sich.

Sendung: Filter vom 18.03.2019 - ab 15 Uhr