Depressionen So reagierst du richtig, wenn ein*e Freund*in sich etwas antun will

Hinter Suizidgedanken oder Selbstverletzung steckt oft keine simple Trauer, sondern die Krankheit Depression. Wir geben Tipps, was ihr tun könnt, wenn jemand aus eurem Umfeld gefährdet ist.

Von: Robin Köhler

Stand: 20.01.2020 | Archiv

Emoji denkt an Suizid | Bild: BR

Wenn es einem geliebten Menschen schlecht geht, kann man einiges machen: Trösten, gut Zureden oder einfach mal in den Arm nehmen. Aber was ist, wenn die Person wirklich mit Depressionen zu kämpfen hat oder sogar darüber nachdenkt, sich etwas anzutun?

Triggerwarnung:

Dieser Text beschäftigt sich mit Depressionen und Suizidgedanken. Betroffene oder Menschen, die das potentiell belastet, sollten eventuell nicht weiterlesen. Stattdessen gibt es am Ende des Textes Infos zu kostenlosen und anonymen Beratungsstellung.

Laut der Deutschen Depressionshilfe starben allein 2017 mehr Menschen an Suizid als im gleichen Zeitraum durch Drogen, HIV und Verkehrsunfälle zusammen. Gerade bei jungen Menschen unter 25 ist Selbstmord eine der häufigsten Todesursachen. Als Gründe nennen Psychiater*innen oft nicht ausreichend behandelte Depressionen. Gleichzeitig kann es belastend und herausfordernd sein, wenn Freund*innen oder jemand aus der Familie düstere Gedanken mit einem teilen oder sich immer weiter zurückziehen. Wir zeigen euch, wie ihr trotzdem helfen könnt.

Nicht ignorieren, sondern nachfragen

Das Wichtigste vorweg: Außer einer direkten Ankündigung, sich etwas antun zu wollen, gibt es leider keine hundertprozentigen Warnsignale. Deswegen appelliert auch Ulrich Hegerl, Psychiater und Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe, an das Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand: "Bei manchen merkt man, dass sie sich völlig abkapseln, komplett hoffnungslos und verzweifelt sind. Ein anderer Hinweis könnte auch sein, dass jemand seine letzten Dinge regelt. Auf jeden Fall solltet ihr nachfragen, wenn euch so ein Verhalten auffällt!"

Also offen ansprechen und keinen Bogen um das unangenehme Thema machen. "Ich würde nachfragen: Was meinst du denn damit? Muss ich mir Sorgen machen? Hast du schon Pläne oder warst du schon mal kurz davor?", sagt Hegerl. So könnt ihr genauer erfahren, wie konkret die Suizidgefahr eures Freundes oder eurer Freundin ist.

Allen klarmachen: Es ist eine Krankheit

Eines der größten Probleme ist immer noch, dass Depression gesellschaftlich nur selten als das behandelt wird, was sie ist: eine Krankheit! "Die allermeisten Menschen sehen Depression als Reaktion auf Einsamkeit, Partnerschaftskonflikt oder Arbeitsbelastung. Die wenigsten erkennen, dass es eine eigenständige Erkrankung ist", sagt Hegerl. Äußere Umstände würden auch eine gewisse Rolle spielen. Doch für Betroffene könne das Umfeld so gut sein, wie es will: "Die Depression sucht im Leben irgendwas Negatives und irgendwas findet sie immer. Das vergrößert sie dann und rückt es ins Zentrum". Zwar könnt ihr als Freund*innen schon eine große Stütze sein, aber vergesst nicht: Professionelle Hilfe könnt ihr nicht ersetzen.

Professionelle Hilfe suchen

Wie für jede Erkrankungsform gibt es Fachärzt*innen und das ist im Fall von Depressionen der*die Psychiater*in. Deswegen sollte immer der Versuch im Vordergrund stehen, dass sich betroffene Freund*innen professionelle Hilfe suchen. Zumal es in Familien und Freundschaften wegen Depressionen oft zu Missverständnissen kommt, warnt Ulrich Hegerl: "Man könnte vielleicht meinen, die betroffene Person liebt einen nicht mehr, sie zieht sich zurück. Die ist zu bequem oder der reißt sich nicht zusammen." Dabei sei die Krankheit die Ursache der Probleme.

Besonders relevant ist das natürlich in gefährlichen Fällen: "Wenn ganz akute Lebensgefahr besteht, muss man helfen. Dann kann man nicht zuschauen, wie sich jemand das Leben nimmt, sondern muss den Notarzt rufen", sagt Hegerl. Das kann zum Beispiel nötig sein, wenn Menschen wahnhafte Depressionen haben. Heißt: Negative Gedanken verstärken sich so stark, dass sie für andere überhaupt nicht mehr nachvollziehbar sind.

Hilfsangebote empfehlen

Zum Glück muss es nicht immer gleich der Notarzt sein. Auch wenn die Behandlung durch Ärzt*innen am sinnvollsten ist, gibt es andere hilfreiche Angebote, die ihr weiterempfehlen könnt. Ein Beispiel ist "U25", eine kostenlose und anonyme Online-Beratung, die von der Caritas finanziert wird. Conrad Schröder ist einer der ehrenamtlichen Berater*innen und schreibt nach einer viermonatigen Ausbildung Mails mit Hilfesuchenden. Das Angebot von "U25" findet er deshalb so wertvoll, weil es komplett anonym ist: "Wenn junge Leute sowieso schon Probleme haben, sich mit ihren Eltern über bestimmte Dinge auszutauschen, sind wir oft die erste Anlaufstelle." Gleichzeitig sind Berater*innen wie Conrad selbst noch jung und können die Probleme der Menschen gut nachempfinden. Deswegen: Selbst, wenn sich Personen mit düsteren Gedanken euch gegenüber nicht ganz offenbaren wollen, machen sie es vielleicht in einem anderen Rahmen.

Geduldig sein und Grenzen akzeptieren

Manchmal wollen Menschen sich nicht helfen lassen. Und falls keine akute Gefahr besteht, sind leider auch besorgten Freund*innen Grenzen gesetzt: "Wenn jemand jede Hilfe vehement ablehnt, ist man auch ein Stück weit hilflos. Das gilt auch oft für Ärzte", sagt Ulrich Hegerl von der Deutschen Depressionshilfe. Hier bleibe nur die Möglichkeit, geduldig zu sein, das Thema immer wieder ansprechen und versuchen, die Person doch zu professioneller Hilfe zu bewegen. Ihr könnt zum Beispiel anbieten, Arzttermine zu organisieren oder zu Beratungsangeboten mitzugehen. Hier braucht ihr manchmal einen langen Atem, denn zu einer Behandlung zwingen kann man keinen.

Sich selbst nicht überfordern

Es ist hart zu sehen, wie ein geliebter und befreundeter Mensch leidet. Und wenn man helfen kann, sollte man das tun. Trotzdem ist es wichtig, sich selbst nicht zu überfordern. Die Deutsche Depressionshilfe rät deshalb, eure eigenen Grenzen nicht zu überschreiten und sich auch mal was Gutes zu tun. Berater*innen bei U25 geben zudem keine Versprechen ab, wie Conrad Schröder sagt: "Ich würde mich selber unter Druck setzen, wenn ich dem Gegenüber per Mail zum Beispiel verspreche, dass alles wieder gut wird." Außerdem könne man manche Versprechen nicht einhalten. Zum Beispiel, wenn es um Leben und Tod geht.

Hast du dunkle Gedanken? Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de

Die anonyme und kostenloste Online-Beratung der Caritas, U25, kannst du hier in Anspruch nehmen

Weitere Angebote gibt es außerdem hier:


  • Wissen, Selbsttest und Adressen rund um das Thema Depression unter www.deutsche-depressionshilfe.de
  • deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
  • fachlich moderierten Online-Foren zum Erfahrungsaustausch für Erwachsene www.diskussionsforum-depression.de und junge Menschen ab 14 Jahren www.fideo.de
  • Hilfe und Beratung bei den sozialpsychiatrischen Diensten der Gesundheitsämter
  • Beratung und Austausch für Angehörige: Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen www.bapk.de

Sendung: Puls am 20.12.2019. ab 15.00 Uhr