Interview // Uni Bayreuth Wie Wissenschaftler gegen Bio-Betrug bei Lebensmitteln kämpfen

Nur weil "bio" auf der Packung steht, heißt das noch lange nicht, dass es auch drin steckt. Wir haben mit einem Forscher aus Bayreuth gesprochen, der Bio-Schwindlern mit einer speziellen Methode auf der Spur ist: bei Getreide.

Von: Miriam Harner

Stand: 02.03.2017 | Archiv

Bio Grafik | Bild: BR

Deutschland, einig Öko-Land: Innerhalb von zehn Jahren hat sich der Umsatz von biologisch angebauten Lebensmitteln bei uns verdoppelt, 2015 haben die Deutschen fast neun Milliarden Euro für Lebensmittel aus ökologischer Produktion ausgegeben. Die meisten Verbraucher eint die Hoffnung, sich mit Bio-Essen gesünder und nachhaltiger zu ernähren. Dafür geben sie auch gern ein paar Euro mehr aus. Das Problem: Niemand von uns kann erkennen, ob in der Bio-Semmel wirklich Roggen aus Öko-Landbau steckt. Und trotz Bio-Siegeln kommt es immer wieder zu Skandalen um gefakte Bio-Ware. Stephan Schwarzinger leitet eine Arbeitsgruppe für Lebensmittelanalytik an der Uni Bayreuth, die gerade an einer Methode arbeitet, wie man herausfinden kann, ob Getreide und tatsächlich ökologisch produziert wurden.

PULS: Wie wollen Sie Bio-Schwindlern denn auf die Schliche kommen?

Stephan Schwarzinger: Indem wir eine Art chemischen Fingerabdruck der Getreidesorten erstellen. Das funktioniert mittels Magnetresonanztechnologie. In allen Lebensmitteln, zum Beispiel in Fruchtsäften oder in Wein, haben wir ein Vielzahl von Inhaltsstoffen, die in ganz verschiedenen Konzentrationen vorliegen. Eine Orange hat ganz andere Inhaltsstoffe als ein Apfel, das mag jetzt nicht sonderlich überraschen. Was aber überrascht ist, dass wir anhand der Inhaltsprofile sagen können, ob eine Orange beispielsweise aus Spanien kommt, also einem EU-Land, oder aus Brasilien. Das interessiert viele Verbraucher, weil man dann doch sagt: Da liegen andere Standards zugrunde für die wir gegebenenfalls auch mehr bezahlen. Bei Getreiden gibt es diese Art von Prüfung bisher noch nicht. In einer Vorab-Studie haben wir aber gesehen, dass sich nicht nur nachweisen lässt welches Getreide wir vor uns haben, sondern auch aus welcher Region das kommt und dass wir sogar eine Unterscheidung treffen können zwischen biologisch angebauten und konventionell angebauten Getreiden.

Anhand welcher Inhaltsstoffe kann man denn erkennen, ob zum Beispiel ein Weizenkorn bio ist oder nicht?

Es gibt nicht die eine Substanz, die einem sagt, das ist bio oder nicht-bio. Sehr oft ist es so, dass man mehrere Stoffe betrachten muss, deren Verhältnisse zueinander bestimmen und erst dann können wir Unterscheidungen treffen. Wir müssen uns in den nächsten Jahren 3000 Getreideproben aus Deutschland und dessen Nachbarländern vornehmen und analysieren. Das sind verschiedenste Sorten aus konventionellem Anbau und aus ökologischem Anbau. Mit Hilfe eines mathematischen Analyseverfahrens werden dann die Inhaltsstoffe identifiziert, die uns die entsprechenden Klassifizierungen erlauben. Dabei geht es auch darum, sagen zu können, ob es sich um ein Getreide handelt, dass aus einer bestimmten Region kommt, zum Beispiel aus Süddeutschland. Mit Regionalität wird schließlich geworben, damit wird ein teurerer Preis eines Lebensmittels begründet. Wenn das auf der Verpackung draufsteht, dann soll es natürlich auch drinstecken.

Ist ja cool, dass die jetzt eine Test-Methode für Getreide entwickeln, aber was ist eigentlich mit anderen Lebensmitteln? Da will ich auch wissen, ob ich für mein Geld wirklich bio bekomme.

Das Verfahren wird bei anderen Produkten bereits seit einigen Jahren angewandt. Deswegen sind wir auch so zuversichtlich, dass es auch beim Getreide funktioniert. Unter anderem für Fruchtsäfte, das ist das sogenannte Fruchtsaft- oder Juice-Profiling. Wir verwenden das auch zum Testen von Honig, da haben wir in den vergangenen Jahren viele tausend Proben gemessen. Wein wird damit auch getestet und bald auch Speiseöle, wie Olivenöl, um die gröbsten Fälschungen schnell eliminieren zu können und damit im Markt mehr Sicherheit für den Verbraucher zu schaffen.

Aber sind Kontrollen denn überhaupt nötig? Wird mit dem Label "Bio" so viel Schindluder betrieben?

Da muss man nur ein paar Jahre zurückdenken, da gab es einen großen Skandal. Bei italienischem Bio-Gemüse hat man festgestellt, dass es erstens nicht bio war und zweitens war es nicht mal aus Italien. Für einen Bio-Apfel kann man zum Beispiel viel mehr Geld verlangen, als für einen konventionellen. Es wird schon viel gefälscht, deswegen sind Kontrollen ja so wichtig. Das passiert zwar im Rahmen von Zertifizierungsverfahren, also mit Bio-Siegeln. Aber da geht es hauptsächlich drum, wie die Lebensmittel hergestellt wurden. In Kombination mit einer chemischen Analyse wird ein viel engmaschigeres Kontrollnetz geschaffen.