Ghostwriting "Arbeiten eines Ghostwriters kann man nicht identifizieren"

Hausarbeit schreiben lassen, statt selber schreiben: Der Ghostwriter-Markt an Unis wird immer größer. Für den Geldbeutel der anonymen Autoren ist das ziemlich gut. Ein Ghostwriter packt aus.

Stand: 04.05.2017 | Archiv

Grafik: High Five zwischen einem Geist und einem Studenten | Bild: BR

Mit Ghostwriting kann ich im Monat 1.000 bis 1.500 Euro verdienen. Die meisten Aufträge laufen schwarz. Ich arbeite in keiner Agentur, sondern komplett frei. Schließlich ist das für mich nur ein Nebenjob – oft kann ich nicht absehen, wie viel Zeit ich überhaupt neben meinem richtigen Job habe.

Schwer: Naturwissenschaften. Leicht: Geisteswissenschaften.

Schwer sind zum Beispiel naturwissenschaftliche Arbeiten mit Experimenten oder Arbeiten mit statistischen Erhebungen. Viele Psychologen müssen Fragebögen ausfüllen. Und für Physiker kann ich keine Sachen im Labor machen, dafür fehlen mir die Kenntnisse und die Ausstattung. Deshalb beschränkt sich mein Themenspektrum vor allem auf Geistes- und Sozialwissenschaften. Die meisten Arbeiten schreibe ich in Rechtswissenschaften.

Die Unis machen einen Fehler. Dadurch, dass ich jetzt einen modularen Studienaufbau im Bachelor und Master habe, können auch die Leute, die das Thema für die Bachelorarbeit stellen, nicht mehr voraussetzen, dass ein Student jedes mögliche Modul gehört hat. Deswegen sind die meisten Themen in den Bachelor- oder Masterarbeiten sehr scharf abgegrenzt. Sie erfordern kein breites Fachwissen. Das ermöglicht auch Fachfremden wie mir, sich in diesem Bereich schnell einzulesen und Arbeiten zu schreiben. Ich glaube, dass das der Knackpunkt ist, der den Markt für Ghostwriter richtig geöffnet hat.

Ist das noch ein Essay – oder schon eine Abschlussarbeit?

Ich verstehe den Sinn der modularen Studiengänge ja. Aber ich glaube nicht, dass es zu viel verlangt wäre, eine gewisse fachliche Breite von den Studierenden zu verlangen. Wenn ich mir anschaue, welche Titel die meisten Bachelorarbeiten haben – daran erkenne ich nicht, aus welchem Bereich die Arbeit ist. Im Grunde genommen sind das Essays. Die kann man ohne irgendein tieferes Fachwissen schreiben. Würde man die Abschlussarbeiten wieder in einen breiteren Kontext stellen, dann wären das einerseits interessantere Arbeiten, die auch interessanter zu schreiben wären und das würde auch eher dem Selbstverständnis der Unis entsprechen.

Arbeiten eines Ghostwriters kann man nicht identifizieren – wenn der Ghostwriter weiß, was er tut. Der Prof müsste den Schreibstil des Prüflings kennen, das ist unmöglich im Unibetrieb. Für mich könnte es sicherlich Ärger geben, theoretisch. Aber ich habe keine Angst. Ich lasse mir von den Studenten versichern, dass ich ihnen nur eine Musterlösung abgebe, die nicht als eigene Arbeit abgegeben werden darf. Und dann müsste ich ja auch noch selber ans Messer geliefert werden. Von daher: Ich habe nicht die Befürchtung, irgendwann mal damit aufzufliegen. Und es ist auch noch nie ein Student, für den ich etwas gemacht habe, aufgeflogen.

Das System schaut nicht hin

Wenn einer auffliegen würde, dann täte mir das sicher leid. Moralisch gesehen ist das Betrug, ja. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Wenn ein Unibetrieb so etwas erlaubt, die Studenten teilweise so unvorbereitet an die Arbeiten lässt und so konsequent die Augen davor verschließt, dann sehe ich den Fehler eher da. Ich sehe da einfach das System Bachelor- oder Masterstudiengang in der Verantwortung, sich zu reformieren, als bei mir und meinesgleichen.

Sendung: PULS im TV, 04.05.2017, 23:45 Uhr und Filter, 03.05.2017 ab 15 Uhr

Wir haben ein dreiviertel Jahr recherchiert und geschaut, ob die Arbeiten eines Ghostwriters identifizierbar sind: