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Ruhmeshalle Nine Inch Nails – The Downward Spiral

Was er anfasst, wird zu Gold: Trent Reznor, Mastermind von Nine Inch Nails, ist schon lange einer der ganz Großen unter den Musikproduzenten. Sein Meisterwerk aber ist bis heute das Konzeptalbum "The Downward Spiral" von 1994.

Von: Bettina Dunkel

Stand: 11.03.2011 | Archiv

Trent Reznor von Nine Inch Nails auf der Bühne | Bild: Rob Sheridan

Für viele ist Trent Reznor ein einziges Rätsel. Wie schafft es der Mann hinter Nine Inch Nails, mit seinen düsteren und oft schwer verdaulichen Klangeskapaden die Top Ten zu stürmen? Grammys zu gewinnen? Den Oscar? Unbestritten ist, dass er ein Robin Hood-artiges Talent zur Selbstvermarktung hat. Beispielhaft sei da nur an den öffentlich ausgefochtenen Disput mit seinem Plattenlabel erinnert, an seine Pionierleistungen im viralen Marketing oder an den mantrahaften Aufruf, seine Musik illegal runterzuladen statt sie zu kaufen. Haufenweise medienwirksame Kampagnen - die als Erklärungsansatz jedoch nicht reichen. Denn der eigentliche Schlüssel zu seinem Erfolg ist seine Kompromisslosigkeit.

Sex, Schmerz und Selbstzerstörung

Albumcover "The Downward Spiral" von Nine Inch Nails | Bild: Universal

Nine Inch Nails – The Downward Spiral (Cover)

Trent Reznor steht dem Mainstream in etwa so nah wie seinem langjährigen Erzfeind George W. Bush. Trotzdem wird alles, was der ultimative Antiheld anfasst, zu Gold. 1989 geht sein Debüt "Pretty Hate Machine", ein Bastard aus Industrial-Lärm und Synthie-Pop, durch die Decke. Als eins der ersten Independentalben ever erreicht es Platinstatus. Aber mit dem Nachfolger "The Downward Spiral" wird Reznor fünf Jahre später zum Phil Spector des Industrial Rock. Die aggressive Wall of Sound von Nine Inch Nails verschreckt nicht, sie zieht an. Und die Indiekids Mitte der Neunziger zieht sie direkt auf die Tanzfläche.

Das Stück "Closer" etwa mutiert zum derangiertesten Hilfeschrei der Neunziger: seine explicit lyrics sind sadomaso-ähnliche Sexfantasien – und alle singen mit, als wäre es ein harmloses Kinderlied. In einem Interview verrät Reznor, dass "Closer" für ihn zu diesem Zeitpunkt der beängstigendste Song ist, den er je geschrieben hat. Der einfache Discobeat, das cheesige "Help Me" im Refrain – er dachte, seine Fans würden ihn dafür steinigen. Vielleicht, wenn er das gesamte Album nach diesem Muster gestrickt hätte. Aber "The Downward Spiral" ist ein Konzeptalbum. Eins, das in einem Atemzug mit Pink Floyds "The Wall" genannt werden kann.

Auch "The Downward Spiral" dreht sich um eine Person, die das seelische Gleichgewicht verliert. Der Albumtitel steht für ihre Entwicklung: Es geht abwärts, unaufhaltsam. Ein Gefühl, das generationsübergreifend nachempfunden wird. Und das nur zu gerne in Schmerz, Selbsthass und wütenden Nihilismus mündet.

Eine beängstigend perfekte Kombination

"The Downward Spiral" zeichnet diese permanente Stimmungsschwankung in ihrer extremsten Form nach. Das Kalt-Metallische des Industrial Rock gibt das kaputte Grundgefühl wieder, die Pop-Elemente glitzern wie ein Hoffnungsschimmer hindurch, werden aber umgehend von der Gitarre zersägt. Nichts bleibt dem Zufall überlassen: Jeder Schrei, jedes verstörende Geräusch, jede Motivvariation ist genau da platziert, wo es am Nachhaltigsten wirkt. Am Ende steht die Klimax: "Hurt", eine beklemmend ruhige Selbstbetrachtung, die Jahre später von Johnny Cash gecovert wird und so zu neuen Ehren kommt.

Klar: Der zerstörende Kraftakt, den "The Downward Spiral" seinem Hörer zumutet, ist nicht für jeden etwas. Aber er wird weltweit verstanden. Millionenfach. Und das ist auch schon das ganze Geheimnis um Trent Reznor. Was er produziert, ist trotz seiner offensichtlichen Härte zugänglich, dabei zeitlos und universell nachempfindbar. Eine perfekte Kombination. Beängstigend perfekt.


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