Eine Ode an die LP Warum das Album als Kunstform nicht sterben wird

Wir hören immer mehr Musik, aber kaufen immer weniger Alben. Doch trotz Playlisten auf Spotify und Co. – das Album ist noch immer eine wichtige Kunstform und wird es auch bleiben!

Von: Lili Ruge

Stand: 05.04.2018 | Archiv

Warum das Album als Kunstform nicht sterben wird | Bild: BR

Das erste Album, das ich jemals besessen habe ist nach wie vor eine meiner Lieblingsplatten: "Sillium" von 5 Sterne Deluxe. Damals bin ich elf gewesen und habe gedacht: Wow! Fast 30 Lieder auf einer CD! Dabei sind gut die Hälfte Skits, Mini-Hörbuch-Geschichten und kurze unfertige Song-Entwürfe. Ein richtiges Album-Album halt, in das 5 Sterne Deluxe ihre geballte, komplett irre Kreativität gesteckt haben. Auf fast 80 Minuten Länge bekommt man einen Einblick in die verkiffte Welt von Tobi, Das Bo und Dj Coolmann.

Würde "Sillium" heute rauskommen, würde sich das vermutlich keiner mehr anhören. Heute wird die "Feelgood Pop"-Playlist auf Spotify oder die eigene Liste mit Lieblingssongs auf Deezer angemacht und gut ist. Die Ära des Albums scheint vorbei, finito, beendet. Dabei hat die erst vor ein paar Jahrzehnten begonnen.

Die Ära des Albums

Als die Beatles 1967 "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" rausbringen, wollen sie weg vom pilzköpfigen Boyband-Image und sich als ernstzunehmende Künstler neu erfinden. Das klappt. Das achte Album der Beatles gilt als Mutter aller Konzept-Alben. Die Tracks gehen in einander über, sind teilweise ellenlang und aus "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" ist auch keine einzelne Single ausgekoppelt worden. Dabei ist es vorher immer genau darum gegangen, wo der Hit ist, der die Platte verkauft.

Früher war nicht alles besser

Das Format der Langspielplatte ist in den 50er Jahren überhaupt erst in der Breite verwendet worden. Davor ist es in der Musikindustrie um einzelne Songs gegangen, die teilweise nicht mal auf Alben rausgekommen sind. Leute wie Bill Haley oder Elvis konnten ein Lied davon Singen. Früher war also nicht alles besser. Aber heute ist vieles so wie früher. Genau wie in den 50er Jahren dreht sich heute alles um die Hits. Nur dass die nicht mehr auf 7-Inches veröffentlicht werden, sondern auf Spotify-Playlisten landen. Der Tod des Albums ist schon an so vielen Stellen betrauert worden, dass man sich schon wundert, warum überhaupt noch welche gemacht werden. Die meisten Alben werden aber halt aufgenommen, weil man einen guten Grund braucht, um mal wieder auf Tour zu gehen. Diese Alben sind zurecht vom Aussterben bedroht.

Das Album ist tot, lang lebe das Album!

Es gibt aber noch Künstler wie Rejjie Snow, die es wagen, Konzept-Alben herauszubringen. Mit Skits, Hörbuch-Sequenzen und einer durchgängigen Story. Weil ihnen das Album Raum für ihre Kreativität bietet.

"I didn't want my first album to be an album full of singles. Because I'm not in a rush. I still have time to figure out how to make the best music I can. I want the music to last forever so it's important that I take my time and make it extra special."

- Rejjie Snow

Genau so entstehen die Alben, die ich immer noch liebe. Dafür lass ich jede "Feelgood Playlist" links liegen, geb mir die Platte von Anfang bis Ende und dann wieder von vorn. Alben sind nämlich als Kunstform immer noch aktuell – aber halt eben nur, wenn sie auch von echten Künstlern gemacht sind.

Sendung: Plattenbau am 5. April 2018 - ab 19 Uhr.