Neue Charts-Berechnung Warum Migos und Cardi B künftig weniger Erfolg haben werden

Charterfolge soll es in den amerikanischen Hot 100 wieder zu "üblichen" Konditionen geben: Es zählt, wer zahlt. Heißt: Ab sofort bedeuten Streams bei Bezahl-Anbietern mehr als bei Youtube. Geschichten wie die der Band Migos dürften damit der Vergangenheit angehören.

Von: Benjamin Kanthak

Stand: 18.01.2018 | Archiv

Migos | Bild: Motown Records

Der Nummer-1-Erfolg der Band Migos mit ihrem Track "Bad and Boujee" in den Billboard Hot 100 Charts könnte sowas werden wie die Überraschungsmeisterschaft des VFL Wolfsburg 2009. Eine absolute Ausnahme, eine Wahnsinnssache und etwas, das man die nächsten 50 Jahre nicht mehr erleben wird. Zumindest wenn es nach den neuen Regeln des US Magazins geht, das seit 1958 festlegt, welche Tracks die besten der Besten sind. Damals war Musikstreaming so unvorstellbar wie die Mondlandung, aber Zeiten ändern sich.

Seit 2013 beeinflussen Streamingzahlen zu 20 bis 30 Prozent die Positionierung von Songs in den US-Charts. Das erklärt auch, wie ein so roher Track wie „Bad and Boujee“ es 2017 schaffen konnte, sich gegen die üblichen Verdächtigen wie Adele, Taylor Swift oder Ed Sheeran durchzusetzen. Mittlerweile hat der Song knapp 600 Millionen Streams bei Youtube und über 400 Millionen bei Spotify. Mächtige Zahlen, die für kommende Newcomer allerdings weniger Bedeutung haben können, wenn es um die Charts geht.

Billboard killed the Youtube-Star

Billboard unterscheidet seit diesem Jahr beim Streaming zwischen Free- und Premium-Accounts. Sprich: Bezahl-Accounts und werbegestützte Klicks sollen auf den Charterfolg mehr Einfluss haben als die Klicks von Umsonst-Anbietern. Das sind vor allem schlechte News für Künstler, die versuchen, mithilfe von Youtube groß zu werden.

In Deutschland werden seit 2016 zwar Streams berücksichtigt, allerdings für die wichtigen Single-Charts nur Premium–Streams. Einzig für die Streaming-Charts zählen alle Streaming-Arten. Das könnte auch erklären, warum bei uns die offiziellen Charts teils wenig mit der Realität vieler Musikfans und den Streaming-Erfolgen einiger Künstler gemeinsam haben. Leidtragende sind dabei oftmals HipHop-Artists. In die Top 10 der aktuellen Media Control Single Charts haben es zwei Rap-Songs geschafft. In den reinen Streaming-Charts sind vier.

Ed Sheeran, Taylor Swift, blabla würg

Gut möglich, dass Cardi B. die Änderungen von Billboard einfach nur scheißegal sind

Dem Erfolg müssen die Regeländerungen nicht unbedingt schaden, denn viele User werden weiterhin neue Rapper im Netz für sich entdecken. Genauso werden Künstler weiter dank Streaming auf sich aufmerksam machen und dadurch im Radio und den Charts landen. Allerdings dürfte die Regeländerung dafür sorgen, dass die Chartspitze wieder für die Ed Sheerans und Taylor Swifts dieser Welt reserviert ist und damit nur die halbe Wahrheit abbildet. Geschichten wie die von Rapperin Cardi B, die es vor allem dank Streaming geschafft hat, innerhalb eines Jahres so erfolgreich zu werden, dass sie gleich mit mehreren Tracks in den Top 10 der Hot 100 Charts steht, könnte es dann deutlich seltener geben.

Die traditionelle Plattenindustrie dürfte sich aber über Billboards Pläne freuen, schließlich bedeuten sie wieder etwas mehr Berechenbarkeit. In dieser Welt stören labelfreie Querulanten mit fetten Streamingzahlen – bis sie unter Vertrag genommen werden, natürlich zu handelsüblichen Konditionen.

Sendung: Filter vom 18. Januar 2018 ab 15 Uhr