Jetzt Frank & Stein Shotty Horroh

Info Shotty Horroh aus Manchester ist in der britischen Battle Rap-Szene eine ziemlich große Nummer, dessen Videos millionenfach geklickt werden. Auf "Frank & Stein" (2018) zeigt er, dass er auch ein Vorliebe für Indie-Rock hat.

Kommentar zu "Vernissage my heart" Sechs Gründe, warum Bilderbuch die spannendste Band im deutschsprachigen Pop ist

Das neue Album von Bilderbuch ist doppelbödig, experimentell und frei von plakativ-eingängigen Hits. Die Österreicher entwerfen das Konzept Popmusik ganz nonchalant neu und machen die Musik, die der deutschsprachige Raum gerade dringend braucht.

Von: Miriam Fendt

Stand: 22.02.2019 | Archiv

Pressebild von Bilderbuch 2019 | Bild: Propeller Music/Hendrik Schneider

Mit heavy Gitarrensound, Stimmverzerrungen und inhaltlich aufgeladenen Dada-Texten heben Bilderbuch in Richtung vollständiger Unantastbarkeit ab - und hebeln das aus, was wir sonst von deutschsprachiger Popmusik gewohnt sind. Diese sechs Gründe zeigen, wie Bilderbuch es gerade schafft, die spannendste Band im deutschsprachigen Raum zu sein.

Grund 1: Keiner versteckt politische Statements besser in Songs

Die Mitglieder von Bilderbuch haben das Internet und seine Kanäle vollständig verstanden. Für die Vorabveröffentlichung vom fast zehnminütigen (!) Album-Closer "Europa 22" konnte sich jeder über eine extra eingerichtete Homepage einen virtuellen Europa-Pass erstellen. Bei der Promo-Aktion haben neben zahlreichen Bilderbuch-Fans auch Promis wie Jan Böhmermann oder Politiker wie Heiko Maas mitgemacht und mit ihrem Europa-Statement die Timelines der Social-Media-Kanäle geflutet. Textliche Bezüge mit aktuellen Aufhängern sind bei Bilderbuch beinahe Standard geworden, seit "Magic Life" besitzen ihre Songs auch eine mal mehr, mal weniger auffällige Doppelbödigkeit. Aussagen über Kapitalismus, Brexit oder Konsum präsentieren Bilderbuch aber nicht blank und plakativ - Polit-Talk wird bei den Österreichern über Stimmungen, Dada-Nonsens und Keywords erzählt. Die Songs eröffnen manchmal erst nach mehrfachem Hören ihre volle Tiefe und nie ist so ganz eindeutig zu benennen, worauf Bilderbuch eigentlich genau hinauswollen.

Grund 2: Bilderbuch geben nichts auf Releasekonventionen

Erst vor zwei Monaten ist das letzte Bilderbuch-Album "mea culpa" erschienen, ein Sammelsurium an Soundentwürfen, auf dem die vier Österreicher sich künstlerischen Freiraum gegönnt haben. Als es die Ankündigung gab, dass im Februar schon das nächste Werk herauskommen soll, haben viele erwartet, dass "Vernissage My Heart" endlich das nächste Hit-Album wird. Wäre eigentlich auch die denkbar logischste Konsequenz gewesen. Aber nicht mit Bilderbuch. Sie zeigen, dass sie weiterhin Bock auf Experimente haben und wenig auf klassische Albumveröffentlichungszyklen geben. Im digitalen Streaming-Zeitalter, in dem die Chartspitze sowieso von Künstler*innen regiert wird, die durch fast wöchentliche Songreleases einen Albumkontext beinahe überflüssig machen, zeigen Bilderbuch: Man kann sich auch mit zwei völlig unterschiedlichen Alben an die neuen Ausspielwege der Internetgeneration anpassen.

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Bilderbuch - das Interview zum Album "Magic Life" | Bild: PULS Musik (via YouTube)

Bilderbuch - das Interview zum Album "Magic Life"

Grund 3: Eine Band, die den Zeitgeist verstanden hat

Egal, ob sie locker mit Markennamen jonglieren, Internet-Anglizismen mit ihrem österreichischen Akzent upgraden oder trappige Autotune-Adlips einbauen, die auch von Austro-Kollege Yung Hurn stammen könnten - bei Bilderbuch sind etliche Popkultur-Referenzen eingewebt, die natürlich am besten von Millenials decodiert werden können.

Grund 4: Die Punchlines von Bilderbuch willst du dir aufs Shirt drucken

Lines wie "Sag es laut, du bist hinter meinem Hintern her", "Coca-Cola, Fanta, Sprite, Seven Up, Pepsi, Alright" oder "Baby, bitte leih mir deinen Lader" haben sich im kollektiven Gedächtnis festgesetzt. Bilderbuchs kreative Satzkonstruktionen sind clever und catchy. Auch auf "Vernissage My Heart" sind die einzelnen Songs wieder um diese eine Punchline aufgebaut, die sich nach kürzester Zeit im Gehörgang festgesetzt hat. Die Konsequenz: Man ist sofort angetrieben, Instagram-Posts, T-Shirts und Wände mit Lines wie "Liebe is the place to be", "Mama, so proud" oder "Ich glaub da ist ein Herz, weil ich fühle Schmerz" zu versehen.

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Bilderbuch: Darum sind ihre Musikvideos so einzigartig II PULS Musik Analyse | Bild: PULS Musik (via YouTube)

Bilderbuch: Darum sind ihre Musikvideos so einzigartig II PULS Musik Analyse

Grund 5: Maurice Ernst ist der Kaiser der künstlerischen Freiheit

Bilderbuch-Frontmann Maurice hat durch seine Selbstinszenierung ein neues Bild von Sexiness im deutschsprachigen Indie-Pop-Kosmos etabliert, das sich einem veralteten Männerbild entgegenstellt. Die überspitzte Sexualisierung des eigenen (männlichen) Körpers dominiert auch die Ästhetik ihrer Musikvideos. Dazu kommen zwei wichtige Stilmittel, die Bilderbuch zur Entdeckung der eigenen künstlerischen Freiheit verwenden: Verfremdung und Ironie. Auf Songs wie "Kids Im Park" oder "Ich Hab Gefühle" ist Maurices Stimme extrem verzerrt. Die richtige Dosis Ironie, aus der auch die unantastbare Coolness der Band entsteht, rechtfertigt aber so ziemlich alles, was Bilderbuch musikalisch so treiben.

Grund 6: Bilderbuch feiern die Schnelllebigkeit

Durchscrollen – entdecken – abfeiern – weiterwischen – vergessen – wieder neu entdecken: Eine hedonistische Wegwerf-Gesellschaft, die unter Konsumüberfluss und Überreizung leidet, muss wohl auch Musik ganz anders aufnehmen. Bei Bilderbuchs musikalischem Ansatz müssten sie aber ganz richtig sein. Die Band ist mit "Vernissage My Heart" - genauso wie mit "mea culpa" - an einem Punkt angekommen, an dem ihre Musik nicht mehr darauf aus ist, noch in zehn Jahren auf den Indie-Playlists des Vinyl-DJs aufzutauchen. Auch wenn die zähen Klinkenputzer der 2000er-Gitarrenmusik dafür wenig Begeisterung finden werden, kreist Bilderbuchs Future-Pop-Vision dafür umso näher um den Zeitgeist und seine Follower. Und eigentlich ist es ja auch viel schöner, Songs in ihrer Vergänglichkeit abzufeiern, statt die vermeintlichen Klassiker einer Band auf ewig totzuspielen, oder?

Sendung: Filter, 22.02.19 – ab 15 Uhr.