Tracks der Woche #2/19 Pam Pam Ida feat. BBou, LightSkinKeisha, ZAYN, Wilder Gray, KAYTRANADA feat. Shay Lia

Die Tracks der Woche tanken Selbstbewusstsein: Kritik an unverhältnismäßigem Fleischkonsum, ein männerverschleißender Intimbereich, ein Girl mit Suchtpotenzial, der erste Song zweier Underdogs und breite Schultern im Musikbiz.

Von: Jan Limpert

Stand: 21.12.2018 | Archiv

Pam Pam Ida feat. BBou, LightSkinKeisha, ZAYN, Wilder Gray, KAYTRANADA feat. Shay Lia | Bild: Liam McCrae, Pam Pam Ida, Patricia Reiners, Sony Music, HITCO

Pam Pam Ida feat. BBou – Bis auf die Knochen

"Zehntausend Hühner auf zehn Quadratmetern hauen vor lauter Freude einen gescheiten Walzer auf die Bretter. Schau die Maden, wie sich jede wixend auf den Hammel freut. Black Friday heut beim Metzger, es gibt wieder Gammelfleisch". Da serviert die bayerische Rap-Legende BBou ein richtiges Brett und kritisiert damit unverhältnismäßigen Fleischkonsum und die Laster der Wegwerfgesellschaft. Vielleicht heute Abend doch keine Burger essen gehen und stattdessen auf der Tanzfläche zu Pam Pam Ida abdancen? Der Track hat jedenfalls bestes Banger-Potenzial – und das trotz moralischem Zeigefinger. Mit "Bis auf die Knochen" haben Pam Pam Ida außerdem einen krassen Tapetenwechsel in Sachen Sound hingelegt. Bisher klang die Band aus dem oberbayerischen Sandersdorf eher folkig bis verträumt - jetzt wurde die musikalische Melancholie gegen catchy Saxophon-Lines, einen stampfenden Groove und ein Rap-Feature ausgetauscht. Frei nach dem Motto: Hauptsache Melodie, Drums und Message brezeln sich ins Hirn!

LightSkinKeisha – Wet

Normalerweise sind es eher Männer, die über ihr Gemächt rappen und darüber, wie respektlos sie ihre Bitches behandeln. LightSkinKeisha dreht den Spieß in ihrem pornösen Track einfach mal um und glorifiziert einen hemmungslosen, ausschweifenden Männerverschleiß. "Wet, never dry, keep the pussy wet, can’t lie" lautet die erste Line und sofort ist klar, wie der Hase läuft. Damit auch jeder verstehen kann, wie krass die Pussy der Männerwelt den Kopf verdreht, wurde beim musikalischen Arrangement auf blanken Minimalismus gesetzt. Damit tritt LightSkinKeisha nicht nur in die Fußstapfen von Dirty Rap Queen Khia und ihrem 2002 erschienen Song "My Neck My Back (Lick It)", sondern wirkt auch sowohl klanglich als auch optisch wie das gemeinsame Adoptivkind von Nicky Minaj und Cardi B. Zusammengefasst bedeutet das: Sexual Empowerment ohne Tabus, konzentriert in einem dreieinhalb Minuten Track, bei dem man mit Parental Advisory Aufklebern nur so um sich werfen möchte.

ZAYN – Sour Diesel

Musiker haben Frauen ja schon gefühlt mit allem verglichen: bei Prince waren es die Autos ("Little Red Corvette"), bei den Stones bunte Naturphänomene ("She's a Rainbow“) und in "Christus & Blitz" wird ein Girl von Yung Hurn und Meilner eindeutig zweideutig mit einem "splashy nassen Niagara Wasserfall" gleichgesetzt. Weniger kreativ, aber genauso beliebt sind da die Analogien zur Flora: Weil ZAYN’s Girl ihn aber so dermaßen high macht, kommt statt Rosen und Lilien nur die Weed-Sorte "Sour Diesel" als metaphorische Liebeserklärung in Frage. Aber hey, kein Thema, Hauptsache der Angebeteten gefällt’s, sich mit einem halluzinogenen Glimmstängel vergleichen zu lassen. Falls die Frauenherzen durch die Spliff-Metaphern des ehemaligen One Direction Sängers nicht sofort höherschlagen, bringt der Song sicherheitshalber noch feinste Sounds mit. Denn der musikalische Trip durch die Weed-Analogien führt an funky Drumbeats, geslappten Basslines und einem krassen Gitarrensolo vorbei, das an die glorreichen Zeiten des Bombast-Rocks der 80er Jahre erinnert.

Wilder Gray - Keep Me Warm

Zwei schwedische Underdogs und ihre bis dato erste gemeinsame Single als Duo: Teodor Wolgers und Jonathan Lavotha werfen mit "Keep Me Warm" ihr erstes Lebenszeichen auf den Musikmarkt. Dass die Boys noch ganz am Anfang stehen, vergisst man aber glatt, sobald man sich den routinierten Sound ihres Debut-Tracks reinzieht: ein Hybrid aus Trap-Beats und melancholischen Synthie-Sounds, bei dem von Unsicherheiten oder Findungsschwierigkeiten nichts zu hören ist. Vielmehr wirkt es so, als hätten Wilder Gray die Zeit vor der Veröffentlichung ihrer Single zum Soundtüfteln genutzt, um dann vollkommen unerwartet einen ausgefuchsten Song zu droppen. An seinem Sound hat das Duo u.a. in Berlin beim Label GUESSTIMATE geschraubt. Dabei ist eine ganze EP entstanden, auf deren Release man sich nach diesem vielversprechenden Vorgeschmack freuen darf. Wir feiern "Keep Me Warm" auf jeden Fall und haben richtig Bock auf das, was noch kommt!

KAYTRANADA feat. Shay Lia - Chances

Wir alle kennen die Stories von Musikern, die sich auf dem harten Pflaster des Musikbusiness an jedem Hater und noch so krassem Kritiker vorbei an die Spitze gekämpft haben. Ohne Fuck-It-Einstellung und ein krasses Selbstbewusstsein kommt man da aber nicht hin. Und genau darum geht’s im Song "Chances". Schon zum dritten Mal leiht Shay Lia einem Track von KAYTRANADA ihre Stimme – diesmal inklusive extra breiter Schultern: "It's hard to see a type of girl like me. The stars truly, they want me to succeed. They doubt, they’re sleep, they keep on telling me. I'm going nowhere. Baby, wait 'til you see morning break, beware." Tunnelblick und ab dafür. Hört man diese Lines, darf man sich aber auf keinen Fall vom harmlos daherkommenden Vintage-Sound täuschen lassen, denn Shay Lia meint das, was sie singt, ernst. Dass sie mit ihren Messages etwas bewegen möchte, hat sie bereits auf dem von KAYTRANADA produzierten Track "Cherish" deutlich gemacht. Dort kritisierte die Sängerin die durch den Syrien-Krieg verursachten, desaströsen Missstände. Eine Frau mit klarer Haltung.

Sendung: Freundeskreis, 17.12.2018, ab 10 Uhr