Tracks der Woche #41/18 Noname, Andrew Applepie, Young Thug feat Elton John, Rikas, Courtney Barnett

Die Tracks der Woche finden immer die richtigen Worte: egal ob mit Spoken Word, handgeschriebenem Songtext, geliehenen Zeilen, als Sprachrohr Stuttgarts oder potenzielle Bestseller-Autorin.

Von: Sophie Kernbichl

Stand: 08.10.2018 | Archiv

Tracks der Woche 41/18 | Bild: Facebook, Binary

Noname – Self

Eineinhalb Minuten. So lang ist "Self", der erste Track auf dem Album "Room 25". Und in dieser kurzen Zeit schafft Noname, was andere Rapper nicht mal in fünf Minuten hinbekommen: Der Beat sorgt sofort für Kopfnicken, die samtige Stimme rappt zügig mit einer in sich ruhenden Souveränität und wenn der Track zu Ende ist, möchte man sofort die Lyrics googlen. Denn bei Noname ist jede Zeile ein kleines Kunstwerk und klingt dabei trotzdem irgendwie improvisiert. Das kommt wohl daher, dass die Künstlerin aus Chicago sich früher viel bei Poetry Slams und Open Mic-Abenden herumgetrieben hat. Ihr Gespür für Sprache und ihre Angewohnheit, auch die unbequemen Themen anzusprechen, haben ihr den Status 'Conscious-Rapperin' eingebracht. Und diesem Ruf wird sie auf "Room 25" gerecht. Durch soulige Hip-Hop-Elemente und den entspannten R’n’B-Faktor wird das aber nie anstrengend, sondern hat immer auch eine unbekümmerte Lässigkeit.

Andrew Applepie – Feel It In My Face

Normalerweise fliegen bei Lyric-Videos animierte Songzeilen durchs Bild. Andrew Appelpie, schon immer ein Freund von Handarbeit, macht es anders: In seinem Video zu "Feel It In My Face" kritzelt er selbst jede Zeile seines Songs mit Folienstift direkt auf die Kamera. Jeder, der schon mal in der Schule am Tageslichtprojektor schreiben musste, weiß: Das ist kein einfaches Unterfangen. Noch beeindruckender als seine schmierfreie Schreibtechnik ist aber seine Musik. Andrew Applepie macht gut überlegten Elektro-Pop und zeigt uns auf "Feelt It In My Face" außerdem, wie schön seine naturbelassene Stimme klingt. Was als wohlige Liebeserklärung beginnt, erhält im Laufe des Songs mehr Beat, mehr Drive und schwingt sich zu einem echten Feelgood-Hit auf.

Young Thug feat. Elton John – High

Elton John und Hip-Hop – das ist eine ungewöhnliche, aber andauernde Lovestory: Der Engländer performte 2001 zusammen mit Eminem "Stan", er spielt das Klavier auf Kanye Wests "All of the Lights" und seine Songs werden immer wieder von Hip-Hop-Künstlern gesampelt. Jüngstes Intermezzo aus dieser Reihe: Das neue Feature von und mit dem Vorzeigetalent der Atlanta-Trap-Szene Young Thug. Der Rapper hat sich Elton Johns Ballade "Rocketman" vorgenommen und daraus seine ganz eigene Version namens "High" gemacht: Die ursprüngliche Refrainzeile wird garniert mit frischen Drums, melodischem Piano und natürlich Young Thugs charakteristischem Rapstil, der weit vielseitiger ist als der übliche Swagger-Trap. Gerüchte um eine mögliche Zusammenarbeit zwischen den beiden gab es ja schon länger – nicht zuletzt, weil Elton John erklärter Fan von Young Thug ist. "High" wäre übrigens auch ein großartiger Soundtrack für das kommende Biopic von Elton John.

Rikas – Prince Boomerang

Rikas, die vier Jungs aus Stuttgart, die mehr nach Kalifornien oder Florida als nach Schwaben klingen, haben neues Material am Start: "Prince Boomerang" heißt die aktuelle Single, die soundtechnisch direkt an das Album "Swabian Samba" anknüpft. Ein smoothes und vielschichtiges Musikbett, dazu eine gelassene Männerstimme und erheiternde Vocals mit Beach-Boys-Flair. Heimliches Highlight des Tracks: das Trommelsolo gegen Ende. Mit dieser ansprechenden Mischung sind die Jungs gerade auf Deutschlandtour. Und so viel sei gesagt: Rikas haben es bereits als Vorband von Bilderbuch oder AnnenMayKantereit geschafft, das Publikum in kürzester Zeit zum Tanzen oder wenigstens rhythmischen Schwanken zu bringen. Woher diese Bühnensicherheit kommt? Die Mitglieder der Band kennen sich seit Schulzeiten, sind zusammen schon quer durch Europa gereist und haben dort einfach auf der Straße gespielt – sowas bringt wichtige Erfahrungspunkte.

Courtney Barnett – Charity

Wenn man Courtney Barnetts Songtexte abtippen und als Buch binden würde, hätte man ein stattliches Werk über den Ist-Zustand unserer Gesellschaft – und wie man sich am besten dagegen wehrt – in der Hand. Und dabei käme diese Sammlung ganz ohne Muttis abgedroschene Lebensweisheiten à la 'Der frühe Vogel fängt den Wurm' aus. Das verdankt Courtney Barnett ihrer außergewöhnlichen Beobachtungsgabe und ihrem Talent für sarkastische Punchlines. Zu allem Überfluss ist die Australierin aber eben auch noch Musikerin und verpackt ihre Texte in anspruchsvollen Rock-Sound, der im besten Sinne altmodisch klingt. Bestes Beispiel: Der Song "Charity" von ihrem aktuellen Album "Tell Me How You Really Feel", der mit launischen Gitarrenriffs forsch voranprescht, um dann von der angenehmen Stimme der 29-Jährigen eingeholt zu werden. "Charity" fühlt sich mühelos an. Gerade so, als wäre der Track eben erst im Bandkeller entstanden.

Sendung: Freundeskreis, 08.10.2018 - ab 10.00 Uhr