Fake-Streams bei Spotify "Wir konnten die Klickzahlen selbst steuern und dadurch Gewinne erzeugen"

Leicht verdientes Geld: Zusammen mit einem schwedischen Forschungsteam hat Professor Patrick Vonderau herausgefunden, dass sich Songs auf Spotify mit einfachen Bots tausendfach streamen lassen. Im Interview erklärt er, warum der Konzern nichts dagegen unternimmt.

Von: Selina Gehring

Stand: 29.05.2019

Das Spotify-Logo als trauriger Smiley  | Bild: BR

In Sachen Musikstreaming führt momentan kein Weg an Spotify vorbei. Über 217 Millionen Nutzer*innen sind auf der Plattform registriert, der schwedische Konzern ist weltweit Marktführer. Für uns User bedeutet das eine riesige Musikauswahl für wenig Geld – doch für Musiker*innen ist der Streamingdienst alles andere als ein guter Deal. Sie bekommen vergleichsweise nur sehr wenig Geld von der Plattform. Ein schwedisches Forschungsteam hat jetzt aber herausgefunden, dass genau dieser Auszahlungsbetrag manipulierbar ist.

Das interdisziplinäre Forscherteam hat mit der Universität Umeå aus Schweden hinter die Kulissen von Spotify geschaut und transparent gemacht, wie das Unternehmen arbeitet. Sie haben zum Beispiel untersucht, an wen Spotify die Daten der Nutzer*innen weitergibt oder was Spotify zum Upload freigibt und was nicht. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Buch "Spotify Teardown. Inside the black box of streaming music" veröffentlicht. Im Rahmen der Forschung haben sie aber auch getestet, ob es möglich ist, die Streams der eigenen Musik zu pushen.

Professor Patrick Vonderau von der Martin-Luther-Universität Halle hat beim schwedischen Forschungsteam mitgearbeitet und uns mehr über die Ergebnisse erzählt.

PULS: Wie haben Sie herausgefunden, dass die Klickzahlen auf Spotify manipulierbar sind?

Professor Patrick Vonderau: Wir haben eigene Alben auf Spotify hochgeladen und Bots programmiert, die Hörer simulieren. So haben wir getestet, ob wir die Klickzahlen selbst steuern und dadurch Gewinne erzeugen können. Das endete dann mit einem Auszahlungsbetrag von fünf oder sechs Euro, den wir nie eingelöst haben. Aber das Experiment hat gezeigt, dass es funktioniert.

Außerdem haben wir noch getestet, was von Spotify als Musik eingestuft wird. Wir wollten wissen, wie Spotify entscheidet, was hochgeladen wird und was nicht. Dazu hat eine Kollegin ihre gesampleten Küchengeräusche hochgeladen. Zuerst hat das nicht funktioniert, aber sie hat dann jemanden gefunden, der ihren Upload gegen Bezahlung freigegeben hat.

Das heißt, Klicks sind käuflich und Spotify ist manipulierbar?

Genau. Im Rahmen eines anderen Forschungsprojekts habe ich jemanden aus Russland gefunden, der im industriellen Umfang Klicks auf Spotify verkauft. Bei Social-Media-Plattformen ist das ja kein Geheimnis, aber das geht eben auch im Musikstreamingbereich. Das bedeutet dann letztendlich, dass man systematisch tausende Euro monatlich verdienen kann.

Dann kann das ja quasi jetzt jeder Musiker machen...

Also ich würde niemandem empfehlen, die Klicks zu manipulieren, weil es gegen die vertraglichen Vereinbarungen ist, die man trifft, wenn man bei Spotify registriert ist. Es wird ja viel darüber diskutiert, ob Spotify kleinere Musiker und Labels benachteiligt, aber ich finde, das rechtfertig nicht, dass man da als Künstler unerlaubt tätig wird. Außerdem gibt es ja auch noch die technische Hürde. Es ist nicht so einfach, dass das jetzt jeder mal eben schnell machen kann.

Was macht Spotify gegen die Bots?

Natürlich werden die alles daran setzen, die Bots in ihrem System zu verhindern, wenn sie sie entdecken. Aber konkret wissen wir das nicht, wir haben von Spotify dazu nichts mehr gehört. Man sollte Spotify mal ganz offiziell fragen, ob sie von den Bots wissen und was sie dagegen machen.

Hat Spotify mit Ihnen zusammengearbeitet?

Nein. Wir sind schon sehr früh auf das Unternehmen zugegangen, aber Spotify hat ganz klar kommuniziert, dass sie uns keine Daten zur Verfügung stellen wollen. Sie haben uns vorgeschlagen, eine Unternehmensgeschichte zu schreiben. Wir haben zwar vereinzelt Interviewtermine bekommen, aber insgesamt war Spotify nicht allzu auskunftsfreudig. Das ist ein Widerspruch zum öffentlichen Image vom Unternehmen und endete damit, dass Spotify unsere Forschung verhindern wollte. Das ist ein krasser Schritt und darum haben wir auch alles im Buch "Spotify Teardown. Inside the black box of streaming music" veröffentlicht. Seitdem haben wir, wie gesagt, nichts mehr von ihnen gehört.

Spotify ist ja die Nummer 1 der Streamingdienste. Könnten die Bots was daran ändern?

Ich denke, dass Spotify nicht ernsthaft durch Bots gefährdet wird, weil das ein Problem ist, das auch auf alle anderen Plattformen zutrifft. Da sehe ich keinen Grund, warum Spotify weniger erfolgreich sein sollte.

Sendung: PULS am 28.05.2019 - ab 10.00 Uhr