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Interview // Oh Wonder "Wir wollten viel lieber Songs schreiben, als aufzutreten"

Eigentlich wollten Oh Wonder keine Band werden, sondern Songwriter für andere Künstler. Wie aus ihrem "Bewerbungsmaterial" auf Soundcloud dann ein richtiges Album geworden ist, erzählen sie im PULS Interview.

Von: Ann-Kathrin Mittelstraß

Stand: 17.04.2016 | Archiv

Oh Wonder waren zu Gast bei PULS | Bild: BR

PULS: Seit September 2014 habt ihr jeden Monat einen Song aufgenommen und auf Soundcloud hochgeladen. Zu dieser Zeit wart ihr an der Spitze der Blogcharts, immer mehr Leute haben sich eure Songs angehört und sofort geliebt. Wie war das für euch?

Anthony West: Das war sehr interessant. Immer mehr Leute haben angefangen, die Musik zu hören – das hat über Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert.

Josephine Vander Gucht: Es war merkwürdig und sehr überraschend, wenn man bedenkt, dass dieses Projekt eigentlich nie geplant war. Wir hatten nie geplant live zu spielen, ein Album herauszubringen oder überhaupt eine Band zu sein. Alles ist einfach passiert. Wir wurden da einfach reingezogen. Das war wirklich cool.

Aber warum habt ihr euch dann überhaupt dazu entschlossen, das Projekt zu machen?

Anthony: Wir wollten viel lieber Songs schreiben, als aufzutreten – das ist einfach unsere große Leidenschaft. Es geht darum, sich selbst Herausforderungen zu schaffen und sich dann auch an Deadlines zu halten.

Josephine: Und am Ende des Jahres hatten wir dann 13 Songs. Wir konnten ein Portfolio und eine Demoaufnahme machen, die dann an Labels und andere Künstler schicken und sagen: Wir wollen mit euch Songs schreiben – hier habt ihr Songs, wie wir sie schon geschrieben haben. Das war quasi der Plan.

Anthony: Das ist auch der Grund, warum wir beide auf den Platten singen, weil dann kann das Ganze auf eine Frau oder einen Mann angepasst werden.

Warum sind die Songs dann letztendlich auf einem klassischen Album gelandet? Aus finanziellen Gründen oder weil ihr sie auch anderen Leuten zeigen wolltet?

Anthony: Unsere Fans, die Leute, die sich das über das ganze Jahr hinweg angehört haben, wollten es in einer ordentlichen Form und nicht nur auf Soundcloud haben. Also war das eine schöne Möglichkeit, unseren Fans etwas zurückzugeben.

Josephine: Wir haben so viele Emails von Leuten bekommen, die sagten: 'Ihr seid meine Lieblingsband, kann ich euch Geld schicken, weil offensichtlich verdient ihr keines.' Und wir dachten uns nur 'Nein' (lacht).

Anthony: Nein - aber: wir bringen euch stattdessen eine CD.

Josephine: Also haben wir CDs und Vinylplatten gemacht und sie online zum Verkauf gestellt, damit die Leute in uns investieren können.

Anthony: Wir waren überrascht, wie viele Menschen sie gekauft haben. Wir dachten, weil es online ist, werden die Leute es einfach streamen oder illegal runterladen. Aber viele Leute waren einfach so: 'Ich möchte es kaufen, weil ich es das ganze Jahr schon angehört habe und mich beteiligt fühle.'

Wo nehmt ihr eure Songs auf?

Josephine: Ich wohne zu Hause und meine Eltern haben diesen kleinen Schuppen am Ende des Gartens. Wir haben einfach unser ganzes Zeug da reingestellt und sind langsam eingezogen. Ich glaube, sie wollten es eigentlich als Fitnessstudio nutzen, aber eines Tages ist Anthony mit seinen Gitarren und Mikrofonen aufgetaucht und meinte: 'Kann ich die hier rein legen?'

Anthony: Jeden Tag habe ich mehr Zeug gebracht.

Josephine: Und jetzt sind da zwei Klaviere drin, ein Tisch und viele andere Instrumente. Also haben wir alles da aufgenommen. Und das war so schön, weil es sich einfach angefühlt hat, als wären wir zu Hause - was wir auch waren, ich zumindest.

Anthony: Wir haben es 'Den Bau' genannt. Wo auch Hasen sich verstecken.

Josephine: Sich vergraben und sich vor der Welt verstecken.

Ihr lebt beide in London, eine der teuersten Städte der Welt. Wie ist das als Künstler dort zu leben?

Josephine: Der einzige Grund, warum wir Musik machen können und ich meinen Job kündigen konnte, ist, weil ich in London aufgewachsen bin. Mein Elternhaus ist also in London, deshalb habe ich bei meinen Eltern gewohnt bis ich 25 war. Wir haben viele Freunde, die nach London gezogen sind, weil es der Hotspot für Kultur und Musik in England ist. Viele von denen haben es wirklich schwer. Und so viele Leute haben diese beschissenen Jobs, arbeiten in Bars, Pubs und Startups, um ihre Miete zu bezahlen. Und dann können sie keine Musik mehr machen. Das ist so ein Teufelskreis: Du gehst nach London, um Musik zu machen, aber du kannst es dir nicht leisten, Musik zu machen, also musst du arbeiten, und dann machst du keine Musik mehr. Das ist wirklich schade. Und wir sind offensichtlich sehr privilegiert, dass ich für sieben Jahre zu Hause wohnen konnte und wir Musik in unserem Garten machen konnten. Ich weiß, dass wir sehr viel Glück haben.

Was wirklich auffällt, wenn man eure Musik hört, ist, wie gut eure Stimmen harmonieren. Habt ihr euch mal überlegt, für euer nächstes Album mit anderen Künstlern zu arbeiten, oder gibt es dafür gar keinen Platz, weil eure Stimmen eh schon so gut zusammen passen?

Anthony: Das war das erste Album, das wir ganz alleine gemacht haben. Wir haben es eingesungen, gemischt, produziert - alles. Also vielleicht werden wir auch mal mit anderen Leuten arbeiten. Aber ich glaube, es werden immer nur unsere Vocals zu hören sein. Wenn wir natürlich mit jemand coolen kollaborieren können, wäre das vielleicht was anderes.. am liebsten würden wir mit Frank Ocean zusammenarbeiten. Eines Tages.

Josephine: Wir haben das Gefühl, je öfter wir es aussprechen, umso größer wird die Chance, dass er uns hört. Frank Ocean, wenn du zuhörst, wir sind hier, wir sind bereit, wir warten auf dich.

Ist denn schon neues Material in der Mache?

Josephine: Wir gehen jetzt nach New York, wir haben da für einen Monat eine Wohnung mit einem Klavier gemietet und werden einfach nur Songs oder hoffentlich das zweite Album schreiben. Wir sind seit September unerbittlich auf Tour, deshalb waren wir in der Richtung seit fast einem Jahr nicht mehr kreativ.


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