Musik und Games Wie Fortnite und Travis Scott neue Maßstäbe setzen

Ein sehr erfolgreicher Rapper schließt sich mit einem sehr erfolgreichen Game für ein interaktives Konzert der Extraklasse zusammen: Eine Huldigung an die Beziehung zwischen Games und Musik, aber auch Wegweiser für die Zukunft.

Von: Jan Limpert

Stand: 08.05.2020 | Archiv

Eine überlebensgroße Travis Scott Figur steht vor einem lila Hintergrund mit einer Art bewohnten Mini-Planeten im Hintergrund. Am Rand stehen andere Spielcharaktere.  | Bild: Epic Records

Es ist der 24. April 2020: Wo sonst Multiplayer-Duelle im Battle-Royal-Modus ausgetragen werden, warten Gaming- und Musikfans weltweit auf den Auftritt eines Rap-Stars. Eine Art Asteroid schlägt auf die Erde der Fortnite-Welt ein und es landet ein überlebensgroßer Travis Scott in Superhelden-Pose. Dann folgt ein Live-Konzert, das es so noch nicht gegeben hat: mit jedem neuen Song führt Travis Scott die Spieler*innen in eine neue Welt. Auf brennende Wälder und Feuerregen folgt ein Ausflug in eine geheimnisvolle Wasserwelt und wenige Minuten später schwirrt Travis auf einem Planeten durchs All - über 12 Millionen registrierte Fortnite-User sind mitten drin, können Travis folgen, mitfliegen und mittanzen.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Travis Scott and Fortnite Present: Astronomical (Full Event Video) | Bild: Travis Scott (via YouTube)

Travis Scott and Fortnite Present: Astronomical (Full Event Video)

Die Song-Premiere von "The Scotts", einem Feature mit Kid Cudi, gab es noch obendrauf. Auch wenn die Idee, Musik über Videospiele zu vermarkten, nicht neu ist, heben Fortnite und Travis Scott dieses Businessmodell gerade auf ein neues Level. Hier treffen immerhin zwei milliardenschwere Branchen aufeinander, die schon lange Hand in Hand gehen. 

Musik und Videospiele gehören schon ewig zusammen

Von Super Mario bis Final Fantasy, fast alle großen Videospiele haben eine Melodie oder einen Song, der charakteristisch für das Game ist und unweigerlich im Gedächtnis bleibt. Der Tetris-Ohrwurm zum Beispiel ist einer der hartnäckigsten überhaupt. 

Nicht weniger wichtig: Soundtracks. Der Gaming-Gigant EA (Electronic Arts) hat schon vor Jahren begonnen, sich mit großen, internationalen Musik-Acts zu connecten und ein Netzwerk aufzubauen. Für die FIFA-Reihe und die diversen Teile von "Need For Speed" stellt EA Soundtracks aus allen möglichen Genres zusammen: von Avicii oder Blur über Childish Gambino bis zu den Kings Of Leon. Das Konzept lohnt sich für beide Seiten: EA kann den Spaßfaktor des Spiel durch einen coolen Soundtrack erhöhen, die Bands erreichen Millionen von Gamern mit ihrer Musik und gewinnen so potenzielle Fans dazu.

Nicht nur Musik taucht in Spielen auf, auch Musiker*innen selbst. So konnte man 2012 in "Tony Hawk’s Pro Skater HD" als Metallica-Frontmann James Hettfield über die Halfpipe brettern oder 2009 erstmalig als Kurt Cobain in "Guitar Hero V" zocken.

Und es gibt noch mehr Crossover-Traditionen. Lara Croft schoss sich bereits 1998 durch das Video zu "Männer sind Schweine" von Die Ärzte und auch bei Marterias Song "Endboss" von 2009 waren von Cosplay-Mario bis Pacman alle möglichen Charaktere aus der Gaming-Welt vertreten. Die deutsche Band The Screenshots hat letztens sogar ein Video zu ihrem Song "Die Welt geht noch nicht unter" veröffentlicht, das komplett in Fortnite gedreht wurde. Und auch 2019 gab es ja auch schon ein Fortnite-Konzert von DJ Marshmello.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

The Screenshots - Die Welt geht noch nicht unter (Offizielles Musikvideo) | Bild: The Screenshots (via YouTube)

The Screenshots - Die Welt geht noch nicht unter (Offizielles Musikvideo)

Next level: Gaming- und Musik-Branche verschmelzen

Trotz der ganzen Vorgeschichte, die Games und Musik verbindet, haben wir es bisher eher mit kleinen Gimmicks zu tun gehabt. Ein schönes Ding für die Fans oder einmalige Zusammenarbeit für ein bisschen gegenseitige Promo. Das Fortnite-Event von Travis Scott sprengt diesen Rahmen aber. Fortnite hatte 2019 über 250 Millionen registrierte Nutzer, Tendenz steigend. Erst recht, wenn da ein Travis Scott spielt und sicher für die ein oder andere Neuanmeldung gesorgt hat. Dass das in dem Fall so gut funktioniert, mag auch daran liegen, dass Fortnite - berühmt für seine Tänze - bereits mehrmals bewiesen hat, dass seine Spieler*innen durchaus musikaffin sind.

Wie kann man also diesen Effekt noch mehr nutzen? Die Kanadische Firma Monstercat zum Beispiel bietet Musiker*Innen die Möglichkeit, ihre Songs bei Gaming-Streamern im Hintergrund laufen zu lassen. Alles, was man tun muss, ist seine Lieder an Monstercat zu schicken - ganz nach dem Claim von Monstercat "Focus on writing songs, we’ll handle the rest". Die Vermittlung der Songs an die Streamer erfolgt aber natürlich nicht gratis, sondern durch eine kostenpflichtige Mitgliedschaft. 

Auch Sony arbeitet weiter an der Verschmelzung von Musik- und Gamingbranche. Sony hat ja ohnehin eine Art Pole-Position, dadurch dass sie beides extrem erfolgreich vertreibt. Deshalb stellt das Unternehmen auch gerade ein neues Team auf, das unter anderem den Job des sogenannten "Unreal Engine Software Developer" übernehmen soll. Was nach mega komplizierten Fachkauderwelsch klingt, bedeutet eigentlich vor allem eins: Musik mit immersive Medien - wie eben Videospiele - zu verknüpfen und neue Möglichkeiten der Interaktion zu entwickeln.

"We need you to bring your vision and passion to a team dedicated to reimagining music through immersive media. Leveraging Sony Music's vast catalog and roster of artists, the Unreal Engine Networking Engineer Software Developer will develop and maintain online multiplayer services for immersive music experiences."

Sony Music Entertainment in einer Online-Stellenausschreibung auf LinkedIn

Epic Games - die Firma, die hinter Fornite steckt - arbeitet bereits seit dem ersten Fortnite-Konzert von DJ Marshmello daran, dass Live-Konzerte in Videospielen zur Normalität werden, so die Wunschvorstellung von CEO Tim Sweeney.

"We can go a lot further with the creation tools built into games. Where this is ultimately headed is games becoming more open platforms for creators to build their own stuff… In the future, we’d like for any musician to hold their concert of that sort without having to coordinate with us."

Epic Games CEO Tim Sweeney in einem Interview mit der Washington Post

Sony will sogar noch einen Schritt weiter gehen und zum Beispiel Multiplayer-Games  mit musikalischem Schwerpunkt entwickeln. Außerdem soll Virtual Reality Technik dabei eine große Rolle spielen. Erste Versuche in diese Richtung gab es ja 2017 schon mit der App "The Chainsmokers Paris.VR", in der man einem DJ Duo durch eine Traumwelt folgen und damit Einfluss auf einen Remix eines Songs haben konnte. 

In Sachen Musik und Gaming tut sich gerade extrem viel, doch das Meiste spielt sich noch im Hintergrund ab. Mit Travis Scott’s Fortnite-Erfolg allerdings ist das jetzt auch ins Mainstream-Bewusstsein geschwappt. Das Astronomical-Event ist aber eben nur ein Teil von einer größeren Entwicklung, die zum Ziel hat, dass wir Musik noch krasser virtuell erleben können. In Zukunft wird also nicht nur das Musikbusiness bestimmen, wie wir Musik konsumieren, sondern auch die Gaming-Industrie.

PULS am 07.05.2020 - ab 15.00 Uhr