Endstation München Wenn Bayern für Bands zum Albtraum wird

München ist sicher, sauber und schön. Musiker haben das schon ganz anders erlebt. Bei vielen Konzerten regieren Chaos, Drogen und Randale. Zehn schockierende Stories aus Monaco di Bavieras überraschend düsterer Musikgeschichte.

Von: Ralph Glander

Stand: 31.07.2018 | Archiv

Münchner Kindl mit blauem Auge und Baseball-Schläger | Bild: BR

Liam Gallagher: (Z)ahnungslos durch die Nacht

Die Nacht vom 30. November 2002 ist ein denkwürdiger Zeitpunkt der Münchner Rock 'n' Roll-Folklore. Denn genau da gerät der damalige Oasis-Sänger Liam Gallagher zusammen mit seinem Bruder Noel in eine epische Schlägerei mit fünf anderen Männern. Man prügelt sich erst munter-blutig durch die Bar und dann – weil's so schön ist – auch noch durch das Foyer des Bayerischen Hofes, bis schließlich irgendwann auch die Münchner Polizei in den heftigen Schlagabtausch einsteigt. Am Ende ist die Hotelbar hinüber und Liam sitzt mit zwei Schneidezähnen weniger im Knast. Das geplante Konzert am Abend fällt aus naheliegenden Gründen aus, dafür gibt's für den Brit-Pop-Prügelknapen Haferflockensuppe durch einen Strohhalm. Verarbeitet hat Liam die tragischen Ereignisse dieser Nacht bis heute nicht. Der Mann hat eben das Gedächtnis eines zugekoksten Elefanten. Erst vor Kurzem hat er nämlich behauptet, dass die Münchner Polizisten ihm erst auf der Wache die Zähne mit einer Zange gezogen haben.

Method Man: Rapper vs. Freistaat I

Als Method Man 2010 für ein paar Gigs nach Deutschland kommt, führt ihn seine Reise auch in die wohl härteste Hood der Republik: München. Los geht es schon mal damit, dass in seinen Tourbus eingebrochen und einiges an Jacken und Schmuck geklaut wird. Als Meth daraufhin am nächsten Tag Anzeige bei der Polizei erstattet, inspiziert die ausgiebig den Tatort und ist sich sicher: Hier werden Drogen konsumiert. Die logische Konsequenz: Ein paar Minuten später wird der Tour-Bus zwecks "Verkehrskontrolle" von genau den gleichen Polizisten gestoppt. Vor der pittoresken Kulisse der Donnersberger Brücke kommt es zu einem legendären Showdown. Denn tatsächlich findet ein Polizist mitten auf der Straße einen prall gefüllten Beutel Gras, der vermutlich hastig aus dem Fenster geworfen wurde. Der Beamte sieht den "War on Drugs" bereits als gewonnen an und kreiert dabei den unsterblichen One-Liner: "No drugs in the bus, oder?" Und legt gleich mit einer weiteren Perle nach: "Now we wait of the dog, okay?" Dankbarerweise wurde der skurrile Schlagabtausch von Method Mans Tourbegleiter Ledr P für alle Ewigkeit festgehalten.

Fleetwood Mac: Trauma-City

In den frühen 1970ern war München offenbar ein brandgefährliches Pflaster für Rockbands. Fleetwood Mac sind gerade eben am Flughafen gelandet und werden sofort von ominösen Hippies umzingelt, umgarnt und... beschlagnahmt. Vor allem Gitarrist Peter Green hat es ihnen angetan. Schließlich findet sich die Band auf einer Landkommune in einem Schloss bei Landshut wieder. Was folgt ist ein verheerender LSD-Trip, von dem sich Peter Green sein Leben lang nicht mehr erholt und ihn sogar dazu bringt, bei Fleetwood Mac auszusteigen. Die ominösen "Kidnapper" werden von der Band wahlweise als "Jet-Set-Hippies" oder als Art "adelige Sekte" beschrieben. Tatsächlich waren es niemand Geringeres als Uschi Obermaier und Rainer Langhans mit ihrer damaligen Highfisch-Kommune, die Peter Green seinen fatalen Trip verpassten. Fleetwood Mac-Bassist John McVie hat München später als "Trauma City" bezeichnet. Rainer Langhans hingegen hat auch noch heute ziemlich dufte Erinnerungen an seine Zeit mit Fleetwood Mac. Alles eben eine Frage des Trips.

Non Phixon: Brennt den Club ab

2005 haut die Süddeutsche Zeitung eine bemerkenswerte Schlagzeile raus, die München mächtig nach Straße aussehen lässt: "Hip Hopper hauen das Backstage kurz und klein". Was war passiert? Ein Blick auf die Veranstaltung dieses schicksalhaften August-Tages lässt Rap-Fans erstmal nostalgisch werden: eine Show mit Outer Space, Jedi Mind Tricks und Non Phixion? Krasses Line-Up – aber: Letztere wollen partout nicht auftreten. Aus gutem Grund: der dubiose Konzertveranstalter Andreas K. ist nämlich einfach mit der Kasse durchgebrannt. Und ohne Gage hatten die Jungs von Non Phixion keinerlei Aspirationen, auf die Bühne zu steigen. Die Fans finden das natürlich gar nicht gut. Was folgt: Randale Furioso mit 15.000 Euro Sachschaden für die Clubbesitzer. Wie es soweit kommen konnte – davon gibt es zwei Versionen. Die Veranstalter behaupten, die Band hätte die Fans zur Schlacht aufgerufen. Die Band wiederum sagt, sie hätten die austickenden Fans beruhigen wollen. Wie auch immer es genau anfing, es endet im Chaos. Und um das zu beenden, brauchte es nicht weniger als 150 (!) Polizisten, die dann auch die Mitglieder von Non Phixion verhaften. So viele Beamte hatten wahrscheinlich nicht mal Public Enemy auf einem Konzert.

Method Man: Rapper vs. Freistaat II

Man kann es sich fast zu gut vorstellen. Die Bayerische Polizei schmökert auf dem Revier aufmerksam in der aktuellen In-München und stellt fest: der Sprechmusik-Künstler und Drogenkriminelle Method Man ist wieder zurück in der Landeshauptstadt. Man reibt sich in erregter Vorfreude die Hände: "Diesmal kommen diese Rappers nicht davon!" Die "Schmach von der Donnersberger" sitzt noch tief. Also rückt man vor Method Mans Auftritt im Backstage zur großen Drogenrazzia an. Was als wuchtiges Ausrufezeichen gegen die teuflische Cannabis-Pest gedacht war, gerät ein weiteres mal zur herben Enttäuschung. Wieder werden bei Method Man und seiner Crew keine Drogen gefunden. Kleines Trostpflaster für die Damen und Herren in (damals noch) grün: man kann 13 Konzertgäste im Alter zwischen 15 und 44 Jahren "mit geringen Mengen" Cannabis sicherstellen und zur Anzeige bringen.

Das Racist: Allein, allein. Allein, allein.

Ein kurzes Anekdötchen aus dem beliebten Musiker-Genre "Aufhören, wenn's am schönsten ist". Die New Yorker Hip Hop Crew Das Racist war für kurze Zeit ziemlich heißer Scheiß im Rap Game. Deswegen sollte das Trio im Dezember 2012 auch beim PULS (damals: on3-) Festival in einem prominenten Time-Slot die Stimmung bei den BesucherInnen auf den Siedepunkt bringen. Doch auf der Bühne erscheint dann nur ein Drittel der Band: lediglich Rapper Heems stolpert sichtlich angetrunken und emotional aufgewühlt auf die Bühne und versucht die Show alleine zu schmeissen. Der Grund: die Band hatte sich gerade eben aufgelöst. Für Fans zwar klar enttäuschend, aber ganz ehrlich: viel exklusivere Auftritte einer nicht mehr bestehenden Band kann man an einem Festival-Abend eigentlich kaum erwarten.

Justin Bieber: Affenzirkus

Der kanadische Plastik-Popper ist ein waschechter Problem-Bär. Was er an Punk und Rock'n'Roll nicht imstande ist in seine trivialen Songs zu packen, lebt er anderweitig aus - oder zumindest das, was er dafür hält. Von Handgreiflichkeiten über Vandalismus bis hin zur inflationären Nutzung des N-Wortes und betrunken verursachten Autounfälle hat Justin schon echt viel Scheiße gebaut. Sein Gesellenstück liefert er aber 2013 am Münchner Flughafen ab. Da läßt er nämlich sein erst 14 Monate altes Affenkind Mally zurück - weil die notwendigen Papiere fehlen. Justin will für sein geliebtes Haustier auch keine nachreichen und verläßt nach der Konzerttournee einfach das Land. Der nun herrenlose Affe landet im Münchner Tierpark, die Welt ist empört über den herzlosen Popstar. Ein PR-Desaster vor dem Herrn. Diese Geschichte lohnt es sich allein deswegen zu erzählen, damit man mal folgenden, irren Satz schreiben kann: Des Biebers Affe namens Mally lebt heute im Serengeti Park in Hodenhagen.

Snoop Dogg: FC Augsburg, Stern des Südens

Im Oktober 2015 geht es bei einem Snoop Dogg-Konzert in München richtig derbe ab: Fans werfen Becher auf die Bühne, sprühen mit Feuerlöschern durch die Gegend, stürmen die Bühne und bearbeiten die dort stehende Anlage. Allerdings nicht aufgrund der guten Stimmung, sondern aus Wut. Snoop war nämlich nie im Club Zenith erschienen. Der Grund: angeblich hatte der Veranstalter die Show falsch beworben und die vereinbarte Gage nicht rechtzeitig in der gewünschten Form bezahlt. Während also in Boogey Down-Munich mal wieder Sicherheitskräfte Hip Hop-Heads in den Schwitzkasten nehmen müssen, ist Snoop bereits bei seinem zweiten Auftritt des Tages angekommen: in Augsburg. Bekleidet mit einem FC Bayern Trikot. Fotos für die Ewigkeit, die sogar einen Verein wie den FCB ein bisschen real rüberkommen lassen.

Pete Doherty: Drauf sein, drauf sein über alles

Der hauptberufliche Druffi und Teilzeitmusiker hat mittlerweile vermutlich mehr Skandalgeschichten in seiner künstlerischen Erwerbsbiographie als Songs. Ein paar seiner dämlichsten Aussetzer hat er natürlich in der fiebrigen Rock 'n' Roll City München angezettelt. Erst letztes Jahr schubste und bespuckte er einen weiblichen Fan und versuchte der Sache dann in einer dadaistischen Tweet-Kaskade detektivisch nachzugehen. Für immer unvergessen bleibt aber sein in doppelter Hinsicht historischer Aussetzer im Jahre 2009 auf dem PULS (damals: on3-) Festival. Da stimmte er zur überschaubaren Begeisterung des Publikums vier Mal die verbotene erste Strophe des Deutschlandliedes "Deutschland, Deutschland, über alles" an. Das hat außer irgendwelcher Bands auf Rechtsrock-Festivals in Thüringen sonst noch keiner geschafft.

Kay One: Schaumwein-Schlägerei

Erinnert sich noch jemand an den Rapper Kay One genannt Kenneth Glöckler? Oder war es umgekehrt? Egal. Auf jeden Fall war er mal für kurze Zeit ziemlich präsent im Rampenlicht-Windschatten von Bushido unterwegs. Doch irgendwann eskalierte diese Zweisamkeit und niemand wusste mehr genau ob Kay One nun Bushidos Flow-Fluffer oder doch tatsächlich dessen Ghost-Writer war. Aber das ist eine andere Geschichte. Viel relevanter für uns ist, dass auch Kay One 2014 erleben musste, dass in München die Straße immer da lauert, wo man sie nicht vermutet. Zum Beispiel im Schicki Schuppen "Heart" am Lenbachplatz. Dort wurde Kay One zwischen zwei Gläsern Schampus von einem 50jährigen Party-Gast attackiert. Schlägerei im Schaumwein-Rausch? Das gibt es definitiv nur in München.

Sendung: Donnerstag, 09.08.2018 - ab 19.00 Uhr