Lektüreschlüssel: POP (X-Mas-Edition) WHAMs "Last Christmas" als zeitgenössische Gedichtinterpretation

Ist WHAMs herzzerreißendes Weihnachtslied "Last Christmas" die einzig wahre Après-Ski-Hymne unserer Zeit oder etwa doch ein mutiges Statement für den Organsspende-Ausweis? Der "Lektüreschlüssel: POP" nimmt sich der Sache an!

Von: Stefan Sommer, Niklas Fazler

Stand: 13.12.2018 | Archiv

Wham | Bild: picture-alliance/dpa

Freundinnen und Freunde des frühweihnachtlichen Jagertee-Deliriums, aufgehorcht! "Laaaaaaast Krischmäs I gäw juu meiii haaaart, bad se wäri näkscht deee, juu gäw id awäää", ein Klassiker der Haarspray-Moderne, ein über die Jahre liebgewonnener Soundtrack für Firmenweihnachtsfeier-Annäherungsversuche (Tipp: Den Blick auf die Auserwählte richten, mit beiden Händen ein schlagendes Herz vor der Brust imitieren), ist wieder da.

Wie jedes Jahr, seit der Song 1984 in die Läden kam, holen ihn Radiosender und Almhütten-DJs kurz vor Weihnachten aus der Asservatenkammer. Aber um was geht es in der georgemichaelschen Schmachtprosa eigentlich? Interpretierten Expertenzirkel sowie Hardcore-Fans die Zeilen des Poems bisher in der Tradition des mittelalterlichen Minnegesangs als schwermütige Klage eines von der großen Liebe enttäuschten Hobby-Skifahrers mit Föhn-Frisur, ist die Forschung heute weiter. In diesem perfekt konstruierten Textgebilde aus Schweifreimen, verschränkten und freien Reimen geht es um mehr als eine erkaltete Liebelei in der High-Society.

"Last Christmas
I gave you my heart."

WHAM, Last Christmas

Bisher wurden diese Zeilen des Gedichts metaphorisch verstanden, als Bild für den tollkühnen Liebesschwur des jungen Minnesängers. Was aber, wenn hier keine Metaebene betreten werden soll und der Text ganz wörtlich zu verstehen ist? Dann öffnet sich das Tor und eine andere Interpretation wird unausweichlich: Der bekannte Philanthrop und Humanist George Michael besingt in Wahrheit eine Organtransplantation, die er letzte Weihnachten auf sich nahm. "Last Christmas" ist kein Song über die Liebe, es ist ein mahnendes Plädoyer für die Organspende.

Wenn George Michael also singt: "I gave you my heart", meint er damit nicht, dass er seiner Angebeteten eine Leberkassemmel in Herzform auf dem Christkindlmarkt spendiert, sondern ihr tatsächlich seinen Herzmuskel in seiner physischen Form überreicht. Und er hat sich bei diesem besonderen Weihnachtsgeschenk große Mühe gegeben:

"I wrapped it up and sent it
With a note saying, I Love You, I meant it."

WHAM, Last Christmas

Leider geht die Geschichte schief und die Beschenkte entscheidet sich für ein anderes Herz. Die medizinischen Gründe bleiben im Verborgenen:

"The very next day you gave it away."

WHAM, Last Christmas

Am Ende findet das Lyrische Ich neuen Mut, diesen Weg weiterzugehen und sich nicht abbringen zu lassen, Menschen in Not zu helfen. Er nimmt sich fest vor, auch in Zukunft sein Herz an Herzlose weiterzugeben. Die Tragödie des jungen Organspenders soll ermutigen, gerade denen, die ihr Herz verloren oder fortgegeben haben, in den besinnlichen Tagen ein Herz zu schenken.

"Next year I'll give it to someone special."

WHAM, Last Christmas