Von Wegen Lisbeth im Interview "Indie-Pop ist erstmal ein furchtbares Genre"

Von Wegen Lisbeth stehen für durchdachte Texte und kleine Klangexperimente. Im Interview erklären sie, warum sie den Berlin-Hype nicht verstehen und Lena Meyer-Landrut der Höhepunkt ihrer Karriere war.

Von: Sophie Kernbichl

Stand: 24.02.2017 | Archiv

Von Wegen Lisbeth | Bild: BR/Steffi Rettinger

Seit Ende Januar sind Von Wegen Lisbeth auf Tour und fast alle ihre Konzerte sind ausverkauft. Kein Wunder, denn mit ihrem Debütalbum "Grande" und der Tour als Vorband von AnnenMayKantereit haben sie sich letztes Jahr eine beachtliche Fanbase erspielt. Und nach der Tour? Beginnt die Festivalsaison. Im Juni kommen sie auf das PULS Open Air auf Schloss Kaltenberg. Wir haben Sänger Matthias und Bassist Julian zum Interview getroffen.

PULS: Ihr steht ja jetzt schon über zehn Jahre auf der Bühne. Zu Beginn noch mit Punk, jetzt softer. Wie seid ihr zum Indie-Pop gekommen und bleibt es jetzt dabei?

Matthias: Ich finde, Indie-Pop ist erstmal ein furchtbares Genre. Wir haben das aus Versehen irgendwann mal bei MySpace angegeben, dass wir Indie-Pop machen. Ich würde sagen, wir machen einfach Popmusik. Und das wird sich sicher auch noch irgendwie verändern, aber es wird immer Pop bleiben. Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazu kam. Wahrscheinlich haben wir gemerkt, dass keine Leute zu unseren Konzerten kommen, wenn wir Punk gespielt haben. Und deswegen machen wir jetzt richtigen Sell-Out-Pop.

So richtig nach Sell-Out-Pop klingt ihr aber trotzdem nicht. Dafür ist euer Sound auch zu außergewöhnlich. Das liegt vor allem auch daran, dass ihr unkonventionelle Instrumente wie Kinderglockenspiel, Triangel oder Steeldrum einbringt. Woher kommen diese Ideen?

Julian: Ich glaube, dass wir trashige Sachen feiern, kommt noch aus der Zeit, als wir so Gameboy-Musik gemacht haben. Das heißt, man braucht nicht immer ein teures Stage-Piano, um einen geilen Sound zu haben, sondern eher die geliehene Steeldrum aus einer Oper in Berlin. Oder manchmal sieht man auch was auf einem Konzert und sucht dann danach im Internet. So war es zum Beispiel bei dem Omnichord.

Ihr habt auf Facebook geschrieben: "Alles, was wir mit Mukkemachen erreichen wollten, haben wir letzten Sommer erreicht." Was meint ihr damit?

Julian: Wir haben Lena gesehen! Wir haben auf demselben Festival gespielt wie Lena Meyer-Landrut. Das war der Zenit unserer Karriere.

Matthias: Das war auch übertrieben aufregend: Wir kamen mit unserem normalen Auto an und sie hatte drei Nightliner am Start. Und man kam überhaupt nicht an sie ran, die war total abgeschirmt – sogar backstage. Aber wir haben uns auch nicht so richtig getraut, muss man dazu sagen.

Nicht nur deswegen war 2016 schon ein extrem gutes Jahr für euch: Ihr habt euer Album "Grande" rausgebracht, wart mit AnnenMayKantereit auf Tour. Wie fühlt sich das an, wenn man plötzlich von der Vorband zum Main-Act wird?

Matthias: Das ist immer noch ziemlich weird. Dass überhaupt so viele Leute wegen uns zu Konzerten kommen, ist total krass. Und dass sie auch so viel mitsingen. Das sind wir einfach nicht gewohnt. Das hat letztes Jahr erst angefangen.

Habt ihr denn auch so ein bisschen Angst, dass euch der kommerzielle Erfolg überrollt? Ihr macht ja fast alles selbst. Besteht da die Gefahr, dass das irgendwann einfach zu viel wird und ihr das nicht mehr gebacken bekommt?

Matthias: Ja, auf jeden Fall. Aber ich glaube, wir würden relativ schnell merken, wenn wir an dem Punkt sind. Und dann würden wir uns da auch nichts vormachen. Wenn irgendwas so läuft, wie wir es überhaupt nicht wollen, dann würden wir es einfach gar nicht machen.

Julian: Wir machen schon so lange Musik und haben immer versucht, das nur unter uns aufzuteilen. Deshalb würden wir jetzt sicher nicht drauf klar kommen, eine Tour zu spielen, wo unsere komplette Bühne für uns aufgebaut wird. Also wenn du dann nur noch deine Gitarre nimmst und spielst – das ist irgendwie scheiße. Das Dabeisein und was dafür Tun ist für einen selber total wichtig.

Gerade seid ihr ja noch auf Tour und danach beginnt dann gleich die Festivalsaison. Wie unterscheidet sich ein Konzert von einem Festivalgig?

Matthias: Also erstmal ist beides irgendwie geil. Bei einem Konzert weißt du halt, dass die Leute nur wegen dir da sind – auch wenn es nur 30 sind. Und bei einem Festival ist viel Laufpublikum, das einfach mal hören will, was da gerade so spielt. Dafür aber auch mehr Leute. Und es ist nice, wenn man das Festival dann umsonst mitnehmen und da noch ein paar Tage chillen kann.

Julian: So haben wir Giant Rooks zum Beispiel entdeckt: Wir sind auf einem Festival einfach bisschen rumgelaufen, haben sie gehört und fanden sie megakrass. Und dann haben wir sie gefragt, ob sie Bock haben mit auf Tour zu kommen – und sie waren sofort mit dabei.