Interview // Joy Denalane "Ein Künstler muss das glauben, was er macht"

Ende der 90er wurde Joy Denalane zur "deutschen Soulqueen". 17 Jahre später ist die Berlinerin aber immer noch genauso authentisch wie damals. Ihr neues Album "Gleisdreieck" beweist, dass sie noch eine Menge zu erzählen hat.

Von: Andi Christl

Stand: 04.03.2017 | Archiv

Joy Denalane | Bild: Four Music

PULS: Gleisdreieck heißt dein neues Album. Sechs Jahre hast du dir Zeit gelassen dafür. Was macht man, wenn man sechs Jahre ein Album schreibt?

Joy Denalane: Ja, man kann die Zeit schnell hinter sich lassen und es nicht wirklich merken. Ich hab nach meinem letzten Album eigentlich relativ schnell überlegt, wie mein nächstes Album klingen könnte und hatte eine Idee. Ich bin dieser Idee nachgegangen und habe dafür Leute eingeladen. Wir sind in New York gewesen und haben in einigen Sessions Songs aufgenommen. So zwei Jahre nach meiner letzten Platte war ich dann eigentlich fertig mit meinem neuen Album und dann ging‘s darum, wann man es rausbringt und wie man das alles aufzieht. Ich hatte dann auch schon alle Gewerke am Tisch sitzen und habe die Lieder vorgespielt. In einer stillen Minute musste ich mich dann nochmal zurückziehen und habe dann festgestellt, dass all die Arbeit, die ich investiert habe, die Zeit, auch das Geld natürlich, dass das nicht ausreichend war für meinen Anspruch.

Da ist doch bestimmt ein Druck dahinter, dass du eigentlich jetzt abliefern musst? Zu sagen: "Nein ich bin mit dem Produkt so nicht zufrieden", ist doch sicher eine krasse Entscheidung.

Natürlich hat man immer einen gewissen Druck beziehungsweise den Druck macht man sich auch selber. Und es gibt auch eine gewisse Erwartungshaltung. Aber man muss natürlich als Künstler, wenn’s drauf ankommt, dann auch in der Lage sein zu sagen: Nein, das ist es nicht. Ab einem bestimmten Level ist es egal, wie andere das sehen. Du musst es für dich selbst und vor dir selbst vertreten können. Ich finde das Allerwichtigste für alle Künstler, egal in welchem Bereich, ist, dass der Künstler sich selber glauben kann. Er muss das glauben, was er macht. Und ich hab’s irgendwie nicht geglaubt und deswegen musste ich da die Reißleine ziehen. Ich glaube, das war auch die richtige Entscheidung.

Und wenn du sie dann rausbringst und zufrieden bist, gibt es ja trotzdem immer jemanden, der was daran auszusetzen hat. Kannst du dann besser damit umgehen oder denkst du trotzdem immer noch darüber nach, was du hättest anders machen können?

Man ist bestimmt viel anfälliger für negative Kritik, wenn man etwas rausbringt, was man selber nicht so richtig gut findet. Weil man unter der Kritik bestimmte Punkte findet, die einem auch selbst aufgefallen sind. Ich glaube, wenn man aber das macht, was man gut findet, dann ist Kritik immer noch nicht schön, aber sie gehört dazu. Ich gehe auch nie davon aus, dass jedem gefällt, was ich mache. Dazu ist die Welt ja viel zu vielfältig, als dass alle auf die gleiche Sache stehen.

Du hast in der U-Bahn in Berlin gespielt. Wie kam’s dazu?

Das war sehr spontan. Wir haben uns im Büro über die Platte und den Release unterhalten und generell über das Konzept Gleisdreieck und U-Bahn fahren und da kam diese Idee, dass man sich mal in die U-Bahn setzt und fährt. Ich fand das gut, weil es ist ja auch meine Kernkompetenz, wie man so schön sagt: Singen. Und dann spielt es auch keine Rolle, wo ich singe. Ob auf der Bühne, im Radio, unter der Dusche oder in der U-Bahn.

Aber es ist ja natürlich viel intimer in der U-Bahn, das Feedback ist viel näher an dir, viel direkter.

Ja das stimmt. Aber wenn man sich das Video anschaut, dann sieht man, dass da eigentlich gar nicht so viele Leute in der U-Bahn waren. Das war umso verrückter für mich später zu sehen, was das für eine Resonanz hatte, weil es sich unglaublich viele Leute angeguckt haben. Das hätte ich für nicht möglich gehalten. Diese ganzen neuen Medien mit dem Live-Streaming, das ist super spannend. Das war für mich ja auch eine Premiere. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass das so um sich greift, dass sich das so potenziert.

Bahnhöfe sind ja auch Orte des Umstiegs, Abschieds und des Aufbruchs. Du singst auch gerne über zerbrechende Beziehungen und Neuanfänge. Wie siehst du das, kann man nach einer zerbrochenen Beziehung mit dem Menschen noch befreundet sein?

Ich glaube, das ist was ganz Individuelles. Je nachdem, was vorgefallen ist, kann man besser oder schlechter wieder anschließen. Wenn man das Bedürfnis hat, sich wieder zu begegnen, dann ist das das vorherrschende Gefühl und dem folgt man dann. Und alles andere rückt in den Schatten, also die Zweifel. Und ich finde, wenn Beziehungen auseinander gehen und daraus Freundschaften entstehen, ist das doch schön. Daran ist gar nichts auszusetzen.