Vorgestellt // hnrk Dieser Würzburger Student produziert Beats für amerikanische Rapper

Würzburg ist eher für seinen Wein bekannt als für seine blühende Musikszene. Umso beeindruckender ist es, dass ein Student von dort Beats für amerikanische Künstler produziert und damit um die Welt reist. Wir haben Henrik a.k.a. hnrk getroffen.

Von: Jan Limpert

Stand: 08.10.2019 | Archiv

Der Würzburger Producer hnrk | Bild: hnrk

Henrik ist 26 Jahre alt und studiert Musikwissenschaft in Würzburg. Wenn man ihn auf der Straße trifft, würden wohl die wenigsten denken, dass er unter seinem Künstlernamen hnrk mit internationalen Musikern und Producern vernetzt ist und mit seinen Beats um die Welt tourt. Wir haben ihn in Würzburg getroffen, um mit ihm über seinen untypischen Studentenjob zu sprechen.

PULS: Henrik, du bist Producer für amerikanische Künstler wie Lil B, Bones oder Corbin – aber auch den deutschen Cloudrapper LGoony. Dazu bist du Teil des kalifornischen Künstlerkollektivs Team Seash und spielst Liveshows in London, Wien und L.A. Trotzdem studierst du noch Musikwissenschaft in Würzburg. Das klingt nach einem surrealen Leben...

hnrk: Ich bilde mir nichts darauf ein. Es ist einfach ein Hobby, das mittlerweile immer mehr zu meinem Beruf geworden ist – und das ziehe ich jetzt durch. Nebenbei Bildung zu haben, hilft mir nicht zu stagnieren. Wenn ich nur Musik mache, brenne ich relativ schnell aus und falle in ein Loch. Wenn ich einen Anreiz habe rauszugehen und mich fortzubilden, dann pendelt sich das ganz gut ein.

Wie schafft man es als Student in Würzburg, seine Beats in die Welt zu bringen?

Internet! (lacht) Ich bin in meinem Leben schon sehr oft umgezogen und habe dann versucht, über das Internet Kontakte zu suchen und auch Musik zu finden. Ich habe dadurch immer neue Künstler und Genres für mich entdeckt. 2011, als ich in die Würzburger Umgebung gezogen bin, habe ich Cloudrap-artige Sachen entdeckt. Das war zu der Zeit etwas komplett Neues für mich, wodurch ich letztendlich über soziale Plattformen wie Twitter mit anderen Leuten in Kontakt gekommen bin. Über Twitter habe ich dann vor allem Kontakte nach L.A. geknüpft – Lil B ist aus Berkeley, Kalifornien. Durch einen seiner Produzenten habe ich dann Leute aus Team Sesh kennengelernt. So hat es sich wie ein riesiges Spinnennetz ausgebreitet: die Freunde von Freunden kennengelernt, die aber teilweise in Schweden, London oder auch in China sitzen und Beats produzieren. 

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H N R K // Neonurban | Bild: WAVEVISION (via YouTube)

H N R K // Neonurban

Obwohl Würzburg nicht gerade für seine Musikszene bekannt ist, studierst du dort Musikwissenschaft. Das könntest du aber auch in Berlin tun, wo sich die internationale Musikszene tummelt. Was hält dich in der fränkischen Provinz?

Es klingt vielleicht etwas forsch, aber ich habe meine Ruhe hier. (lacht) Ich war auch schon öfter in Berlin wegen musikalischer Dinge. Da ist es aber so schnelllebig und die Leute dort sind es irgendwie auch. Das geht mir alles zu fix. Ich wohne ja nicht mal direkt in Würzburg, sondern in einem Vorort und da habe ich einen Ruhepol für mich gefunden. Es hat den Vorteil, dass ich keine externen Einflüsse habe. Heißt: Meine Musik ist immer das, was ich mir gerade aneigne. Und das hole ich mir durchs Internet oder eben durch Freunde, die außerhalb wohnen. Ich habe eine große Clique in Köln um LGoony herum. Das sind so mit meine besten Freunde.

Für LGoony produzierst du nicht nur Beats, sondern stehst auch mit ihm als sein Live-DJ auf der Bühne. Wie hast du ihn denn kennengelernt?

Mein Bruder ist sechs Jahre jünger als ich, hat bei uns im Wohnzimmer damals Videogames gespielt und währenddessen LGoony gehört. Ich fand es cool und habe ihn gefragt, wer das ist. Dann habe ich auf Twitter mal nach LGoony gesucht, habe gesehen, dass er mir folgt und bin ihm zurück gefolgt. Wir haben E-Mails getauscht und dann meinte er: "Mein Produzent DJ Heroin ist voll der Fan von dir, ihr solltet euch mal treffen." Ich bin dann nach Köln zur Gamescom gefahren und hab DJ Heroin vorgeschlagen, uns dort zu treffen. Zu der Zeit, also so 2014/2015 hatte ich aber kein Handy, trotzdem haben wir uns gefunden und erst mal stundenlang gequatscht.

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LGoony - Babylon prod. Dj Heroin & hnrk | Bild: LGoony (via YouTube)

LGoony - Babylon prod. Dj Heroin & hnrk

Wie bringst du Studentenleben, Liveshows und Produzentenjobs unter einen Hut?

Sobald ich eine Idee habe, setze ich mich an meinen Laptop oder iMac und produziere spontan. Uni steht dann eher auf Platz 2 – da bin ich leger, aber das gebe ich auch gerne offen zu. Bei Liveshows muss ich spontan sein, wenn ich Bookings bekomme. Ich bin komplett unabhängig und habe deshalb auch keinen Booker. Das heißt, dass die Leute meistens selbst auf mich zutreten – man kann mir Bookings per Mail schicken. Wenn es zeitlich passt, nehme ich so gut wie alles an – solange der Preis stimmt natürlich. Die Shows sind aber meistens am Wochenende, deshalb beißt es sich mit der Uni auch nicht allzu sehr.

Wie sieht denn eine Woche zwischen Hörsaal und Club in L.A. aus?

Das mit L.A. war in den Semesterferien – unter der Woche studiere ich tagsüber meistens und abends mache ich dann Musik. Manchmal mache ich aber auch bis spätnachts Musik und wache dann später auf, oder eben genau andersherum. Ich bin da relativ variabel. Die Wochenenden nutze ich dann meistens voll aus. Da habe ich Tage, an denen ich in meinem Zimmer sitze und nur zum Essen und Trinken rausgehe – auch wenn das jetzt spartanisch klingt.

Wie hast du das Produzieren gelernt?

Mein Dad hat mir auf einem alten iMac, der das Recording-Programm GarageBand hatte, gezeigt, dass ich damit Musik machen kann. Ich habe vorher eigentlich nie Musik gemacht, war im Schulfach auch relativ schlecht, weil es mich nicht so sehr interessiert hat – das lag aber am Stoff. Ich habe herumprobiert und weil ich viel HipHop gehört habe, hab ich überlegt, mich daran zu versuchen. Der springende Punkt kam, als ich umgezogen bin. Ich war ziemlich einsam, weil ich nicht viel Kontakt zu anderen Personen hatte und habe dann einfach mit dem Produzieren angefangen. Ich habe an einem Abend Lil B entdeckt und ihm Beats geschickt, die ich in GarageBand zusammengefrickelt habe.

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Lil B - Just Trust Us (prod. by HNRK) | Bild: HNRK (via YouTube)

Lil B - Just Trust Us (prod. by HNRK)

Wie bist du ins Team Sesh, dem Künstlerkollektiv des in L.A. lebenden Musikers und Rappers Bones gekommen?

Über einen Produzenten von Lil B, mit dem ich mich schnell angefreundet habe, weil der einen ähnlichen Sound gefahren ist, wie ich zu dieser Zeit. Er kommt aus derselben Ecke in Kalifornien wie Bones, dem ich mal ein paar Beats schicken sollte. Das habe ich gemacht und der erste Beat, den Bones sich gepickt hat, landete dann im Track "Graveyard God". Allerdings hat er nicht mich, sondern einen anderen Producer in den Credits angegeben, weshalb ich ihn darauf angeschrieben habe. Wir waren dann aber schnell cool miteinander und ich war dann auf jedem seiner Mixtapes vertreten. Gegen 2013 hat er mich dann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Mitglied bei Team Sesh zu werden.

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Bones - GraveyardGod | Bild: TeamSESH (via YouTube)

Bones - GraveyardGod

Was bedeutet "Künstlerkollektiv" in diesem Fall – wer ist da alles dabei?

Es bedeutet komplett freies Ausleben von allem, worauf du Bock hast: du kannst HipHop-Beats machen, Fotograf oder Videodirektor sein. Ich mache zum Beispiel alle meine Artworks selbst. Bones dreht seine Videos selbst – oder lässt sie mit einer VHS-Kamera von seinem Bruder oder einem Kumpel schießen und bearbeitet sie dann selbst. Im Vordergrund steht dieses DIY-Machertum. Wenn es Leute geil finden, gut. Wenn nicht, dann auch egal, mach einfach weiter. Mit dabei neben dem Gründer Bones sind Produzenten, die einen ähnlichen Sound fahren wie ich – Drew The Architect, Curtis Heron oder smitty the bg.

Wie sieht deine Arbeit dort aus?

Ich bin Produzent für Bones, schicke ihm regelmäßig Beats, auf die er rappt. Und ich mache Instrumentalmusik, die ich über Team Sesh oder independent rausbringe, wie Bandcamp, Soundcloud und mittlerweile auch über Streamingdienste. Zusätzlich habe ich letztes Jahr angefangen auf NTS Radioshows zu machen – das ist ein international relativ bekannter Radiosender. Für Team Sesh habe ich dort einen Deal eingefahren, das heißt, wir haben dort eine monatliche, zweistündige Radioshow, in der wir DJ-Mixes präsentieren.

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Bones - Calcium | Bild: TeamSESH (via YouTube)

Bones - Calcium

Du betonst gerne mal, dass du nicht gesignet bist, also keinen Plattenvertrag hast. Warum ist dir das so wichtig?

Ich weiß nicht, ob es mir wirklich so wichtig ist. Ich sehe einfach, dass es für mich gut funktioniert. Warum soll ich eine Art Kompromiss machen und einen zweiten, dritten Mann dabeihaben, der mir reinredet. In meiner jetzigen Lage bin ich komplett zufrieden. Hätte ich einen Plattenvertrag, wäre meine künstlerische Freiheit wahrscheinlich eingeschränkt. Ich weiß nicht, ob man mich wirklich als Künstler wahrnehmen würde – oder nur als Produzent, der Ware liefert. Mir ist es wichtig, dass ich meine eigene Musik habe neben der Tatsache, dass ich HipHop-Beats produziere.

Stichwort Ghostwriting: In den letzten Jahren kam ja schrittweise ans Licht, dass Produzenten auch mal für Artists arbeiten, ohne dass sie in den Credits angegeben werden. Würdest du das auch machen?

Tendenziell würde ich das machen, weil es mir die Möglichkeit geben könnte, mit Künstlern zusammenzuarbeiten, an die ich so nicht herankommen würde. Finanziell ist es auch verlockend, wenn man ghostwritet oder ghostproduced, weil man viel Ertrag machen kann. Das weiß ich von Freunden aus den USA, die dadurch schon mit ihren Lieblingskünstlern zusammenarbeiten konnten. Muss aber auch nicht sein.

Wieviel verdienst du als Producer?

Es ist sehr schwankend. Das kommt darauf an, wie viele Streams und Bookings du monatlich bekommst. Bei Team Sesh haben wir sehr großes Augenmerk auf Merch-Vertrieb. Wenn man als Künstler über unsere Plattform Merch herausbringt, dann macht man damit auch Geld. Es ist aber eine sehr unbeständige Einnahmequelle, weil man nicht jeden Monat ein neues Shirt herausbringen kann.

Du kommst als Producer aber schon besser klar als ein Student, der zwei, drei Nebenjobs hat?

Ja, aber nicht viel besser. Manchmal macht man gut Geld damit, manchmal nimmt man nichts damit ein – was sehr deprimierend sein kann. Es hat schon ziemlich lange gebraucht, bis ich gutes Geld mit meinen Streams herausschlagen konnte. Bei Soundcloud zum Beispiel gab es am Anfang kein Payment. Ich konnte einen Solotrack haben, der über hunderttausend Klicks hatte, habe aber kein Geld gesehen.

Wie sehen deine Pläne für die nächste Zeit aus?

Weiter Musik machen und hoffen, dass ich mich damit auf lange Zeit finanzieren kann. Ich will mich vor allem künstlerisch weiterentwickeln. Ich arbeite gerade an meinem ersten Soloalbum, mit Crack-Ignaz an seinem Album, dazu kommen Sachen mit LGoonys Lichtgang-Umfeld und als Team Sesh-Kollektiv machen wir gerade auch ein Album. Zudem muss ich noch eine EP fertig machen und eine Kollabo-EP mit DJ Heroin unter unserem Pseudonym SCHISM, die in IDM (Intelligent Dance Music, Anmerkung der Redaktion) und komplexere Musik umschlägt.

Sendung: PULS am 08.10.2019 – ab 19.00 Uhr