Das Leben von Bandfotograf*innen Die unsichtbaren Bandmitglieder

Ein paar Fotos machen, bisschen Sekt sippen und ganz nah dran sein an erfolgreichen Bands – für viele klingt der Job als Bandfotograf*in wie ein Traum. Dabei ist er viel komplexer und wichtiger, als wir denken.

Von: Nina Lenz

Stand: 08.08.2019

Backstage auf dem PULS Open Air 2019 | Bild: Fabian Stoffers

Chillen im Tourbus, Abgehen auf der Bühne und das Feierabend-Bierchen nach der Show - das alles sehen wir bei vielen Bands auf ihren Social Media-Kanälen und freuen uns, irgendwie auch beim großen Mysterium Tourleben dabei sein zu können. Die Fotos stammen natürlich nur im seltensten Fall von der Band selbst, dafür haben sie eigene Fotografen. Und auch wenn es sich furchtbar glamourös anhört, so nah an Musiker*innen dran zu sein und alles mitzubekommen: der Job als Bandfotograf*in ist stressig.

Als Erste*r wach und als Letzte*r ins Bett

Fotograf Nils Lucas

"Mein Alltag ist so ziemlich der gleiche, wie der der Band." sagt Nils Lucas. Er fotografiert unter anderem die Giant Rooks, Von Wegen Lisbeth und Faber. "Wenn wir zusammen auf Festivals fahren, dann geht es schon am Abend vorher los. Wir fahren nämlich mit dem Bus über Nacht zur Location. Oft haben die Bands schon morgens Soundcheck, das heißt, man steht so um 9 Uhr auf. Da fängt es dann schon an, dass ich das ganze Drumherum fotografiere, also Behind-The-Scenes-Kram und kleine Einblicke in den Tour-Alltag. Dann gibt’s den Soundcheck, Mittagessen und dann haben wir alle ein bisschen Freizeit, bis die Band Abends spielt. Ich versuch dann noch ein kleines Shooting mit reinzupacken, damit ich auch ein paar verschiedene Arten von Fotos habe am Ende. Das Konzert am Abend ist ein Hauptbestandteil von meiner Arbeit. Für die Crew und für die Band ist das dann das Ende des Tages, für mich aber eben nicht."

Übersetzt heißt das: Immer dabei sein, immer wach sein, wenn die Band es auch ist - und auch dann noch arbeiten, wenn die anderen es nicht tun. Einer der größten Bestandteile der Arbeit eines Fotografen oder einer Fotografin ist die Bildbearbeitung. An einem Tag werden manchmal um die 800 Fotos geschossen, aber nur um die 40 bis 60 Fotos kommen in die Endauswahl. Da kann es auch passieren, dass man am nächsten Morgen, wenn alle noch pennen, dasitzt und Bilder bearbeiten muss, erzählt Nils. Er hat Fotografie in Berlin studiert und über die dortige Musikszene Bands kennen gelernt, die er jetzt auf Tour begleitet.

Man muss das Vertrauen gewinnen – und es vor allem behalten

Um an den Punkt zu gelangen, dass man mit Bands abhängen und Fotos machen kann, braucht es vor allem eines: gegenseitiges Vertrauen. Und das muss erstmal aufgebaut werden. Denn für Bands und Musiker*innen ist die Außenwahrnehmung Teil ihres Jobs, eine Rolle, die sie spielen - aber eben auch Teil ihrer Privatsphäre. Das müssen Fotograf*innen verstehen und auch umsetzen. Der Stil eines Fotografen oder einer Fotografin festigt außerdem auch die Marke der Band und rückt sie in ein bestimmtes Licht. Praktisch gesehen machen die Bandfotograf*innen Marketing für die Bands. "Manche Bands wie Faber kenn ich schon wirklich lange, das sind Freunde von mir und da fällt es natürlich leichter sich zu vertrauen. Das ist schon sehr wichtig" sagt Nils Lucas.

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nils.lucas - Freitag, 19. Juli 2019, 06:31 Uhr
Faber at @gurtenfestival_official Danke Bern, danke @hoetschenmundsch #frantic

Faber at @gurtenfestival_official
Danke Bern, danke @hoetschenmundsch
#frantic | Bild: nils.lucas (via Instagram)

Jean Raclet fotografiert unter anderem die Parcels und AnnenMayKantereit auf Tour. Er ist vor ein paar Jahren aus Frankreich nach Deutschland gezogen, hat eine analoge Kamera geschenkt bekommen und einfach angefangen zu fotografieren. "Ich hab immer spaßhaft gesagt, dass ich mit den Arctic Monkeys auf Tour gehen wollte" erzählt Jean lachend. Auch wenn es sich in seiner Geschichte sehr simpel und zurückhaltend anhört - fotografisches Können braucht man in jedem Fall, um diese Art von Job machen zu können.

"Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit den Bandmitgliedern zu verbringen, ihnen aber gleichzeitig Luft zum Atmen zu geben und sie nicht zu nerven. Das ist ein schmaler Grat manchmal. Man darf einfach das Vertrauen, das sie einem geben, nicht brechen und muss sich erst Schritt für Schritt kennen lernen. Das braucht einfach Zeit. Aber so lernt man dann auch die Menschen in der Band kennen und passt sich an."

Jean Raclet, Fotograf

Fotograf Jean Raclet

Anpassen, das ist eine Fähigkeit, die Bandfotograf*innen bis zur Perfektion beherrschen müssen. Sie sind dafür da, zu dokumentieren. "Das ist mein Job und für mich ist das vollkommen okay", sagt Jean Raclet auf Englisch mit einem französischen Akzent. Seine Kamera hat er auf Tour vorsichtshalber immer dabei, um nichts zu verpassen. Sein Alltag als Fotograf sieht ähnlich aus, wie der von Nils. Aufstehen, bevor die Band wach ist, immer dabei sein, das Konzert fotografieren und am Ende Bilder bearbeiten. So aufregend die Umgebung und die Situation ist, so unspektakulär ist dann doch der Alltag.

"Ich achte ganz explizit drauf, dass die Band die Kontrolle darüber hat, welche Fotos veröffentlicht werden. Ich würde niemals einfach so etwas rausgeben, wovon ich weiß, dass sie es nicht gut finden. Die Band vertraut mir komplett und nimmt mich als Fotograf fast gar nicht mehr wahr – das werden dann die besten Fotos."

Jean Raclet, Fotograf

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jeanraclet - Montag, 01. April 2019, 16:12 Uhr
iPhone Seas, City Dogs & Rabies Fever. Or the day Matt Helders misplaced his drumstick on Teddy Picker. @lollapaloozacl @parcelsmusic

iPhone Seas, City Dogs & Rabies Fever.
Or the day Matt Helders misplaced his drumstick on Teddy Picker.
@lollapaloozacl @parcelsmusic | Bild: jeanraclet (via Instagram)

Ja, das ist ein richtiger Job

Band-Fotograf*in ist ein Fulltime-Job, besonders im Sommer. Viele Bands spielen dann an fast jedem Wochenende ein Festival, was natürlich mit der Kamera festgehalten werden muss. Fotograf*innen sind genauso Teil der Crew, wie es der Lichtmenschen oder Tontechniker*in ist, und werden dementsprechend bezahlt. Nils Lucas kann davon leben, er fotografiert mehrere Bands und ist somit so gut wie immer unterwegs. Dafür hat er aber auch mal 10 Tage am Stück frei - das sind aber auch 10 Tage am Stück, an denen er kein Geld verdient, denn Fotograf*innen sind fast immer selbstständig und damit nicht abgesichert.

Natürlich würde man mit Mode- oder Werbefotografie mehr Stabilität haben und besseres Geld verdienen - aber für Nils wäre das nichts. "Ich glaub, ich würde da dran zu Grunde gehen. Das ist einfach null meine Leidenschaft. Eine Band zu fotografieren ist einfach eine andere Art von Fotografie, die mir sehr viel Spaß macht und da hab ich einfach Lust drauf."

Die besten Bilder gibt es vor dem Konzert

Es gibt eine bestimmte Zeit am Tag, an der die besten Fotos entstehen - da sind sich Jean und Nils einig. Überraschenderweise ist diese Zeit nicht nach dem Konzert, sondern davor: "So ungefähr eine Stunde bevor die Band auf die Bühne geht, da kommen die besten Fotos raus. Da gibt es die ehrlichsten Momente und damit auch die besten Bilder" sagt Nils. "Die Musiker werden dann aufgeregt oder manchmal auch gestresst und dann nehmen die mich im Raum noch viel weniger wahr" fügt Jean noch hinzu.

Auch wenn es eine der wichtigsten Fähigkeiten von Band-Fotograf*innen ist, nicht gesehen und wahrgenommen zu werden, hätten sie manchmal ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient – immerhin prägen sie das Image einer Band und tragen damit auch Verantwortung. Das sollte man nicht vergessen, wenn man sich das nächste Mal denkt: Was ein entspannter Job.

 Sendung: PULS am 12.08.2019 - ab 14.00 Uhr