Meinung zur Europawahl Nach dieser EU-Wahl kommt keiner mehr am Klimaschutz vorbei

Endlich: Umweltschutz ist aktuell das wichtigste politische Thema überhaupt. Das hat sich jetzt auch bei den Europawahlen gezeigt. Unser Autor findet, dass gerade die regierenden Parteien daraus für die Zukunft lernen sollten.

Von: Robin Köhler

Stand: 27.05.2019 | Archiv

Ein Gruppe junger Menschen tragen ein Banner auf einer Klimademonstration in Bayern vor sich her. | Bild: DPA

Europa hat gewählt und es könnte einen großen Gewinner geben: das Klima. Mit Greta Thunberg und den "Fridays for Future"-Demos hatte sich das Thema in den vergangenen Monaten immer mehr in Vordergrund gedrängt. Und zumindest in Deutschland scheint es sich auch auf die Wahlen ausgewirkt zu haben: Laut Infratest Dimap spielte für fast die Hälfte der deutschen Wähler*innen Klima- und Umweltschutz die größte Rolle bei der Wahlentscheidung.

Da überrascht es wenig, dass vor allem die Grünen Stimmen dazu gewinnen konnten. Allein unter den Erstwähler*innen machte mehr als jede dritte Person das Kreuzchen bei der Partei, die sich schon seit Jahrzehnten für Klimaschutz stark macht. Besonders von jungen Menschen kann man das also als klares Statement an die Parteien der Großen Koalition verstehen: Nehmt den Klimawandel endlich ernst!

Wahlthema verfehlt, alles verfehlt

Obwohl es seit Monaten Demonstrationen gab, hatten weder die Union aus CDU und CSU, noch die SPD den Klimawandel zum Hauptthema ihres Wahlkampfes gemacht. Jetzt gab’s also die Quittung dafür. Trotzdem wirkte CDU-Vize Armin Laschet in der Talkshow "Anne Will" gestern völlig überrascht: "Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden und damit hat es die letzten Wochen dieses Wahlkampfes bestimmt." Es zeigte einmal mehr, wie wenig die regierenden Parteien die junge Generation versteht, die ihnen da gegenübersteht. Eine Generation, der ungenaue Fristen und Lippenbekenntnisse scheinbar nicht mehr reichen, wenn es um die Zukunft ihres Planeten geht.

Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel würde das Thema auch in Zukunft lieber anderen überlassen: "Ich glaube nicht, dass wir im Wettbewerb mit den Grünen um den Klimaschutz gewinnen können." Das mag aus parteipolitischer Sicht vielleicht Sinn ergeben, als Zeichen an die Wähler ist es aber der nächste Fail. Denn während die SPD Klimaschutz scheinbar weiter nur als eine politische Möglichkeit zur Partei-Profilierung sieht, ist es für viele junge Wähler*innen weitaus mehr.

Das zeigt auch das Statement der 90+ Youtuber, das im Nachklang an das Rezo-Video zur "Zerstörung der CDU" erschien: "Die potentielle Zerstörung unseres Planeten hat offensichtlich die größte Priorität und jedes andere Thema muss sich hinten anstellen", heißt es da. Makes sense.

Der Tiefpunkt als Chance

Die Regierungsparteien hat das gestrige Wahlergebnis einmal mehr kalt erwischt. Aber es birgt auch eine Chance: Sowohl SPD als auch die Union wissen, dass sie das Thema Klima in Zukunft ernsthaft anpacken müssen, wenn sie es sich nicht mit einer ganzen Wählergeneration verscherzen wollen.

Schon jetzt wären die Grünen Stimmen-Champion, wenn es nur nach jungen Wähler*innen gegangen wäre. Um es mal krass auszudrücken: Während Union und SPD ihre Wähler*innen langsam wegsterben, scheinen die Grünen gerade erst loszulegen. Allein deshalb werden Christ- und Sozialdemokraten versuchen, hier eine Schippe draufzupacken.

Das ist auch für die Klimapolitik in Europa eine gute Nachricht. Denn obwohl sich Deutschland bisher als großer Klimaretter inszenierte, sah die Realität anders aus. Erst im März fiel die Bundesregierung laut vertraulichen Dokumenten dadurch auf, in der EU beim Klimaschutz eher auf die Seiten der Bremser wie Polen, Ungarn und die Tschechische Republik zu rutschen. Wenige Wochen später gab‘s vom Noch-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dann auch noch die Note "ungenügend" für die deutsche Klimapolitik. Die regierenden Parteien sollten sich jetzt gut überlegen, ob sie diesen Weg weitergehen wollen.

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Sendung: PULS am 27.05.2019 - ab 15 Uhr