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Die Story im Ersten Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt werden im Internet massenweise Kinderfotos geklaut und für sexuelle Zwecke missbraucht. Unbedacht gepostete Alltagsbilder landen in Foto-Blogs von Pädophilen und werden dort mit perversen Kommentaren versehen. In Chats beliebter Online-Spiele bahnen Erwachsene sexuelle Kontakte mit Zehnjährigen an. Die Doku "Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht" am 17. Dezember, um 23.30 Uhr im Ersten zeigt: Kinder und Jugendliche sind im Internet immer öfter Opfer sexualisierter Gewalt, ohne dass Politik und Industrie etwas dagegen unternehmen.

Stand: 05.12.2018

Screenshot einer Bildgalerie. Die Aufnahmen sind nicht zu erkennen, lediglich der Verweis, dass sie aus sozialen Netzwerken entwendet wurden.  | Bild: Felix Korfmann / SPIEGEL TV GmbH

Autor Sebastian Bellmann durchleuchtet in seiner Dokumentation das perfide System des Foto-Diebstahls und liefert in seiner 45-minütigen Bestandsaufnahme einen ernüchternden Befund. "Kinder- und Jugendschutz findet derzeit im Internet nicht statt", hält der Missbrauchsbeauftrage der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, in dem Film fest. Gesetzliche Regelungen, die für mehr Schutz sorgen könnten, stammten aus dem Jahr 2003 und seien "der tatsächlichen Entwicklung Jahrzehnte hinterher".

Es scheint, als habe der große Aufschrei über massive Missbrauchsfälle an Canisius-Kolleg, Odenwaldschule und anderen Einrichtungen nichts bewirkt. Aktuell entsteht in der digitalen Welt die nächste Generation Betroffener. Nach einer Studie der Universität Regensburg geben rund 730.000 Erwachsene zu, Onlinekontakte mit sexuellem Motiv zu Kindern unter 14 Jahren zu haben. "Rechnet man konservativ mit zwei bis fünf Kontakten pro Täter, reden wir über weit mehr als drei Millionen betroffene Kinder und Jugendliche", sagt die Psychologin Julia von Weiler vom Verein "Innocence in Danger".

Die Dokumentation macht deutlich, dass insbesondere Eltern genauer hinschauen und verstehen müssen, wo ihre Kinder im Internet unterwegs sind und wer ihnen dort begegnen kann. Doch oft fehlt Eltern die Medienkompetenz. Eine fatale Entwicklung, wie mehrere Experten warnen. Stattdessen posten viele Eltern selbst Fotos ihrer Kinder in sozialen Medien und bieten pädosexuellen Tätern so ungewollt gratis Nachschub.

Industrie und Politik sehen weg

Ein Beispiel für das Wegsehen von Industrie und Politik ist das Zustandekommen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Es wurde in der vergangenen Legislaturperiode auf den Weg gebracht, um Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter zu einem aktiveren Vorgehen gegen hetzerische Aussagen zu bringen. Nach dem Entwurf dieses Gesetzes sollten auch Anbieter vieler Online-Spiele dazugehören. "Das hätte dazu führen können, dass in den Chats geschulte Moderatoren eingesetzt werden, die auch stärker gegen sexuelle Anmache hätten vorgehen müssen", sagt der renommierte Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger.

Die Dokumentation zeigt indes, wie die Lobby der Onlinespiele-Betreiber Druck gemacht hat, so dass diese von dem Gesetz ausgenommen worden sind. "Cybergrooming" (also die Anbahnung sexuell motivierter Online-Kontakte von Erwachsenen mit Kindern) spiele im Gaming nicht so eine starke Rolle, so Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbandes. Dem widersprechen zahlreiche Experten wie der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig: "Es ist ein Riesenproblem, und es ist ein völlig unterschätztes Problem."

Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD hat im Koalitionsvertrag zwar angekündigt, pädokriminelle Täter, die im Netz aktiv sind, konsequent zu verfolgen. Doch getan wird dafür bislang so gut wie nichts, so das Fazit des Films. Verantwortliche Ministerinnen wie Katharina Barley (Justiz) und Dorothee Bär (Digitalisierung) wollten sich in der Dokumentation nicht äußern.


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