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Antisemitische Hassbotschaften   Facebook, Twitter und YouTube verletzen Löschpflichten

Betreiber Sozialer Plattformen haben zahlreiche Hassnachrichten nicht innerhalb der vorgesehenen Frist gelöscht. Das belegen Recherchen des ARD-Politmagazins report München und der Wochenzeitung DIE ZEIT.

Stand: 02.11.2022

ARCHIV - 08.11.2021, Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Ein Davidstern hängt an der Wand im Gebetsraum der Neuen Synagoge. Eine Dunkelfeld-Studie soll die Verbreitung antisemitischer Vorurteile und gefühlsbedingter Vorbehalte in der nordrhein-westfälischen Gesellschaft erhellen (zu dpa: «Nordrhein-Westfalen startet Dunkelfeld-Studie zu Antisemitismus»). Foto: David Inderlied/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/David Inderlied

Bitte beachten Sie:

Zur Veröffentlichung frei nur bei vollständiger Quellenangabe: "report München und DIE ZEIT".

Die Betreiber Sozialer Plattformen hatten sich im Mai 2016 innerhalb der EU dazu verpflichtet, illegale Inhalte innerhalb von 24 Stunden mehrheitlich aus dem Netz zu entfernen, wenn Nutzer diese bei ihnen melden. Bei einer gemeinsamen Stichprobe durch Abgeordnete des EU-Parlaments und einen Abgeordneten des kanadischen Parlaments haben Facebook, Twitter und YouTube nun diese Verpflichtung aber weitgehend nicht erfüllt.  

Neun Abgeordnete des EU-Parlaments und ein Abgeordneter des kanadischen Parlaments hatten am 25.10.2022 insgesamt 125 antisemitische Inhalte auf den von den Plattformen Facebook, Twitter und YouTube dafür vorgesehenen Wegen gemeldet. Die Posts, Tweets und Videos hatte ihnen zuvor die Nichtregierungsorganisation "The Online Hate Task Force" zur Verfügung gestellt. Die Posts waren zu diesem Zeitpunkt frei verfügbar auf den Plattformen zu sehen. 24 Stunden nach der Meldung durch die Abgeordneten waren noch 122 online, folglich nur drei gelöscht. Von 50 antisemitischen Inhalten auf Facebook, 41 auf Twitter und 34 auf YouTube löschte jede der Plattformen je einen. Das ARD-Politikmagazin report München und DIE ZEIT haben den Versuch der Europaparlamentarier vor Ort begleitet. 

Löschung innerhalb von 24 Stunden nicht eingehalten

Entsprechend des "EU Code of Conduct on Countering illegal Hate Speech", den die Plattformen Facebook, Twitter und YouTube mit der EU eingegangen sind, müssten ordnungsgemäß gemeldete illegale Inhalte mehrheitlich nach 24 Stunden gelöscht werden. Dies war nach einer Auswertung der Nichtregierungsorganisation "The Online Hate Task Force" und der Überprüfung durch die Parlamentarier nicht der Fall.  

Nicola Beer: "Katastrophales Ergebnis"

Die deutsche Vizepräsidentin des Europaparlaments, Nicola Beer von der Fraktion Renew Europe, die am Versuch teilgenommen hat, hält das Ergebnis für erschreckend: "Es ist ein katastrophales Ergebnis: Nur drei von 125 gemeldeten Beiträgen wurden gelöscht. Das heißt, wir sind nicht mal bei drei Prozent. Das zeigt, hier muss ganz dringend gehandelt werden." Sie wolle das Ergebnis mit den Plattformen diskutieren. "Die Regeln, die bei uns auf der Straße, in der Offline-Welt, gelten, werden auch im Internet durchgesetzt," so EU-Parlamentsvizepräsidentin Beer im Interview mit dem ARD-Politikmagazin report München und DIE ZEIT.  

David Lega will Plattformen kontaktieren

Auch der schwedische Europaabgeordnete David Lega von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) zeigte sich davon alarmiert, dass nach Ablauf des Versuchs über 97 Prozent der Inhalte noch online waren: "Das sind antisemitische Texte, Lügen und Bilder, die Juden in einer absolut schrecklichen Weise verunglimpfen." Er wolle die Plattformen kontaktieren, damit schnelle Löschvorgänge gemeinsam besprochen werden könnten. 

Dietmar Köster: "Klare Fälle von Antisemitismus identifiziert"

Der Europaabgeordnete Dietmar Köster von der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament, der ebenfalls an dem Versuch teilnahm, hält das Ergebnis für sehr bedenklich: "Wir haben fünf klare, eindeutige Fälle von Antisemitismus identifiziert. Diese Fälle haben wir Facebook gemeldet. Es gibt keine Reaktion darauf. Diese antisemitischen Äußerungen sind nicht gelöscht worden – damit verstoßen diese Plattformen, Facebook vor allen Dingen, gegen ihre eigenen Grundsätze, aber auch vor allen Dingen gegen die gesetzlichen Verpflichtungen." Die Äußerungen stellten eine Bedrohung für Jüdinnen und Juden dar. Die Plattformen würden ihrer Verantwortung nicht gerecht: "Das können wir nicht akzeptieren", so Dietmar Köster weiter. 

Meta-Sprecherin. "Haben noch Arbeit vor uns"

Eine Sprecherin des Facebook-Mutterkonzerns Meta verweist auf Anfrage von report München und DIE ZEIT auf eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2021, in deren Rahmen 81 Prozent der gemeldeten Inhalte bewertet und mehr als 60 Prozent gelöscht worden seien. Die Sprecherin erklärt außerdem: "Hassrede ist inakzeptabel und wir investieren umfangreich in Teams und Technologien, um solche Inhalte zu erkennen und zu entfernen, bevor sie von Menschen gesehen werden. Wir wissen, dass wir hierbei noch Arbeit vor uns haben." Zu den konkreten antisemitischen Posts, die im Rahmen des Versuchs nicht innerhalb der Frist gelöscht wurden, äußerte sich die Sprecherin nicht.

Keine Reaktion von Twitter und Youtube

Nach der Anfrage wurden einige weitere dieser Posts gelöscht. Von Twitter und YouTube bzw. Google erhielten die Reporter gar keine Antworten auf ihre Anfrage. 

Bitte beachten Sie:

Zur Veröffentlichung frei nur bei vollständiger Quellenangabe: "report München und DIE ZEIT".


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