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Sonderprogramm zum Jahrestag Vor 60 Jahren begann der Eichmann-Prozess

Er gilt als Organisator des Holocaust: Adolf Eichmann. Im Mai 1960 entführte ihn der israelische Geheimdienst Mossad aus Argentinien. Am 11. April 1961, vor 60 Jahren, begann in Jerusalem der Prozess gegen den früheren SS-Sturmbannführer, der weltweit Aufsehen erregte. Der BR gibt mit Zeitdokumenten, Filmen, Zeitzeugenberichten und Expertengesprächen Einblick in das Prozessgeschehen und analysiert dessen Hintergründe und Auswirkungen bis in die Gegenwart – am 6. April im Ersten, am 7. April im BR Fernsehen und vom 9. bis 11. April im Rahmen eines dreitägigen Programmschwerpunkts in ARD-alpha.

Stand: 23.03.2021

Adolf Eichmann im Glaskasten mit drei Polizisten, Verteidiger Dr. Robert Servatius und sein Assistent (links). | Bild: BR

Die Sendungen des Sonderprogramms sind nach der Ausstrahlung auch in der BR Mediathek verfügbar.

1961 schaute die Welt acht Monate lang nach Jerusalem: Radio und Fernsehen übertrugen das Verfahren gegen Adolf Eichmann in alle Erdteile. Der Chefankläger Gideon Hausner ließ darin das Leben der Juden in Europa am Vorabend des NS-Regimes bis zur schrittweisen Ausgrenzung und gezielten Vernichtung darlegen, um die Dimension der Verbrechen des ehemaligen SS-Obersturmbannführers deutlich zu machen. Als Zeugen vor Gericht kamen dabei erstmals Holocaust-Überlebende zu Wort und schilderten vor der Weltöffentlichkeit die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Die meisten hatten bis dahin über ihre Vergangenheit geschwiegen. Deshalb trafen ihre Berichte über Mord, Folter und Totschlag die Prozessbeobachter völlig unvorbereitet.

Nur die wenigsten von Eichmanns Komplizen wurden allerdings je vor Gericht gestellt. Das zeigt am Dienstag, 6. April um 21.45 Uhr die Sendung "Report München extra: Eichmann und sein geheimer Komplize" im Ersten über den  mysteriösen Fall eines SS-Generals, der für den Tod von zehntausenden Menschen verantwortlich war und beste Beziehungen zu den wichtigsten Führern des NS-Regimes unterhielt. Er legte sich nach Kriegsende nicht einmal einen neuen Namen zu, sondern wohnte bis zu seinem Tod mit seiner Familie in seiner Heimatstadt – so, als wäre nichts gewesen. Wer schützte diesen Schreibtischtäter? Wie entkam er der Gerechtigkeit?  Die Sendung enthüllt die ganze, unfassbare Geschichte dieses Schattenmannes.

"Kontrovers – Die Story" am Mittwoch, 7. April um 21.15 Uhr im BR Fernsehen greift das Thema auf: "Flucht über die Rattenlinie - Die Jagd auf Kriegsverbrecher aus Bayern".

Was war die besondere Bedeutung dieses Verfahrens? Welche Auswirkungen hatte es auf den jungen Staat Israel und die Bundesrepublik Deutschland? Und wie veränderte die Offenlegung der NS-Verbrechen das Verhältnis zwischen beiden Staaten? Das zeigt die Dokumentation "Die Katastrophe vor Gericht – Der Eichmann-Prozess vor 60 Jahren" am Mittwoch, 7. April um 22.45 Uhr im BR Fernsehen und am Freitag, 9. April um 20.15 Uhr in ARD-alpha. In dem Film kommen die Zeitzeugen Gabriel Bach und Michael Goldmann-Gilead zu Wort, die den Prozess und den Menschen Adolf Eichmann aus nächster Nähe erlebt hatten. Bach war der stellvertretende Ankläger gegen Eichmann und so unmittelbar am Prozessgeschehen beteiligt. Goldmann-Gilead war der persönliche Referent des Chefanklägers Gideon Hausner und einer der Polizeioffiziere, die Eichmann von seiner Gefangennahme bis zur Hinrichtung begleiteten. Die Historiker Mirjam Zadoff, Tom Segev und Michael Wolffsohn analysieren die Folgen des Prozesses und sein Nachwirken bis heute.

Margarethe von Trottas mehrfach preisgekrönter Spielfilm "Hannah Arendt" am Mittwoch, 7. April um 0.00 Uhr im BR Fernsehen porträtiert die Publizistin, die im Auftrag des renommierten US-amerikanischen Magazins "The New Yorker" 1961 nach Jerusalem reiste, um über das Verfahren gegen Adolf Eichmann zu berichten, und mit ihrer These von der "Banalität des Bösen" die Welt schockierte. 

Besonders intensiv setzt sich ARD-alpha mit diesem geschichtlichen Ereignis auseinander.
Einen unmittelbaren Einblick in das Prozessgeschehen, aber auch in die Gesellschaft Israels und des geteilten Deutschland in den 60er-Jahren gewährt die dreiteilige Doku-Reihe "Vor 60 Jahren: Eine Epoche vor Gericht" vom Freitag, 9. bis Sonntag, 11. April im Abendprogramm von ARD-alpha. Mit einer Sendelänge von acht stunden zeigt das einzigartige Zeitdokument Berichte der Korrespondenten Joachim Besser und Peter Schier-Gribowsky, die 1961 für die ARD zweimal wöchentlich die wichtigsten Ereignisse des Verfahrens zusammenfassten. Sie veranschaulichen die Bedeutung des Eichmann-Prozesses für die Aufarbeitung der NS-Verbrechen und die Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen.

In einer dichten Verschränkung von historischem Bildmaterial, Berichten von Betroffenen und Zeitzeugen sowie dokumentarischen Spielszenen erzählt das Doku-Drama "Eichmanns Ende" am Samstag, 10. April um 20.15 Uhr in ARD-alpha die spektakuläre Geschichte von der Entdeckung und Ergreifung des Organisators der Massendeportationen europäischer Juden, hochkarätig besetzt mit Herbert Knaup als Adolf Eichmann, Ulrich Tukur als SS-Mann und Eichmann-Interviewer Willem Sassen sowie Axel Milberg als hessischer Generalstaatsanwalt Fritz Bauer.

Im "alpha-thema Gespräch: Der Eichmann-Prozess" am Sonntag, 11. April um 20.15 Uhr in ARD-alpha diskutiert Moderator Andreas Bönte mit der Historikerin Annette Weinke und dem Historiker und Publizisten Michael Wolffsohn über die Frage nach Legalität und Legitimität des Verfahrens, seine Wirkung und seine Protagonisten. Im Anschluss daran gewährt die Dokumentation "Büro 06 – Die Architekten des Eichmann-Prozesses" um 21.00 Uhr Einblick in die Arbeit des israelischen Polizei-Büros 06. Die Mitarbeiter dieser eigens für die Prozessvorbereitung gebildeten Spezialeinheit – darunter der aus Berlin stammende Polizeihauptmann Avner Less, der Eichmann verhörte – bereiteten die Anklage für dieses Strafverfahren vor. Um 0.00 Uhr und um 0.45 Uhr erinnern sich der damals stellvertretende Staatsanwalt Gabriel Bach und der ehemalige Polizeioffizier Michael Goldmann-Gilead in zwei Dokumentationen aus der Reihe "Zeuge der Zeit/Zeugin der Zeit" an den Jahrhundertprozess.  

Am folgenden Wochenende zeichnet der vielfach prämierte Spielfilm "Der Staat gegen Fritz Bauer" am Samstag, 17. April um 20.15 Uhr in ARD-alpha ein fesselndes Porträt des hessischen Generalstaatsanwalts, der im Deutschland der Nachkriegszeit gegen flüchtige NS-Verbrecher ermittelte und den entscheidenden Anstoß zur Ergreifung Adolf Eichmanns gab. Am Sonntag, 18. April um 20.15 Uhr zeigt ARD-alpha noch einmal den Spielfilm "Hannah Arendt".

"Der Prozess gegen Adolf Eichmann vor 60 Jahren ist in vielerlei Hinsicht ein Meilenstein in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen des NS-Regimes. 16 Jahre nach dem Ende des Holocaust hat er den Opfern wieder Name, Gesicht und Stimme gegeben und hat überlebende Zeitzeugen ermutigt, ihre Erinnerungen in den Jahrzehnten danach öffentlich mit der Welt zu teilen. Der Prozess hat die Mechanismen der Diktatur und des millionenfachen Völkermordes sichtbar gemacht und erstmals eine breite öffentliche Diskussion über die NS-Verbrechen und die Mitverantwortung der vielen Mittäter und Handlanger angestoßen. Diese Diskussion gilt es weiterzuführen, damit die Erinnerung nicht verblasst – insbesondere in einer Zeit, in der die Demokratie vielerorts in Gefahr ist. Mit unserem Programmschwerpunkt zum Eichmann-Prozess wollen wir dazu beitragen."

Andreas Bönte, stellvertretender Programmdirektor Kultur des BR


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