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Bayerischer Rundfunk Bayerischer Kabarettpreis: Die Preisträger 2022

Auch 2022 verleiht der Bayerische Rundfunk gemeinsam mit dem Münchner Lustspielhaus den "Bayerischen Kabarettpreis" in vier Kategorien. Die Preise gehen in diesem Jahr an Sissi Perlinger (Ehrenpreis), Carolin Kebekus (Hauptpreis), Miss Allie (Musikpreis) sowie Nektarios Vlachopoulos (Senkrechtstarter-Preis). Die Preisverleihung findet am Montag, 24. Oktober, im Münchner Lustspielhaus statt und wird am Donnerstag, 27. Oktober, im BR Fernsehen ausgestrahlt. Kabarettist Martin Frank führt als Gastgeber durch den Abend. Für den musikalischen Rahmen sorgt die bayerische Folkrockband Django 3000.

Stand: 19.10.2022

Nektarios Vlachopoulos, Sissi Perlinger, Carolin Kebekus, Miss Allie | Bild: Marvin Ruppert, Steffen Jänicke, Moritz Kuenster, Philipp Eisermann; Montage: BR

"Kabarettistinnen und Kabarettisten lassen uns lachen, den Atem stocken, manchmal den Kopf schütteln. Sie fordern uns heraus, stellen uns Fragen, die wir selbst zu gern verdrängen – in sorglosen wie in schwierigeren Zeiten, wie wir sie gerade erleben. Den diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträgern des Bayerischen Kabarettpreises gelingt all das mit ihrer Kunst in höchstem Maße! Herzlichen Glückwunsch an Sissi Perlinger, Carolin Kebekus, Miss Allie und Nektarios Vlachopoulos. Sie sind der Beweis, wie sehr es sich lohnt, Kunst und Kultur immer auch dort zu erleben, wo sie zuhause sind, in lokalen Kultureinrichtungen, Theatern und auf Bühnen."

Björn Wilhelm, BR-Programmdirektor Kultur

Senkrechtstarter-Preis: Nektarios Vlachopoulos

Sprachspieler, Rhythmuskünstler, Geschwindigkeitsjongleur – Nektarios Vlachopoulos, der sich selbst am liebsten "Humorist" nennt, nutzt all diese Rollen, um Atemberaubendes auf die Bühne zu stellen. Im Wortsinne! Denn legt der 35-Jährige erst mal los, kann ihn nichts mehr bremsen, und die Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen staunend, wie er durch seine Texte und Programme wirbelt. Dabei kann man die Geschwindigkeit seiner Performance schon als Gleichnis zum Weltgeschehen sehen. Ständig verändern sich Gewissheiten. Was als zartes Sonett im Stile Goethes beginnt, endet in derben Reimen eines Kiez-Rappers. Immer wieder gilt es umzudenken. Meint man, gleich einen müden Witz zu hören – Stichwort: Treffen sich ein Deutscher und ein Amerikaner – erlebt man dank eines Parforceritts durch stereotype Vorurteile über Nationalitäten ein Pamphlet für die Gleichheit aller Menschen.

Seine Sprachmelodie und der Startpunkt seiner Texte im Alltäglichen machen klar, dass Nektarios Vlachopoulos in der Poetry-Slam-Szene seine Wurzeln hat. Mehrfach wurde er Landes- und sogar Bundessieger bei verschiedenen Meisterschaften. Doch zum Glück für das Publikum verdichtete er seine zahlreichen Bühnenerfahrungen zu einem Soloprogramm und tourte mit "Niemand weiß, wie man mich schreibt" ab 2016 erfolgreich durch Deutschland, gefolgt von seinem zweiten, aktuellen Programm "Ein ganz klares Jein!" Der studierte Germanist und ehemalige Deutschlehrer aus dem schwäbisch-badischen Grenzstädtchen Bretten mit griechischem Integrationshintergrund – so seine Selbstbeschreibung – beweist, dass er ein kluger, witziger und stets überraschender Artikulations-Akrobat ist. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür aber mit spitzer Zunge, liefert er erstaunliche und scharfsinnige Erkenntnisse über die Welt und die Spezies Mensch. Nektarios Vlachopoulos nimmt seine Themen ernst und generiert dadurch einen Humor, der seine Ziele immer findet: Zwerchfell, Herz und Hirn des Publikums.

Statement: "Ich bin verwirrt. Muss ich meine ganzen Bayern-Witze aus der Vergangenheit jetzt bereuen oder bekomme ich den Preis gerade deswegen? Auf jeden Fall freue ich mich riesig! Danke Bayern! Für mich ab jetzt wohl auch ‘dös oabsolute Paradies‘."

Laudator: Simon Pearce
Als Sohn der bayerischen Volksschauspielerin Christiane Blumhoff wurde Simon Pearce der Drang zu den darstellenden Künsten schon in die Wiege gelegt. Er folgte diesem Drang früh und steht schon seit Kindheitstagen regelmäßig vor Fernsehkameras und auf Bühnen. Neben Rollen in TV-Serien wie "Sturm der Liebe" oder "Rosenheim Cops" begeistert er seine Fans seit 2012 auch als Comedian mit seinen Soloprogrammen "Allein unter Schwarzen" und "Pea(r)ce on Earth". Ebenso ist der 41-jährige Münchner in zahlreichen Formaten wie "schlachthof" oder "Vereinsheim Schwabing" im BR Fernsehen ein gern gesehener Gast.

Musikpreis: Miss Allie

Diese Frau sollte niemand unterschätzen. Ihr breites Lachen, ihre strahlenden Augen, ihre blonde Haarpracht – all das wären zu anderen Zeiten die wichtigsten Ingredienzien für eine Karriere als Popsternchen. Doch Miss Allie definiert sich am allerwenigsten darüber, wie sie aussieht, sondern zum allergrößten Teil darüber, was sie kann. Und das ist viel. Ihr beträchtlicher Stimmumfang beginnt poetisch-zart und elfengleich und schwingt sich dann auf zur Stimmgewalt einer Powerfrau. "Die kleine Singer-Songwriterin mit Herz" – so ihre eigene Bezeichnung – schreibt und performt Lieder in bester Liedermacherinnentradition, und dennoch kann man sie guten Gewissens als Comedienne oder Kabarettistin bezeichnen. Mit zuckersüßem Liebesgesang entlarvt sie im Song "Schweinesteak medium" scheinbar beiläufig die Ignoranz und Grobschlächtigkeit eines Mannes, der sein Grillfleisch mehr liebt als seine Freundin. Ihre Texte sind so doppelbödig, dass aus vermeintlich emotional Privatem unversehens Gesellschaftskritisches erwächst: vom Lob der Schönheit zum Sexismus, vom Verlassenwerden zum Start-up für gesellschaftliche "Scheiße".
Immer wieder überrascht die 31-Jährige mit neuen Facetten und zeigt, untermalt von ihrem virtuosen und mitreißenden Gitarrenspiel, dass man immer zweimal hinschauen sollte, bevor man sich ein Urteil über jemanden bildet. Miss Allies Songs sind klug, satirisch und zugleich berührend. So gelingt es ihr, die Widersprüchlichkeiten des Lebens einzufangen.

Statement: "Der Musikpreis des Bayerischen Kabarettpreises! YEAH!! Ich bin mega happy darüber, dass meine Musik und Liedtexte auch in Bayern so gut ankommen. Den Preis werde ich stolz vor mir hertragen auf meinen Bayern-Konzerten. Von Herzen sage ich danke und freue mich sehr auf die Verleihung!"

Laudator: Bodo Wartke
Die bedingungslose Liebe zur Musik eint die Preisträgerin Miss Allie mit ihrem Laudator Bodo Wartke. Das Publikum schätzt diesen als Chansonnier und virtuosen Pianisten ebenso wie als wandlungsfähigen Schauspieler und charmanten Conférencier. Gewitzt in Wort und Ton scheut der Klavierkabarettist in seinen bislang sechs Programmen auch vor kontroversen Themen nicht zurück. Seine Fertigkeiten nutzt Bodo Wartke für eine breite Vielfalt an Themen – von verspielten Reim-Etüden über komplexe Liebeslieder bis hin zu politischen, gesellschaftskritischen Chansons.

Hauptpreis: Carolin Kebekus

Was ist die Steigerung von Köln, Karneval und Kabarett? Kebekus! Was einst als Praktikum für die "RTL Freitag Nacht News" begann, führte zu einer einzigartigen Karriere. Carolin Kebekus füllt Hallen, sammelt Preise wie andere Leute Pokémon-Karten und ist mit ihren Fernseh-Shows eine feste Größe in der deutschen Humor-Landschaft. Der Erfolg der 41-jährigen Kölnerin kommt nicht von ungefähr, sondern ist eher zwangsläufig. Und das liegt sicher nicht nur daran, dass sie laut und direkt ist, die Dinge beim Namen nennt und für Provokationen zu haben ist. Sie prangert die katholische Kirche an, wirft ihr Frauenfeindlichkeit und Doppelmoral vor. Dank ihrer großartigen Musikalität geht sie mit aufwändig inszenierten Videos regelmäßig viral, weist auf patriarchale Machtstrukturen hin oder hinterfragt weiblichen Optimierungswahn. Auch überlässt sie ihre Sendezeit marginalisierten Menschen, etwa wenn es um Rassismus geht. Carolin Kebekus ist unbequem – und sie ist sehr gut darin. Denn sie hat nicht nur eine Haltung, sondern sie zeigt auch, warum sie diese hat – untermauert mit Daten und Fakten, mit denen man sich auseinandersetzen muss.
Ausgestattet mit unbändigem Witz, Energie und Bühnenpräsenz macht sie sich als Frau niemals klein und nimmt sich die Freiheit, derb zu sein. Sie entkommt dem weiblichen Rollenklischee und thematisiert gleichzeitig die gängigen Stereotypen – wir alle erkennen uns in dem ein oder anderen Verhalten wieder und befreien uns lachend von der Angst, mit unseren Schwächen allein zu sein. Wie gut, dass Carolin Kebekus ihren großartigen Humor und ihr ganzes Können dafür einsetzt, ihr Publikum aufzurütteln und klüger nach Hause zu schicken.

Statement: "Ich freue mich sehr, dass ich Preisträgerin dieser altehrwürdigen Auszeichnung bin. Ich hoffe, Luise Kinseher sieht es mir nach, dass sie nun nicht mehr die einzige Gewinnerin des Hauptpreises ist in der 23-jährigen Historie. Immerhin: Dieses Jahr gibt es insgesamt erstmals mehr Gewinnerinnen als Gewinner."

Laudatorin: Jasmin Schwiers
In der Komödie "Schatz, nimm du sie" spielten Carolin Kebekus und Jasmin Schwiers beste Freundinnen. Während es Kebekus‘ Debut vor einer Kinofilmkamera war, kann ihre Schauspielkollegin auf eine lange Filmographie schauen. Schon mit 17 Jahren ergatterte sie ihre erste Rolle in einem Fernsehfilm. Deutschlandweit bekannt wurde sie ab 1999 als Tochter von Hauptdarstellerin Gaby Köster in der Serie "Ritas Welt". Seitdem zeigte die 40-Jährige aus Eupen in unzähligen Produktionen die breite Palette ihres Könnens. Große und kleinere Rollen spielte sie im Tatort und dem Polizeiruf, in romantischen Komödien, Kinder- und Historienfilmen sowie Dokudramen.

Ehrenpreis: Sissi Perlinger

Der Ehrenpreis geht an Sissi Perlinger. | Bild: Steffen Jänicke

Sissi Perlinger ist ein Solitär in der deutschsprachigen Kabarettszene. Ein Paradiesvogel, eine Erscheinung, schlichtweg das Wunderweib der Bühnenlandschaft. Ihre Programme sind unverwechselbar – gerade weil sie so unterschiedlich sind. Bei Sissi Perlinger funkelt alles ein bisschen heller – seien es die üppigen Kostüme, die skurrilen Requisiten oder ihre gekonnten Tanzeinlagen. Zehn Programme hat sie seit 1987 erschaffen, nebenher in unzähligen Filmen gespielt, Hörspiele eingesprochen und Bücher geschrieben. Denn eine Kunstform allein reicht einer Sissi Perlinger nicht. Das geht schon bei ihrem Werdegang los: Sie hat nicht nur eine Schauspielausbildung in München, Wien, New York und Los Angeles absolviert, sondern auch noch Gesang und Tanz studiert und sich das Gitarre- und Schlagzeugspielen selbst beigebracht. Daraus resultierend nennt sie sich gerne Entertainerin – lieber noch "Ententrainerin". Das daraus entstandene Gesamtkunstwerk bietet ganz besondere Besuchererfahrungen: Man meint, Liza Minelli singen zu hören, findet sich in geradezu bollywoodesk prächtigen Bühnenbildern wieder, in denen dann aber auch mal im breitesten Bairisch geflucht wird. Je gegensätzlicher, umso Sissi Perlinger. Kichert das Publikum in einem Moment noch über die ein oder andere durchaus derbe Schote, hält es im nächsten tiefberührt den Atem an. Denn Sissi Perlinger kann auch hervorragend mit leisen Tönen spielen. Biografisches fließt in jedes ihrer Programme ein und so erscheint sie plötzlich verletzlich, gar seelisch nackt. Sie liefert sich den Zuschauerinnen und Zuschauern aus – in der Gewissheit, dass ihre große Kunst sie davor beschützt, missverstanden zu werden. Und diese Rechnung geht auf: Ein Abend mit Sissi Perlinger ist wie der Besuch eines Wunderlandes – und das ist nicht nur verzaubernd, sondern vor allem urkomisch, erhellend und unvergesslich.

Statement: "Als ich erfahren habe, dass ich den Bayerischen Kabarett-Ehrenpreis erhalte, war mein erster Gedanke: Das entspricht ja genau der Prophezeiung, die ich als junge Frau bekam. 'Im Jahre 2022 wirst Du auf dem Höhepunkt sein!' Ich freue mich wirklich zutiefst über diese Anerkennung! Danke, dass gesehen wird, wofür ich lebe, nämlich die Kunst."

Laudator: Michael Altinger
Für Zuschauerinnen und Zuschauer des BR Fernsehen ist Michael Altinger ein vertrautes Gesicht: Seit 2013 präsentiert er gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Springer monatlich die Kabarettsendung "schlachthof". Seit Mitte der 90er-Jahre hat er zudem sagenhafte 18 Programme auf die Bühne gebracht und gehört somit zu den ganz Großen der Bayerischen Kabarettszene. Daneben macht der diplomierte Sozialpädagoge auch noch Musik, schreibt Bücher und nimmt immer wieder kleine Filmrollen in Serien wie "München 7" oder "Die Rosenheim-Cops" an.

Musik und Moderation

Musikalisches Rahmenprogramm: Django 3000
Als "wuid und laut“ beschreiben sich die vier bayerischen Gypsys von Django 3000. Seit über zehn Jahren folkrocken sie über die Bühnen der Welt – von Bayern bis Indien, von Südkorea bis Finnland. Ihr Name ist eine Hommage an den legendären Jazzgitarristen Django Reinhard, dessen "Gipsy-Swing" ihre Inspiration ist. Ihr "Balkan Beat" bescherte ihren bislang sieben Alben immer wieder Chartplatzierungen. Auf Festivals wie dem Chiemsee Summer oder dem Taubertal-Festival werden die vier studierten Musiker ausgiebig bejubelt. Geiger Florian Starflinger, Gitarrist Kamil Müller und Michael Fenzl am Bass kennen sich aus der gemeinsamen Jugend im Chiemgau, während Schlagzeuger Jan-Philipp Wiesmann aus Schwaben stammt.

Moderation: Martin Frank
Leicht brüchig die Stimme und arglos der Blick – so gibt Martin Frank den vermeintlich naiven Buben vom Land, der in seinen Bühnenprogrammen erfrischend schräg gegensätzliche Ansichten aufeinanderprallen lässt und selbst 2018 den Bayerischen Kabarettpreis erhielt. Mit Charme spielte sich der neugierige Niederbayer ab 2015 direkt ins Herz des Publikums, um mit ihm gemeinsam in die Welt zu stapfen und trotz orientierungsloser Zeiten dem Leben die Komik abzutrotzen. Seine mittlerweile vier Programme beweisen, dass dem Bauernsohn, gelernten Standesbeamten und ausgebildeten Schauspieler nichts Menschliches fremd ist, und entsprechend gelingt es ihm mit unbekümmerter Leichtigkeit, neue Sichtweisen zu kreieren und Lebensfreude zu wecken. Den BR-Zuschauerinnen und -Zuschauern ist der 30-jährige Hutthurmer dank "SchleichFernsehen" oder "Brettl-Spitzen" längst ein vertrautes Gesicht.

Der Bayerische Kabarettpreis

Der Bayerische Rundfunk fördert Kabarett und bietet mit der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises namhaften Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne und jungen Talenten ein Sprungbrett. Der Bayerische Kabarettpreis ist eine Gemeinschaftsinitiative des Bayerischen Rundfunks und des Münchner Lustspielhauses. Seit 1999 wird der Preis jährlich in vier Kategorien an Künstlerinnen und Künstler aus dem deutschsprachigen Raum verliehen. Er würdigt scharfsinniges Kabarett, das auf unverzichtbare Weise die Gesellschaft und das Zeitgeschehen künstlerisch ergründet.


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