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Und vergib uns unsere Schuld Drei Fragen an Cornelia Ackers

Stand: 05.01.2016

Dr. Cornelia Ackers | Bild: Dr. Cornelia Ackers

Graf/Steinbichler/Handloegten/Bonny/Haußmann/Adolph/Petzold, jetzt Kreuzpaintner: Warum ist der BR-Polizeiruf attraktiv für (Kino)-Regisseure?

Das Format Polizeiruf 110 mit Matthias Brandt ist deswegen für Kinoregisseure interessant, weil es Inhalte bewegt und ermöglicht, die immer seltener im Kino zu sehen sind. Immer wieder klagen Regisseure bei mir darüber, dass  sie von Verleihern  und auch Förderern zu hören bekommen, dass nur noch Komödien und Kinderfilme im Kino eine Chance hätten. So braucht es solche Freiräume, wie der Polizeiruf 110 des Bayerischen Fernsehens sie bietet: Gemeinsam denken, entdecken und sich etwas wagen, war schon in der Ex-DDR ein Privileg fast ausschließlich der Sonntagskrimis.

Kann man, wenn man auf die letzten zehn Polizeirufe zurückblickt, trotz der Verschiedenartigkeit der Filme eine Art roten Faden erkennen? (Einsamkeit des Ermittlers? Schuld des Ermittlers? Empathie des Ermittlers?

Einer der durchgehenden Fäden in Bezug auf diese Reihe ist die fast gleichbleibende Qualität der Filme, die  Einzelfilme sind und sogar so etwas wie Kinoqualität besitzen. Dies ist auf die gemeinsame, suchende und anspruchsvolle  Arbeit in einem qualitätsbewussten Team von Hauptdarstellern, Regisseur, Produzenten und Redaktion zurückzuführen. Immer mehr scheinen  sich aber auch durchgehend Eigenschaften der  Figur von Hanns von Meuffels  zu zeigen. Er ist der „Mann ohne Eigenschaften" und hat darin seine Eigenschaft. Wie der König auf der Bühne wird der Kommissar nicht vom "Kommissar“ selbst gespielt, sondern von den anderen. Dass den König die anderen spielen, ist ein Theatergesetz, aber es gilt auch für den Sonntagskrimi. Das heißt natürlich nicht, dass ein König bzw. ein Kommissar nicht spielen können muss. Im Gegenteil. Matthias  Brandt hat sein Spiel zur Königsdisziplin gebracht. Er ist mit aller Sensibilität und Aufmerksamkeit in der Szene. Er denkt, fühlt, spürt und lässt den Impulsen dann angemessenen Raum, sich zeigen zu können. Ich konnte Cate Blanchett sehr nah beim Spiel bei unserem Kunstprojekt "Manifesto" beobachten und war auch selber in einer Szene mit ihr. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass ich da bei ihr einen ähnlichen Spielvorgang beobachtet habe.

Hanns von Meuffels wurde quasi als Mann ohne Eigenschaften eingeführt, erst allmählich lernen die Zuschauer ihn kennen. Warum diese Herangehensweise?

Ich glaube nicht, dass die Zuschauer den Kommissar Hanns von Meuffels immer mehr kennenlernen. Meine Beobachtung ist eine andere. Die Darstellungsweise von Matthias Brandt wird immer zurückgenommener, immer feiner,  immer beobachtender, was ich mit großer Freude und Interesse aufnehme. Dass er einen durchgehenden Charakter hat, stellt sich mehr im Kopf der Zuschauer selber her, weil unsere Köpfe immer Geschichten bauen und Kausalitäten herstellen wollen. Ich glaube, sie lernen ihn nicht mehr kennen, sondern ihnen wird die dezente Anwesenheit von Matthias in den Filmen einfach nur vertrauter. Uns war es wichtig, keine mit bunten Filzstiften ausgemalte Figur zu zeigen, die schnelle Wiedererkennungswert hat, damit die Menschen, die Opfer, aber auch die Täter und die Geschichten  durch sie  hindurch wandern können und nicht an ihm kleben bleiben, wie Fliegen an der Honigstrippe. Außerdem nimmt sich in dem zunehmendem Krawumm der ballernden und an sich reißenden Kommissaren die Figur von Hanns von Meuffels wie ein Klosterraum aus.


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