In höchster Not Die Bergwacht Grainau
Im Mittelpunkt von "In höchster Not - Bergretter im Einsatz" steht die Arbeit der Bergwachten Ramsau und Grainau, die über mehrere Monate hautnah mit der Kamera begleitet wurde.

Das Einsatzgebiet der Bergwacht Grainau umfasst die Region um die Zugspitze, den höchsten Berg Deutschlands, der mit einer Höhe von 2.962 Metern eine markante Landmarke darstellt. Gemeinsam mit der Bergwacht Garmisch-Partenkirchen sind sie dort für die Rettung zuständig.
Die Bereitschaft Grainau besteht momentan aus 76 Mitgliedern, davon sind 49 Aktive Einsatzkräfte, 7 Anwärter und 20 inaktive Mitglieder. Aus der Einsatzleitgruppe von 16 Personen ist rund um die Uhr ein Einsatzleiter zur Annahme, Koordination und Durchführung eines Einsatzes über Meldeempfänger alarmierbar. Je 4 Sommer- und Winterausbilder stellen die Aus- und Weiterbildung der Einsatzkräfte sicher, um die vielfältigen Einsatzsituationen bewältigen zu können. (Quelle: bergwacht-bayern.de/region/hochland/grainau)
"Die Berge sind faszinierend, bergen aber auch viele Gefahren und Risiken. Wer hier unterwegs ist, sollte sich dessen bewusst sein – und wenn doch etwas passiert, sind wir da. Dass die Serie dieses Thema aufgreift und unsere Arbeit zeigt, hilft hoffentlich auch dabei, mehr Bewusstsein für alpine Gefahren zu schaffen."
Willi Kraus, Bereitschaftsleiter Bergwacht Grainau
Das Team der Bergwacht Grainau
Wilhelm "Willi" Kraus sen. (57)
Beruf: Selbstständiger Raumausstatter
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Über Kletterpartner und Freunde, die schon bei der Bergwacht waren.
Was war dein interessantester Einsatz?
Am Abend des 13. Juni ging über dem Höllental ein schweres Gewitter nieder. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, das die ca. 60 Übernachtungsgäste der Höllentalangerhütte nicht mehr absteigen konnten, weil sämtliche Brücken weggerissen und die Wege vermurt oder weggespült wurden. Nach Beratungen mit der Gemeinde und dem Landratsamt entschied man sich für eine Evakuierung der Hütte, es wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Mit einem Hubschrauber der Bundespolizei wurden alle Gäste ins Tal geflogen. Die Wege blieben danach noch für fast eine Woche gesperrt, um die Schäden einigermaßen zu beseitigen.
Welcher Einsatz wird die besonders (positiv) in Erinnerung bleiben?
Ein älterer Bergsteiger ist über zwei Stunden zu Fuß abgestiegen, um die Bergwacht zu alarmieren und seine verletzte Partnerin zu retten, weil beide kein Handy dabei hatten und auch keine anderen Bergsteiger angetroffen haben.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Nach dem Einsatz mit der Mannschaft im Bergwachthaus noch zusammenzusitzen. Und die langjährige Einsatzerfahrung hilft.
Andreas "Anda" Pischl (37)
Beruf: Elektromeister und Stellvertretender Betriebsleiter bei der Bayerischen Zugspitzbahn
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Mein Vater war auch bei der Bergwacht, und es war für mich als Junge immer spannend, die Action mitzubekommen. Wir sind bei Hubschraubereinsätzen schnell mit dem Rad zum Landeplatz gefahren, um den Hubschrauber zu sehen, vor allem wenn von der Bundeswehr die alte Bell UH 1D (Huey) kam. Selber mal im Hubschrauber mitzufliegen, war auch ein Argument, bei der Bergwacht anzufangen. Außerdem bin ich selber auch Bergsportler. Das verbindet uns Bergwacht-Leute: dass wir mit unserem Hobby auch anderen helfen können.
Kannst du dich noch an einen ersten Einsatz erinnern?
Das war eine übergewichtige Amerikanerin, die sich auf dem Weg zur Höllental-Eingangshütte das Sprunggelenk gebrochen hat. Den Einsatz vergesse ich nicht, weil es brutal anstrengend war, sie in die Gebirgstrage zu packen und zum Rettungsfahrzeug zu fahren.
Was war dein interessantester Einsatz?
Wir hatten viele interessante Einsätze. Besonders interessant ist es immer, wenn viele Einsatzkräfte bzw. Organisationen beteiligt sind, wie z. B. beim Höllentalklamm-Unglück 2021, als eine Flutwelle nach einem plötzlich auftretenden sehr starken Regenschauer im Höllental die Wege und Brücken überspült und zwei Menschen mitgerissen hat. Eine Person wurde am nächsten Tag gefunden, die zweite wird bis heute vermisst.
Welcher Einsatz wird die besonders in Erinnerung bleiben?
Das war die Rettung zweier abgestürzter Kletterer am Höllentorkopf. Einer war schwer verletzt, der andere leicht. Es war schönes Wetter, aber es herrschte starker Föhn, sodass kein Hubschrauber fliegen konnte. Wir mussten die Rettung am Boden durchführen, sind mit der ganzen Ausrüstung mit der Alpspitzbahn raufgefahren und zu den Kletterern gestiegen. Dort haben wir sie in der Wand versorgt und mit dem Dyneema-Seil zum Wandfuß abgeseilt. Das war ein Bergwachteinsatz, wie er im Lehrbuch steht.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Man muss lernen, damit umzugehen, da wächst man mit der Zeit rein. Dramatisch ist es immer, wenn es einen Toten gibt und dann noch Angehörige dabei sind, wenn man Schwerverletzte hat oder junge Leute bergen oder retten muss. Früher habe ich mich bei Todesfällen immer gefragt, was dieser Mensch alles erlebt hat, was er wusste, wen er hinterlässt. Aber es ist besser, nicht so viel nachzudenken und akzeptieren, dass es so ist. Manche Einsätze oder Tote vergisst du nicht, die bleiben immer in Erinnerung.
Bernhard Kraus (31)
Beruf: Selbstständiger Handwerker
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Sowohl Großvater als auch Vater waren schon bei der Bergwacht in Grainau und bei den vielen Hubschraubereinsätzen war es immer interessant, was am Landeplatz passiert. Dann wurde ich älter und hatte einfach Lust, Menschen zu helfen.
Kannst du dich noch an einen ersten Einsatz erinnern?
Nein, da man normalerweise zu Beginn nur bei leichten Einsätzen im Wald- und Wiesen-Bereich dabei sein darf.
Was war dein interessantester Einsatz?
Einmal hatten wir einen Vater mit zwei Kindern, mit denen er die Zugspitze besteigen wollte. Erst in der Abenddämmerung wurden wir von ihm alarmiert, weil er zwei Kinder-Klettersteigsets benötigte. Vor Ort stellte sich heraus, dass er nachtblind war und die Kinder noch sehr klein und komplett verängstigt waren. Der Abstieg zog sich über mehrere Stunden.
Welcher Einsatz wird die besonders in Erinnerung bleiben?
Eigentlich alle Einsätze, bei denen man wirklich schwer verletzen Menschen das Leben rettet, ohne sich Gedanken zu machen über die Ursachen. Wichtig ist auch, dass alle Kameraden gesund zurückkommen, manche Einsätze sind auch für uns extrem gefährlich.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Ich versuche, sie nicht an mich ranzulassen. Wichtig für mich ist, dass ich mein Bestes gebe, um dem Verunglückten zu helfen. Natürlich hilft auch, mit den Kollegen darüber zu reden.
Franz Dörfler (29)
Beruf: Vorarbeiter im alpinen Tiefbau
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Da sowohl mein Papa als auch mein älterer Bruder bei der Bergwacht sind, bin ich von klein auf in die Bergwacht hineingewachsen. Schon als Kind war ich oft bei Übungen und Lehrgängen als Opfer mit dabei. Für mich stand es nie zur Debatte, OB, sondern nur WANN ich zur Bergwacht gehe.
Was war dein interessantester Einsatz?
Das war im November 2021. Wir wurden nach einer Schlechtwetterfront zu einer blockierten Person im Bereich der Riffelwandspitzen gerufen. Der Alarm an sich war schon sehr ungewöhnlich, da in diesem Bereich (einem der am schwersten zugänglichen Orte in unserem Dienstgebiet) normalerweise nie Bergsteiger unterwegs sind. Ein junger Mann war über die Riffelscharte aufgestiegen und wollte dann eine "Abkürzung" über den Riffelgrat zum Zugspitzgipfel nehmen. Wegen des schlechten Wetters stieg er über eine steile Rinne wieder in Richtung Eibsee ab, rutschte dort mehrmals über teils hohe Felsabsätze ab und verletzte sich. Aufgrund des Sturms und der aufziehenden Dunkelheit und auch weil die Rinne stark vereist war, kamen wir auch nach mehreren Anläufen nicht an die Einsatzstelle. Erst am nächsten Morgen konnten wir uns zum Verletzten durcharbeiten und ihn mit Hilfe eines provisorischen Flaschenzugs retten und per Hubschrauber ins Tal bringen.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Durch Gespräche mit meinen Kameraden. Nichts ist so wichtig, wie nach einem schweren Einsatz sich nochmal zusammenzusetzen und über das Erlebte zu reden. Mir persönlich hilft das wahnsinnig gut, um die Einsätze für mich abzuschließen.
Magdalena Buchwieser (26)
Beruf: Einzelhandelskauffrau
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Mein Opa und mein Papa und der Gedanke, anderen Menschen zu helfen.
Kannst du dich noch an einen ersten Einsatz erinnern?
Ja, das war ein Fahrradsturz. Es war an meinem 24. Geburtstag und ich stand gerade unter der Dusche, als ich alarmiert wurde.
Was war dein interessantester Einsatz?
Das war ein Nachteinsatz an der Mittagsscharte mit dem Hubschrauber.
Welcher Einsatz wird die besonders (positiv) in Erinnerung bleiben?
Wir haben jemanden von der Kletterroute Eisenzeit gerettet, bei Hagel und Regen. Die waren alle sehr dankbar.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Soweit kam es noch nicht…
Simon Preibisch (21)
Beruf: Pflegefachmann auf der Intensivstation im Klinikum Garmisch-Partenkirchen
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Einfach die Mischung aus Bergsport und Rettung. Ich habe mich immer schon ehrenamtlich eingebracht - seit ich fünf Jahre alt war, bin ich bei der Wasserwacht und auch bei anderen Hilfsorganisationen tätig.
Was war dein interessantester Einsatz?
Für mich sind die interessantesten Einsätze die, bei denen sich medizinische Arbeit und der Einsatz am Fels mischen und wo man zeigen kann, was man ursprünglich mal gelernt hat.
Welcher Einsatz wird dir besonders in Erinnerung bleiben?
Für mich ist jeder Einsatz ein positiver, bei dem wir einem Menschen in Not geholfen haben. Das kann ein verstauchter Knöchel oder auch eine unverletzt verstiegene Person sein.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Am besten mit meinen Kameraden der Bergwacht nach dem Einsatz bei einem Kaltgetränk oder mit anderen Freunden, welche auch ehrenamtlich aktiv sind. Aber auch Familie oder Arbeitskollegen können nach harten Einsätzen eine große Hilfe sein.
Wilhelm "Willi" Kraus jr. (32)
Beruf: Steuerberater
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Da mein Vater und Bruder bereits bei der Bergwacht Grainau waren und ich gerne in den Bergen unterwegs bin, war es nur logisch, dass ich auch zu Bergwacht gehe.
Kannst du dich noch an einen ersten Einsatz erinnern?
An den ersten Einsatz kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an den ersten Einsatz als Luftretter. Das war ein tödlicher Absturz, bei dem ich den Begleiter geholt habe. Insbesondere ist mir in Erinnerung geblieben, wie der Notarzt des Hubschraubers dem Begleiter die Todesnachricht überbracht hat.
Was war dein interessantester Einsatz?
Ein sehr interessanter Einsatz war am Höllentorkopf, bei dem ein abgestürzter Kletterer trotz strahlend blauen Himmels nicht mit dem Hubschrauber gerettet werden konnte, weil es aufgrund des Föhns zu windig war. Die Bergung erfolgte dann bodengebunden mit dem Dyneemaseil, wobei der Verletzte im Bergsack mit drei Bergwachtlern zum Wandfuß abgeseilt wurde.
Welcher Einsatz wird die besonders (positiv) in Erinnerung bleiben?
Was immer positiv in Erinnerung bleibt, ist, wenn sich die Leute bedanken, zudem gibt es immer wieder Gerettete, die uns noch Getränke oder Süßes vorbeibringen.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Bei schwierigeren oder belastenden Einsätzen setzt sich die Einsatzmannschaft meist nochmal zusammen, um darüber zu sprechen. Das hilft eigentlich immer, diese Einsätze zu verarbeiten.
Theresa Paule (20)
Beruf: Tourismuskauffrau
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
In den Bergen aufgewachsen, hat mich das Ehrenamt der Bergwacht schon früh fasziniert. Als Person, die selbst viel in den Bergen unterwegs ist, weiß ich, wie wichtig die Arbeit der verschiedenen Bereitschaften ist.
Als meine Bereitschaft dann neue Anwärter und vor allem auch Anwärterinnen gesucht hat, habe ich bei einem Ausbildungsabend einfach mal vorbeigeschaut und gefragt, ob Sie mich brauchen können.
Kannst du dich noch an einen ersten Einsatz erinnern?
Ja, bei meinem ersten Einsatz wurde ein junges Mädchen auf dem Weg ins Höllental von einem Stein getroffen. Wir haben die Wunde an ihrer Hand versorgt und sind gemeinsam mit der Verletzten und ihrer Familie ins Tal abgestiegen. Der Einsatz verlief gut, und ich erinnere mich noch gut daran, wie dankbar die Familie war, in dieser Situation nicht alleine mit Ihrer Tochter absteigen zu müssen.
Was war dein interessantester Einsatz?
Mein interessantester Einsatz war eine offene Sprunggelenksfraktur nach einem Fahrradsturz im Gelände. Die Person hatte große Schmerzen, und das Gelenk konnte nur unter Schmerzmitteln wieder reponiert werden.
Welcher Einsatz wird die besonders in Erinnerung bleiben?
Fast alle meine Einsätze, die sowohl für uns als auch für die Betroffenen gut ausgehen, bleiben mir positiv in Erinnerung.
Valentin Abele (28)
Beruf: Bauingenieur
Was hat dich dazu gebracht, bei der Bergrettung anzufangen?
Schon bevor ich bei der Bergwacht angefangen habe, war ich immer gern in den Bergen unterwegs. Oft war ich mit meinen Freunden Franz Dörfler und Stefan Schwaiger beim Klettern, beim Berggehen, auf Skitouren usw. Da Franz über seinen Papa und seinen Bruder schon Kontakt zur Bergwacht in Grainau hatte, haben wir uns das zu dritt mal angeschaut und letztendlich die Ausbildung zusammen gemacht.
Kannst du dich noch an deinen ersten Einsatz erinnern?
Bei einem meiner ersten Einsätze wurden wir zu einem abgestürzten Hund in der Höllentalklamm alarmiert. Der Hund ist im Bereich der Bogenbrücke ungefähr fünf Meter abgestürzt und glücklicherweise unverletzt auf einem Felsen gelandet. Bei der Rettung hat uns ein Hundeführer unterstützt.
Welcher Einsatz wird die besonders in Erinnerung bleiben?
Als zwei Chinesen am Hochblassen gelandet sind und einen Notruf absetzten, weil sie nicht wussten, wo sie waren. Die Sprachbarriere, eine falsche Handyortung und schlechtes Wetter haben uns den Einsatz deutlich erschwert. Wir konnten die beiden mitten in der Nacht im Schneesturm finden und am nächsten Morgen mit dem Hubschrauber ausfliegen.
Als wir um 22.00 Uhr im strömenden Regen ausgerückt sind, haben wir uns auf einen zweistündigen Einsatz eingestellt, letztendlich waren wir am nächsten Tag um 9.00 Uhr wieder im Tal und ich bin direkt zur Arbeit gefahren.
Wie verarbeitest du dramatische Einsätze?
Das kann man gut in einem Wort zusammenfassen: Kameradschaft. Wir sind so ein guter Haufen und man ist bei solchen Einsätzen nie allein. Nach dramatischen Einsätzen hockt man sich dann auf ein Feierabendbier im Bergwachthaus zusammen, redet drüber, und dadurch verarbeitet man das ganz gut. So geht es zumindest mir.