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Herren Statement Regisseur Dirk Kummer

Stand: 11.01.2021

Regisseur Dirk Kummer. | Bild: ARTE/BR/cinemanegro Filmproduktion/kineo Filmproduktion/Frédéric Batier

"Respekt steht über allem. Trotzdem sind Diskriminierungen Teil unserer täglichen Begegnungen. Diskriminierung hat immer auch mit Selbstbewusstsein zu tun. Nur wer sich stark fühlt, kann andere herabwürdigen.

Wie Pazifisten, Schwule, 'Ossis' diskriminiert werden, habe ich über Jahrzehnte erfahren. Ich fühlte mich gut vorbereitet für unseren Film 'Herren'. Mir war klar, dass man nicht nur anders ist, wenn man anders denkt, sondern auch, wenn man anders aussieht. Wie sich aber eine hellbraune, braune, dunkelbraune Hautfarbe anfühlen muss, und besonders, wie sie sich in Deutschland anfühlt, das habe ich durch viele wunderbare Kolleginnen und Kollegen erst bei der Arbeit an dem Film erfahren.

Ich benutze Wörter wie 'Farbige' oder 'Schwarze' nicht mehr. Aber ich schaffe es in meinem Alltag auch nicht immer, Menschen andere Beschreibungen zu verpassen als Äußerlichkeiten oder verallgemeinernde Floskeln. Alltagsrassismus versteckt sich in der Umgangssprache.

Kurz vor Abschluss der Dreharbeiten – ich hatte viel über Klischees und Verletzungen gelernt – gab es Diskussionen über die Dynamik einer Szene. Ich redete sehr emotional und bestimmt auf die Schauspielenden ein und kämpfte für meine Sicht auf den Dialog. Dabei argumentierte ich: 'Ok, dann hab' ich also wieder den schwarzen Peter…' Tyron Ricketts und Komi Togbonou sahen mich fassungslos an: Das hast du jetzt nicht gesagt?! Doch, ich hatte. Und es war mir nicht klar, welche Formulierung ich mit dem 'schwarzen Peter' bemühe. Worte beschreiben auch die Genauigkeit, die wir unserer Sprache zugestehen. Das Wort PoC fällt mir schwer, weil ich mich dann auch als PoC sehen würde, was unlogisch ist. Für mich als Filmregisseur und Liebhaber von Malerei und Fotografie ist WEISS eben auch eine Farbe! Ich wäre also farbig…

'Herren' macht die Suche nach seinem Platz in diesem Leben nicht an der unterschiedlichen Hautfarbe fest. Und trotzdem ist es das Thema. Stefanie Kremser hat in ihren Berlin-Beobachtungen genau diesen Widerspruch für das Drehbuch fokussiert. Unsere Verabredung war der Blick von außen, damit Objektivität gewahrt bleibt. Ich als Berlin-Brandenburger habe der Brazil-Bayern-Katalanin nicht in die Töne gequatscht. Die Schauspielenden haben diesen Figuren durch ihre eigenen Biografien und Erfahrungen einen zweiten Zauber verpasst. Bettina Ricklefs und Claudia Simionescu vom BR haben es ermöglicht, dass der Film in Berlin spielen durfte. Die Produzenten Sidney Martins und Peter Hartwig sind mit unserer Geschichte sehr zart umgegangen. Vielleicht beschreibt das Wort 'Zärtlichkeit' am besten den entstandenen Film…

Nach der Voraufführung auf ARTE bekam ich von Dalila Abdallah einen Clip: In ihrem Quartier in Frankfurt hatte ihr die Community eine Live-Übertragung der ARTE-Ausstrahlung organisiert. Viele Zuschauende applaudierten stehend für Dalila und ins Handy. Sie bedankten sich für die Geschichte, die vielen aus dem Herzen sprach. Menschen mit meiner oder Peters oder Claudias Hautfarbe gab es wenige. Beim Wort 'Mensch' muss man erfreulicherweise nicht über die Genderformulierungen stolpern.

Aber mich irritiert: DER Mensch…"

Regisseur Dirk Kummer


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