Presse - Intendantin


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Passauer Neue Presse / Donaukurier "Wir machen Hindafing und nicht Game of Thrones"

Mit Katja Wildermuth steht erstmals eine Frau an der Spitze des Bayerischen Rundfunks. Sie setzt auf regionale Verankerung und thematische Vielfalt. Wir haben mit der neuen Intendantin über ihre Vorstellungen gesprochen – und über Geld.

Stand: 02.02.2021

Frau Wildermuth, als was treten Sie beim BR an? Als Sparkommissarin? Als Saniererin? Oder als Impresario?

Katja Wildermuth: Es gibt viele Herausforderungen. Was die Sparkommissarin angeht: Zum 1. Januar 2021 sollte ja der Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro auf 18,36 Euro steigen – so hatte das die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgeschlagen. Diese Erhöhung ist aber gescheitert, weil ein Länderparlament nicht zugestimmt hat. Ich hoffe, dass es zeitnah ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt. Bis dahin gilt es, in Vorleistung zu gehen. Ich werde aber in jedem Fall versuchen, vorschnelle Kürzungen im Programm zu vermeiden.

Ihr Sender plant für 2021 rund eine Milliarde Euro an Erträgen ein, die Aufwendungen liegen aber bei 1,1 Milliarden. Wie viel Spielraum haben Sie da noch?

Wildermuth: Wir müssen auf Sicht fahren und brauchen zunächst unsere Rücklagen auf – wie von der KEF vorgeschrieben und bereits in die Beitragsempfehlung einkalkuliert. Klar ist, dass wir den Konsolidierungskurs, den sich der Bayerische Rundfunk bereits seit 2009 auferlegt hat, konsequent weiterverfolgen müssen. Denn selbst wenn die Beitragserhöhung käme, entsprächen die Einnahmen lediglich in etwa dem, was wir derzeit bereits ausgeben, um unseren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Zugleich gibt es aber allgemeine und medienspezifische Preissteigerungen.

In wieweit müssen Sie da also Saniererin sein?

Wildermuth: Wie gesagt, in jedem Fall müssen wir unseren Konsolidierungskurs fortsetzen. Der BR spart ohnehin seit Langem, so bauen wir zum Beispiel von 2015 bis 2025 in der Fernsehproduktion 450 Vollzeitstellen ab. Was wir nicht gemacht haben, ist die für April ausgehandelte Tariferhöhung auszusetzen, die bereits unter dem Niveau des öffentlichen Dienstes lag. Das sind wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in PandemieZeiten seit Monaten hervorragende Arbeit leisten, einfach schuldig. Wie wir uns in Zukunft inhaltlich aufstellen wollen, werden wir gemeinsam erarbeiten.

Auf die inhaltliche Ausrichtung käme ich gerne später noch zu sprechen.

Wildermuth: Was ich ausdrücklich sagen möchte: Die Kolleginnen und Kollegen im BR leisten gerade in dieser schwierigen Zeit herausragende Arbeit – sowohl im täglichen Programm als auch mit vielen besonderen Angeboten wie "Schule daheim" oder der "BR KulturBühne". Strukturell wurde der Prozess, Fernsehen, Radio und Internet zu verschmelzen, im vergangenen Jahr beendet. Das ist der absolut richtige Weg. Den gehen andere Landesrundfunkanstalten inzwischen auch. Den endgültigen Abschluss wird dieser Prozess finden, wenn der Großteil der BR-Redaktionen im Jahr 2024 unter ein gemeinsames Dach in Freimann umziehen wird. Welchen Gewinn Nähe und gemeinsames Arbeiten an einem Ort hat, das merken wir in dieser Pandemie-Zeit ja ganz besonders, wo uns das weitgehend verwehrt ist. Heißt unterm Strich: Die Grundaufstellung des BR ist sehr gut, ich finde nicht, dass da sofort etwas saniert werden muss.

Das dritte war, inwieweit Sie sich als Impresario verstehen?

Wildermuth: (lacht) Müsste es in meinem Fall nicht Impresaria heißen? Natürlich will so ein Haus auch dirigiert werden, mit Fingerspitzengefühl und Respekt vor dem hohen künstlerischen Niveau jedes Einzelnen. Apropos Dirigieren: Ich freue mich übrigens sehr, dass es Ulrich Wilhelm gelungen ist, Simon Rattle als Chefdirigent zu verpflichten. Das war der absolute Wunschkandidat des Symphonieorchesters, das weltweit zu den Besten gehört. Mit seinem Chor und den beiden Orchestern steht der Bayerische Rundfunk insgesamt für künstlerisch hochwertigste Produktionen und innovative Angebote.

Sie sprachen eben von einem gesetzlichen Auftrag, den der BR zu erfüllen habe, und von der Frage der Inhalte, die geklärt werden müsse. Die öffentlich-rechtlichen Sender nennen die Rundfunkgebühren gerne eine "Demokratieabgabe". Wie wichtig ist "Dahoam is Dahoam" für Demokratie?

Wildermuth: Für Demokratie ist wichtig, sich auf Fakten, Tatsachen und Gesprächsgrundlagen zu verständigen. Das heißt nicht, dass man daraus immer die gleichen Schlüsse zieht, da ist also Platz für Meinung. Und es braucht einen glaubwürdigen und verlässlichen Kommunikationsraum, zudem braucht es Medienmündigkeit in der Gesellschaft. Die Menschen sollten unterscheiden können: Was sind Fake News? Was sind emotionalisierende Behauptungen? Was sind recherchierte Fakten? Hier wollen wir unseren Beitrag leisten – dass das gelingt, sehen wir an den hohen Glaubwürdigkeitswerten, die wir derzeit in Umfragen bekommen.

Das gilt auch für uns Regionalzeitungen.

Wildermuth: Ja, in Krisenzeiten nehmen Menschen Qualitätsmedien wieder stärker wahr. Wichtig ist, dass wir uns hier als Partner begreifen. Unser Anspruch beim BR muss sein, dass wir möglichst viele Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter, sozialer Herkunft, kulturellem Background, regionaler Verwurzelung oder Lebensmodell erreichen – damit wir den Auftrag, zur demokratischen Meinungsbildung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beizutragen, erfüllen können. Dafür brauchen wir auch Reichweiten und Relevanz in den unterschiedlichsten Zielgruppen. Und diese Zielgruppen erreichen wir mit einem ganzen Strauß an vielfältigen Programmangeboten, und natürlich gehört auch "Dahoam is Dahoam" dazu.

Aber das ist Unterhaltung. Geht es bei politischer Meinungsbildung nicht um Information?

Wildermuth: Gesellschaftlicher Zusammenhalt lebt nicht nur von nüchterner Informationsvermittlung in einer Nachrichtensendung, sondern von gemeinsamen Geschichten und Momenten, gemeinsamen Erlebnissen und Nachdenken. Deshalb sind Unterhaltung, Fiktion oder auch der Sport unverzichtbarer Bestandteil unseres Auftrags und Programms. "Dahoam ist Dahoam" ist die erfolgreichste tägliche Vorabendserie in Bayern und hat eine virulente Fangemeinde. Die ist anders als die von "Servus Baby" oder von "Hindafing", aber jede ist uns wichtig. Und wenn man etwas genauer hinschaut, dann sieht man, dass die Unterhaltung bei öffentlich-rechtlichen Sendern anderen Grundsätzen folgt: Nicht diskriminieren, nicht abwerten, respektvoll sein, Vielfalt zeigen, relevante Themen und gesellschaftliche Debatten aufgreifen.

Das klingt, als würden Sie den Kategorien Information und Unterhaltung noch die Kategorie Erziehung hinzufügen, oder?

Wildermuth: Ich habe nicht von Erziehung geredet. Das steht auch nirgends in unserem Auftrag, ist auch nicht Teil meines Verständnisses von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Aber diese Grundsätze zu beachten, schon.

Was Unterhaltung angeht, können Sie das Rennen gegen Netflix und Amazon überhaupt noch gewinnen?

Wildermuth: Das kann man nicht vergleichen. Das sind privatwirtschaftlich finanzierte, internationale Großkonzerne mit riesigen Budgets. Diese leben von global vermarktbaren Hochglanzproduktionen. Wir sind als BR eine Landesrundfunkanstalt, als ARD ein Verbund dieser Landesrundfunkanstalten. Unsere Zukunft wird darin liegen, dass wir das stärken, in dem wir einzigartig sind: eine tiefe regionale Verankerung, unsere Lebenswirklichkeit, unsere Identität und Kultur. Mit anderen Worten: Wir machen "Originals", bereits seit Jahrzehnten. Und das sind Inhalte, die nicht ins Geschäftsmodell eines global agierenden Konzerns passen. Wir machen eben "Hindafing" und nicht "Game of Thrones"...

Früher galt der BR als Schwarzfunk, der WDR als Rotfunk. Gibt es in der ARD solche Schemen noch?

Wildermuth: Ich kann mit dieser Farbenlehre, ehrlich gesagt, nicht viel anfangen, und ich halte sie auch für überkommen. Die Gesellschaft ist inzwischen ausdifferenzierter, und die politischen Diskurse sind es auch. Ich sage: Unsere Aufgabe ist, genau diese Vielfalt der Positionen zu spiegeln – Stadt und Land, akademisch und nicht akademisch, jung und alt, weiß und People of Color, Familien und Alleinerziehende, Sesshafte und Geflüchtete. Denn diese Vielfalt ist der Gegenentwurf zu den gefährlichen Echokammern, in denen sich viele ihre Selbstvergewisserung holen.DK

Die Fragen stellte Alexander Kain.

ZUR PERSON: Katja Wildermuth

wurde im Oktober 2020 vom BR-Rundfunkrat zur Nachfolgerin von Ulrich Wilhelm gewählt, seit dem 1. Februar ist sie im Amt. Zuvor war sie Programmdirektorin des MDR. Wildermuth wurde 1965 in Berlin geboren, im Alter von drei Jahren zog sie nach Anzing bei München. Dort war sie nach ihrem Studium als Dozentin am Institut für Alte Geschichte der LMU tätig. Dann wechselte sie in den Journalismus und hatte seither verschiedene Leitungsfunktionen in der ARD inne. Nun ist sie zur Intendantin des Bayerischen Rundfunks aufgestiegen.


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