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Donaukurier "Fußball gehört zur Grundversorgung"

Um Kosten zu sparen, will Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, in Zukunft die Berichterstattung über Großereignisse stärker mit dem ZDF abstimmen. Wichtiger als die Quote ist ihm zudem die Qualität des Programms. Ulrich Wilhelm sprach darüber mit dem Donaukurier.

Stand: 17.06.2013

Ulrich Wilhelm | Bild: BR / Astrid Schmidhuber

Der neue Rundfunkbeitrag hat für heftige Diskussionen gesorgt. In der letzten Zeit hat man das Gefühl, die Debatte darüber ebbt ab. Ist das so?
Ulrich Wilhelm: Für die große Mehrheit hat sich durch den Rundfunkbeitrag nichts geändert. Wir haben zudem sehr viel Aufklärung geleistet. Deshalb hat sich die Diskussion immer weiter beruhigt. Bis zur geplanten Überprüfung der gesetzlichen Formulierungen 2014 werden wir mit den Städten, Gemeinden, Landkreisen und den Verbänden der Wirtschaft gemeinsam prüfen, ob es in besonderen Härtefällen Korrekturbedarf gibt. Wir haben auch deutlich gemacht, dass sich durch die Umstellung für uns eben nicht, wie vielfach spekuliert, viele Millionen Euro Mehreinnahmen ergeben. Die momentanen Schätzungen deuten darauf hin, dass es in etwa plus minus null bleibt. Das war auch die Intention des Gesetzgebers.

Trotzdem halten viele den neuen Rundfunkbeitrag für eine Geldbeschaffungsmaßnahme.
Wilhelm: Das ist es nicht! Ich nehme eine solche Stimmungslage aber ernst. Wir müssen die Zusammenhänge immer wieder gut erklären: Für die Umstellung auf den Rundfunkbeitrag, der sich nicht mehr an Empfangsgeräten orientiert, ist der technische Wandel die Ursache. Heute können Sie über jedes Smartphone Hörfunk und Fernsehen empfangen. Hätten weiter nur die Haushalte gezahlt, die tatsächlich noch ein Radio- oder Fernsehgerät besitzen, dann hätten wenige immer mehr bezahlen müssen. Die Länder haben verschiedene Modelle geprüft und hielten dieses für das Praktikabelste.

Hat die Diskussion um den Beitrag auch dazu geführt, dass sich die Leute kritischer mit der Verwendung der Gebühren auseinandersetzen?
Wilhelm: Wir stellen uns jeder Kritik, sie ist ein wichtiger Impulsgeber. Es wird allerdings immer schwieriger, mit einem Vollprogramm den Geschmack einer Vielzahl von Menschen gleichermaßen zu treffen. Nehmen Sie die Musik in den Hörfunkprogrammen. Die einen wollen Rock, Pop, Indie, House, Soul, Funk, Hiphop oder Electro, andere Schlager oder Volksmusik, wieder andere Jazz oder Klassik. Und es ist offensichtlich, dass sich in allen hochentwickelten Ländern der Welt die Mediennutzung rasant ändert. Ein wachsender Teil vor allem der Jungen nutzt das Fernsehen kaum mehr traditionell. Sie sehen Serien aus den USA im Internet und folgen mehr den Empfehlungen ihrer Freunde. Dadurch verlieren wir Reichweite und Akzeptanz gleichermaßen. Zudem gibt es im Netz immer mehr Spezialangebote, die das besondere Interesse vieler Gruppierungen gut bedienen.

Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Was ist gerade beim Bayerischen Rundfunk im Fluss?
Wilhelm: Wir sind ebenso betroffen wie etwa die Zeitungen und die Filmwirtschaft. Was sich nicht ändert, ist unser gesetzlicher Auftrag, die Vielfalt in der Gesellschaft und die Qualität der Meinungsbildung zu stärken - neben den Zeitungen. Das ist die Existenzberechtigung für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa. Dem müssen wir gerecht werden. Und wir müssen unser Programm auch auf allen technischen Verbreitungswegen anbieten.

Was heißt das?
Wilhelm: Wir können nicht allein bei der traditionellen Verbreitung von Hörfunk und Fernsehen bleiben, wenn das mobile Internet für viele Millionen der Weg ist, wie sie Radio und Fernsehen nutzen wollen. Das bedeutet für uns hohen Investitionsbedarf und viele Anpassungen; und das bei knappen Kassen!

Denken Sie, dass in zehn Jahren die 20-Uhr-Tagesschau immer noch im Programm ist?
Wilhelm: Mit Sicherheit! Mit dem Einzug neuer Medien fielen die alten nie schlagartig weg. Das Fernsehen hat das Kino nicht abgeschafft, Zeitungen und Bücher sind nicht verschwunden. Natürlich ändern sich die Größenordnungen am Markt. Marktanteile schrumpfen, andere wachsen rasch. Aber es gibt nach wie vor Millionen Menschen, die herkömmliches Fernsehen lieben. Und das wird noch lange so bleiben.

Sie sprachen die Qualität der Programme an. Schauen die öffentlich-rechtlichen Sender nicht eher auf die Einschaltquoten als auf die Qualität?
Wilhelm: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben, als das Privatfernsehen eingeführt wurde, zunächst zu sehr die Quoten im Blick gehabt. Heute haben wir eine andere Situation. Durch das Internet werden, wie gesagt, viel mehr Spezial-Angebote gesucht und genutzt. Auch Angebote für Minderheiten. Viele Zeitungen gehen heute schon den Weg, Themen-Schwerpunkte zu setzen und zu vertiefen. Ich glaube, dass alle Qualitätsmedien diesen Weg gehen müssen, um noch mehr Erklärkompetenz aufzubauen. Damit leisten wir wichtige Orientierungshilfe für diejenigen in der Bevölkerung, die sich für ein Thema vertieft interessieren und dann auch als Meinungsbildner und Multiplikatoren eine wichtige Rolle spielen. Und für diese Inhalte kann nicht die Quote entscheidend sein. Wir haben zum Beispiel mit BR-alpha den einzigen Bildungskanal in der ARD und mit Bayern 2 ein sehr hochwertiges Kultur- und Informationprogramm. Das ist durch unseren Kultur- und Bildungsauftrag gedeckt, den so werbefinanzierte Sender nie einlösen könnten.

Mit Verlaub: Die Realität sieht doch eher so aus, dass man Sie mit der Maxime Masse statt Klasse beschreiben könnte.
Wilhelm: Dies ist nicht meine Haltung. Quote ist eine dienende Größe. Wir wollen zwar möglichst viele erreichen. Aber eben nicht unter starren Quotenerwartungen.

Warum müssen ARD und ZDF 50 oder 100 Millionen Euro für die Rechte an der Fußball-Bundesliga oder an der Champions League ausgeben? Das könnte man sich auch bei den Privaten angucken.
Wilhelm: Die Berichterstattung über sportliche Großereignisse ist durch den Informationsauftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gedeckt. Dies haben das Bundesverfassungsgericht und auch die EU-Kommission ausdrücklich bestätigt. Fußball gehört zur Grundversorgung. Die weit überwiegende Mehrheit der Zuschauer erwartet große Fußballereignisse bei ARD und ZDF. Ohne hier über Preise sprechen oder ihre Zahlen bestätigen zu können, als Sportrechte-Intendant der ARD konnte ich Verträge zu sehr wirtschaftlichen Konditionen abschließen.

Sie halten das für sparsam, wenn die ARD 100 Millionen Euro für die Übertragungsrechte der Bundesliga bezahlt?
Wilhelm: Sehen Sie sich die Preise und die Steigerungsraten an, die private Sender bereit waren und sind, für den Fußball zu zahlen. Der Betrag, den wir seit vielen Jahren weitgehend ohne größere Veränderung investieren, ist davon ja weit entfernt. Gleichzeitig ist die Fußball-Bundesliga das einzige Sportereignis, das über viele Monate im Jahr eine große Masse der Gesellschaft Woche für Woche intensiv beschäftigt. Olympische Spiele etwa übertragen wir in einer Form, wie sie den Wünschen der Zuschauer am besten gerecht wird, umfassend in ihrer ganzen Breite und Vielfalt über den ganzen Tag verteilt. Dies könnten die werbefinanzierten Privatsender so nicht leisten, sie würden sich auf die Häppchen beschränken.

Was halten Sie von der immer wieder geäußerten Kritik, dass ARD und ZDF auf den Massensport Fußball fixiert seien und andere Sportarten dadurch krass vernachlässigt würden.
Wilhelm: Der Eindruck ist falsch. Im Ersten und den dritten Programmen berichten wir über mehr als 100 Sportarten. Fußball hat im Ersten einen Anteil von etwa einem Viertel unserer Sportberichterstattung und der Sport insgesamt am Gesamtprogramm einen Anteil von weniger als zehn Prozent.

Das deutsche Fernsehen ist in der ganzen Welt dafür bekannt, dass bei sportlichen Großereignissen ganze Kohorten von Reportern und Technikern gleich in doppelter Stärke anrücken, die von ARD und ZDF, die sich dann täglich mit der Berichterstattung abwechseln. Muss diese Verschwendung sein?
Wilhelm: Auch hier gab es bei uns einen Bewusstseinswandel. Bei den Olympischen Spielen in London im vergangenen Jahr hatten wir das bisher zahlenmäßig kleinste Team von ARD und ZDF. Wir haben erstmals ein Studio gemeinsam benutzt. Früher war das ein Dogma, dass jeder sein eigenes Studio braucht. Auch die Anzahl der Techniker sinkt. Aber klar ist auch, dass die Zusammenarbeit von ARD und ZDF künftig noch gestärkt werden muss.

Anderes Beispiel: Bei großen gesellschaftlichen Ereignissen, etwa einer königlichen Hochzeit in England, berichten ARD und ZDF stundenlang parallel.
Wilhelm: Damals bei der britischen Hochzeit war es so, dass das Ereignis auf sechs Kanälen gleichzeitig lief. Ich war seinerzeit der Meinung, dass bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nur einer übertragen sollte, ARD oder ZDF. Es wurde damals noch anders entschieden. Mittlerweile gibt es aber Abmachungen zwischen ARD und ZDF, dass wir uns bei gesellschaftlichen Ereignissen die Berichterstattung teilen. Mit Ausnahme von großen zeitgeschichtlichen Geschehnissen.

Letzte Frage: Was macht der Tatort aus Franken?
Wilhelm: Stephanie Heckner, eine sehr erfahrene und hoch geschätzte Kollegin entwickelt derzeit dieses Format. Sie diskutiert intensiv die Fragen des Drehorts, der Entwicklung der Charaktere und des Drehbuches. Wir sind auf einem guten Weg. In ein paar Monaten können wir vielleicht schon mehr sagen.


Das Interview führten Stefan König und Gerd Schneider und ist am 15. Juni 2013 im Donaukurier erschienen.


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