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BR-Intendant Ulrich Wilhelm Festrede zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens

Am 27. Juni 2018 hat Ministerpräsident Markus Söder im Rahmen einer Feierstunde 64 Persönlichkeiten mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. Die Festrede zum Thema "Kulturstaat Bayern – was unser Land zusammenhält" hielt der Intendant des Bayerischen Rundfunks Ulrich Wilhelm (es gilt das gesprochene Wort).

Stand: 27.06.2018

Festrede von Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, bei der Verleihung im Antiquarium der Residenz München | Bild: BR/Fabian Stoffers

Wir leben in politisch unruhigen Zeiten. Jeden Tag beschäftigen uns neue Meldungen. Es ist kaum möglich, alle Entwicklungen laufend mit zu verfolgen. Unsere Welt ist kurzatmig geworden.

Umso schöner, dass Anlässe wie der heutige die Möglichkeit geben, einmal Luft zu holen, sich mit Hintergründigem zu beschäftigen, tiefer zu blicken. In einem Jahr, in dem Bayern gleich zwei wichtige Jubiläen feiert – 100 Jahre Freistaat Bayern und 200 Jahre Verfassungsstaat – möchte ich fragen, was unser Land zusammenhält.

Zentral erscheint mir dabei ein Wort aus der Bayerischen Verfassung, das in dieser Form einzigartig ist: Bayern ist ein Kulturstaat, wie es in Artikel 3 der Bayerischen Verfassung heißt.

Interessanterweise kam der Begriff des Kulturstaats eher zufällig in die Bayerische Verfassung; in den ersten Entwürfen war er nicht enthalten. Der CSU-Abgeordnete Wolfgang Prechtl beklagte in der zweiten Lesung im Verfassungsausschuss im August 1946 eine zu technokratische Sprache und bemängelte das Fehlen des Gemeinwohlgedankens. Die zwei wichtigsten Väter der Bayerischen Verfassung, Ministerpräsident Wilhelm Hoegner von der SPD und der Verfassungsrechtler Hans Nawiasky, stimmten zu. Aus einem zunächst eher umständlichen Vorschlag machte Hoegner dann die knappe Formel: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl.“

Die Frage, was mit dem Begriff des Kulturstaats unmittelbar gemeint war, wurde nicht debattiert. Aber dieser Begriff passte zur Überzeugung von Hans Nawiasky, der sagte, dass die Verfassung für dieses Bayern – Zitat – „das Bild eines Staates“ entwirft, „in dem das Leben lebenswert ist“.

Ein Land, das von Bindungskräften lebt, die deutlich von Kultur und Geschichte geprägt sind.

Natürlich gehört dazu der „Mythos Bayern“, wie ihn die diesjährige Landesausstellung im Kloster Ettal zeigt – eine sehenswerte Schau, die den Sehnsuchtsort Bayern zum Thema macht. „Wald, Gebirg und Königstraum“, so der Dachtitel der Ausstellung, die die These vertritt, dass vor allem die Alpenlandschaft konstitutiv gewesen ist für die Entstehung des Mythos Bayern, jene kollektive Vorstellung davon, was dieses Land so besonders macht.

Der langjährige Hörfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks Walter von Cube hat das bereits 1962 ganz ähnlich formuliert.

 „Die Meinungen und Vorstellungen, die über unser Land verbreitet sind, und zwar nicht bloß bei amerikanischen Reisegesellschaften, ergeben in der Tat sonderbare Bilder. Ganz Bayern ist voller Alpen, die Alpen voller Almen, die Almen voller Sennerinnen und diese voller Unschuld. Soweit Hochgebirge, Zwiebeltürme und Sennhütten Platz für weitere Architektur lassen, wird sie von Hofbräuhäusern und Bierzelten ausgefüllt, in denen jeder zum anderen „Herr Nachbar“ sagt und dann zum Maßkrug greift, welcher wie das Edelweiß, der Schmied von Kochel und Ludwig Thoma als bayerisches Symbol gilt. Ein Schuß Tirol, ein Tropfen Rom und viel Oktoberfest: das ist der Cocktail, der für bayerisch überall verkauft wird, auf unsere Kosten, leider, und zu unserem Ruhm.“

Die in der Romantik – und vor allem unter König Ludwig II. – beförderten Stereotype wirken fort bis in unsere Tage, bis in die weite Welt. Allerdings: der Mythos Bayern hätte auf Dauer nicht diese große Strahlkraft entfaltet, wenn er eine Mogelpackung wäre. Um es in der Sprache der Werbung zu sagen: Bayern hat ganz unverkennbar einen starken Markenkern – einen Markenkern, der ganz eng mit dem Verständnis von Bayern als Kulturstaat zusammenhängt.

Fest steht: Die Bayern leben ausgesprochen gerne in ihrem Land. Und das ist kein reines Wohlstandsphänomen. Der hohe Identifikationsgrad reicht weit zurück in die Vergangenheit, als Bayern noch zum ärmeren Teil Deutschlands gehörte. Dieser hohe Identifikationsgrad hat sicher damit zu tun, dass Bayern der älteste Staat Deutschlands ist, und mit dem Gefühl, irgendwie und sowieso etwas Besonderes zu sein. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich der Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner nach dem Krieg dafür ausgesprochen hat, Bayern etwas altmodisch als „Freistaat“ zu bezeichnen.

Schon König Ludwig I. hatte sich 1848 in seiner Rücktrittserklärung dieses Wortes bedient, das zwar im Prinzip nichts anderes als Republik bedeutet, im bayerischen Kontext aber schon sehr früh eine zusätzliche Konnotation erhalten hat. Der Revolutionär Kurt Eisner benutzte die Vokabel als bewusste Abgrenzung vom „System des Preußentums“. Und bis heute trägt das Wort Frei-staat einen besonderen Anspruch auf Selbstbestimmung in sich.

Diese Abgrenzung, dieses Anders-Sein, das mitunter auch zu konfrontativen Situationen führen kann, begegnet uns immer wieder in der bayerischen Geschichte. Schon der Bayernherzog Tassilo III. kämpfte vor über 1.200 Jahren für bayerische Eigenstaatlichkeit und kam deshalb in Konflikt mit Kaiser Karl dem Großen.

Und der im Münchner Frauendom bestattete Kaiser Ludwig stellte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts sogar selbstbewusst gegen die nach seiner Überzeugung falschen und anmaßenden päpstlichen Machtstrukturen.

Er tat dies auf eine typisch bayerische Art und Weise: Überzeugt von seiner Mission ließ er sich gegen den Willen des Papstes zum Kaiser krönen, gleichzeitig versammelte er einige der klügsten europäischen Köpfe in München, um der päpstlichen Propagandamaschine Paroli bieten zu können. Dafür wurde er dann abwertend als „bavarus“, als „der Bayer“ bezeichnet, was ihn heute für viele nur umso verehrungswürdiger macht. „Kaiser Ludwig der Bayer“ – das ist Balsam für bayerische Ohren.

Dabei liegen die Anfänge unseres Volkes in einer historischen Grauzone. Jahrzehntelang hieß es, die Bayern seien aus dem heutigen Böhmen zugewandert. Schon lange wissen wir, dass das nur ein kleiner Teil der Wahrheit gewesen sein kann. Tatsächlich ist die Sache viel aufregender.

In aller Kürze: Die Bayern verdanken ihre Existenz einem äußerst erfolgreichen „Integrationsprojekt“ – so würde man das heute vielleicht bezeichnen. Kelten und Römer, Böhmen und Italiener, Schwaben und Franken, Preußen und Sudentendeutsche … schon seit der Antike ist unser Landstrich ein gut funktionierender Schmelztiegel. Was wäre Bayern beispielsweise ohne die wichtigen Städtegründungen aus der römischen Epoche? Was ohne den italienischen Barock? Was wäre bayerische Blasmusik ohne die Einflüsse aus Böhmen? Was die bayerischen Dialekte ohne die schönen Wörter aus napoleonischer Zeit? Und schließlich: Was wäre das heutige Bayern ohne all diejenigen, die im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zu uns gekommen sind, um hier heimisch zu werden?

Die Bayern haben es stets verstanden, von anderen zu lernen und ihre eigene Kultur auf diesem Weg immerfort zu bereichern. Die Mischung aus Selbstbewusstsein und Offenheit wirkt offenbar auch auf Zugereiste äußerst anziehend. So zeigen die Bayern-Studien des Bayerischen Rundfunks, dass sich gerade Neubürger tendenziell zu besonders überzeugten Bayern entwickeln.

Zu dieser positiven Bewegung gehört freilich auch, dass Bayern keineswegs ein monolithischer Block ist – das Gegenteil ist richtig. Besonders schwer taten sich lange Zeit die Franken, über die Walter von Cube vor fast 60 Jahren sagte:

„… sie fühlen sich vereinnahmt und verletzt, vernachlässigt und nicht hinreichend gewürdigt. Was Bayern 1871 geschah, geschah ihnen in dem Jahrzehnt 1805 bis 1815; der Verlust der Selbständigkeit. Während die geistlichen Fürstentümer Würzburg und Bamberg sich im neuen Königreich leichter einrichteten, behielten die weltlichen Ansbach-Bayreuth und die Reichsstädte, vor allem Nürnberg, eine spürbare Protesthaltung bei, die sich bis heute nicht ganz verloren hat. Und so wenig ein gewisser bayerischer Argwohn gegenüber Bonn mit dem Hinweis auf die dortigen aus Bayern stammenden Minister zu beschwichtigen ist, so wenig lässt sich der fränkische Argwohn beschwichtigen durch die Tatsache, dass Bayern vorwiegend von Franken regiert wird.“

Doch ich denke: Bayerns Kraft hat – so paradox das klingen mag – auch damit zu tun, dass dieses Staatswesen bis heute keine einheitliche, überall deckungsgleiche Identität vorweisen kann, sehr wohl jedoch eine hohe Identifikation mit dem Staatsganzen.

Dazu gehören – im Sinn eines weiter verstandenen Kulturstaatsbegriffs – gerade viele „weiche“ Faktoren. Da ist die bereits erwähnte Landschaft: nicht nur „Wald und Gebirge“, sondern die Natur in ihrer ganzen Vielfalt. Vom Donaumoos bis zu den Weinbergen und dem Steigerwald in Franken. Vom Bayerischen Wald bis zum Nördlinger Ries. Aus unseren Umfragen wissen wir, wie wichtig den Menschen in Bayern die Schöpfung ist, die sie unbedingt bewahrt wissen wollen. Die Gefahr der Zersiedelung wird mit großer Sorge gesehen. Die überwiegende Mehrheit der Bayern ist sich dessen bewusst, dass die Natur äußerst wichtig ist für die hohe Lebensqualität hierzulande.

Schon seit 1946 spricht die Bayerische Verfassung in ihrem Artikel 141 von der Verantwortung des Staates und der Gemeinden für den Schutz der Natur sowie der Landschaft“, ebenso davon, „dass der deutsche Wald … und die heimischen Tier- und Pflanzenarten“ zu schützen, zu schonen und zu erhalten sind. Der große Verfassungsrechtler Hans Zacher hat darauf hingewiesen, dass das 1994 in das Grundgesetz aufgenommene Staatsziel Umweltschutz schon seit 1946 in der Bayerischen Verfassung verankert war. Der Artikel 141.3, der das Recht auf den „Genuß der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur“ dokumentiert, war, wie es Hans Zacher schrieb, „das verfassungspolitische Kuriosum jener Zeit. Mittlerweise – so Zacher weiter – wissen wir, wie seherisch diese Vorschrift war.“

Nicht zufällig wurde in Bayern 1970 das erste Umweltministerium in Deutschland gegründet – als Versuch, den Schutz von Mensch und Natur schon bei der Landesentwicklung mitzudenken. Ministerpräsident Alfons Goppel sprach damals von der Gründung eines „Konflikt-Ministeriums“, was Anfang der 70er Jahre wirklich ein revolutionärer Ansatz war. Vielleicht auch deshalb, weil auf der politischen Bühne in Bayern schon jahrzehntelang Heimat- und Naturschützer präsent waren – mehr als anderswo aktiv und für die jeweils Herrschenden mitunter unbequem.

Was uns zu einer weiteren bayerischen Tugend führt, die mit vernunftgesteuertem Anarchismus vielleicht am ehesten beschrieben werden kann. Das ist ein Phänomen, das wir auch aus südlichen Ländern kennen: Wenn sich Politiker im Eifer des Gefechts womöglich verrennen und offenkundig unvernünftige Entscheidungen treffen, verfügen die Bayern über ausgeprägte Selbstregulierungskräfte.

Allerdings ist die Fehlerquote hierzulande relativ gering, was auch daran liegen dürfte, dass sich Bayerns Regierende seit Montgelas‘ Zeiten auf einen äußerst effektiven Verwaltungsapparat verlassen können. Mit der Folge, dass Bayern seine Interessen nicht zuletzt deshalb auffällig gut zu vertreten weiß. Immer wieder stellen sich Beobachter in Europa die Frage, warum der Freistaat überdurchschnittlich viel Einfluss auf Entscheidungen in Deutschland und der Europäischen Union nehmen kann. Dahinter stecken nicht selten hervorragend ausgebildete bayerische Beamte.

Bayerns Herrscher haben schon früh erkannt, dass es sich auszahlt, begabte junge Menschen konsequent, d. h. ohne soziale Selektion zu fördern. Denken wir nur an die Stiftung Maximilianeum, für die die familiäre Herkunft ihrer Stipendiaten keine Rolle spielt.

Ein Kulturstaat ist eben – wie es der von Hans Nawiasky begründete Standardkommentar zur Bayerischen Verfassung schreibt,

„ein Staat, der das kulturelle Erbe des Volkes pflegt, die freie geistige, künstlerische und religiöse Entfaltung seiner Angehörigen – unter Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung und der Rechte Dritter – fördert und, soweit erforderlich durch eigene Einrichtungen, gleiche Erziehungs- und Bildungschancen für alle schafft.“

In diesem Zitat wird auch der womöglich wichtigste Faktor für den bayerischen Erfolg genannt – das kulturelle Erbe, das Kreative, um das uns viele beneiden, und auf das die Menschen nicht selten noch mehr stolz sind als auf wirtschaftliche Erfolge.

Um ein Beispiel aus Franken zu nennen – denken Sie an Albrecht Dürer. Ihm und vielen anderen herausragenden Künstlern haben wir es zu verdanken, dass die Menschen in Bayern ein starkes Gespür für Ästhetik entwickelt haben. Ob in der Kunst, in der Musik, in der Sprache oder in der Baukultur – immer wieder beweisen die Menschen in Bayern, dass sie zwischen hässlich und schön, zwischen geschmacklos und geschmackvoll zu unterscheiden wissen.

Gerade in der Welt der Kultur sind auch die Einflüsse von außen besonders spürbar, zum Beispiel beim in Bayern so beliebten polyphonen Gesang, der seine Prägung durch den romanischen Sprachraum schwerlich verleugnen kann. Ein Orlando di Lasso beispielsweise hat nicht zufällig den Weg hierher an die Münchner Residenz gefunden, an den Ort, der dem heutigen Ereignis einen so festlichen Rahmen gibt.

Die Offenheit und die Großzügigkeit der bayerischen Herrscher für alles Kulturelle stecken ursprünglich auch hinter dem bekannten Begriff von der „Liberalitas Bavarica“, der in den Jahren nach dem Krieg noch mit vielen anderen positiven Werten aufgeladen wurde, weil er so schön passt zur großen Toleranz und Gastfreundschaft, die viele Menschen in Bayern auszeichnet.

Dieses Land war in seinen besten Zeiten stets ein offenes System, liberal und weltoffen, angelegt auf Interessenausgleich zum Wohle aller. Ein Land, das dabei auch am Widerspruch gewachsen ist. Legendäre Wilderer, vorlaute Kutscher, aufmüpfige Schriftstellerinnen, beeindruckende Schauspieler, freche Kabarettistinnen, mutige Pfarrer … die großen Helden kamen in Bayern oft aus dem Volk. Sie haben keine Kriege gewonnen, aber oft der Moral und dem gesunden Menschenverstand zum Durchbruch verholfen.

Diesen Typ Mensch, der es versteht, sich oft mit Witz und stets intelligent an der Obrigkeit zu reiben, gibt es bis heute. Es sind jene Frauen und Männer, die seit Jahrzehnten auch die Programme des Bayerischen Rundfunks bereichern und so letztlich auch stilbildend für das ganze Land gewirkt haben.

Ob Dieter Wieland, Gerhard Polt, die Wellküren und die Gebrüder Well, Helmut Dietl oder Marcus H. Rosenmüller … die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen – nicht zuletzt mit Namen der Menschen, die heute hier ausgezeichnet werden – das kreative Bayern ist heimatbewusst und weltoffen zugleich. Ja, das feingeistige und kulturelle Bayern trägt immer den Funken der Rebellion in sich und sorgt damit für die nötige Veränderung, die eine Gesellschaft braucht, um lebendig zu bleiben.

Wir sind gut beraten, wenn wir das Gespür für die regionale Vielfalt unseres Landes bewahren. Und genau das passiert vielerorts in Bayern – mit dem Ergebnis, dass der Mythos Bayern über die Jahre sogar noch stärker geworden ist – auch und gerade bei jungen Menschen, die sich heute stärker mit ihrer Heimat identifizieren als in früheren Jahrzehnten. Ein Erfolg, der viele Mütter und Väter hat und der mit Provinzialismus nichts zu tun hat, viel eher mit fester Verankerung.

Walter von Cube hat das fast lyrisch formuliert:

„Bayern hat auch Zeit. Weil Zeit nicht Geld, sondern Geschichte ist. Raum und Zeit machen unseren Reichtum aus; er ist unabhängig vom Besitz. Nicht das Haben-Wollen, sondern das Sein-Wollen formt das bayerische Volk. Sein-Wollen. So-sein-Wollen.“

Auch Ihnen, den Trägern des Bayerischen Verdienstordens aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, kommt eine wichtige, eine kulturprägende Rolle zu: Sie sind Menschen, die Herausragendes zum Wohle des bayerischen Volkes geleistet haben. Menschen mit einer Vorbildfunktion, die mithelfen können, dass die sozialen, geistigen und kulturellen Wurzeln dieses Landes nicht verdorren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in nahezu allen Gesellschaften Europas sehen wir aktuell eine wachsende Polarisierung und Spaltung. Immer mehr so genannte Filterblasen entstehen, in denen sich Menschen mit Gleichgesinnten gegenseitig bestätigen, emotional aufputschen und an einfachere Lösungen glauben. Dabei ist die Welt komplizierter denn je. Wer glaubt allen Ernstes, dass uns einfache Antworten wirklich weiterhelfen?

Was wir stattdessen brauchen, ist die Fähigkeit zum vernetzten Denken und die Erkenntnis, dass uns – bei aller unbestrittenen Bedeutung, die die Wirtschaft hat – ökonomisches Denken allein nicht hilft.

Nein: Kultur und das soziale Miteinander sind langfristig genauso wirkmächtig für Bayern und die bayerische Identität. Jedenfalls ist das meine Lehre aus der bayerischen Geschichte, die Tag für Tag von den Menschen in diesem Land bestätigt wird. Kaum sonst wo gibt es so viele Bürgerinnen und Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren: in der Kultur, im Naturschutz, in der Kirche, im Sport oder im sozialen Bereich. Dieses Land ist durchzogen von einem Wurzelgeflecht großartiger Initiativen, die alle gemeinsam haben, dass sie aus Freiheit, Eigenverantwortung und einem Verantwortungsgefühl für den Nächsten wachsen und damit den Kulturstaat Bayern mitprägen.

Das sind keine schlechten Voraussetzungen in einer Welt, in der wir alle lernen müssen, Kommunikation neu zu leben.

Demokratische Gesellschaften brauchen einen gemeinsamen, offenen und integrierenden Raum für politische Diskussion, für den Austausch von Argumenten im permanenten Ringen um Konsens.  Wenn es uns gelingt, den gesellschaftlichen Dialog in diesem Land am Leben zu halten, hat Bayern auch in Zukunft gute Karten. Weltoffen, modern und im Bewusstsein seiner alten Stärken.


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