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Des "Kinis" Nachruhm Die Kultfigur

Der König ist tot, es lebe der König! Nach diesem Motto hat Ludwig seinen bis heute ungebremsten Siegeszug in Sachen Popularität angetreten. Das kollektive Schwärmen setzte allerdings erst nach seinem Tod ein - als er sich dagegen nicht mehr wehren konnte.

Stand: 20.05.2011 | Archiv

 Königstreue stehen am 12.06.2016 in Berg (Bayern) bei einer Gedenkfeier für Bayerns König Ludwig II zusammen und halten dabei ein Bild von Ludwig II in den Händen. | Bild: picture-alliance/dpa/Sven Hoppe

Zu Lebzeiten empfand Ludwig allzu große Zuneigungsbezeugungen von Seiten des Volkes als lästig und aufdringlich. "Ovationsgebrüll", wie er es nannte, mochte er nicht. Ein "Volkskönig" war Ludwig sicher nicht. Nur widerwillig nahm er "bürgernahe" Repräsentationstermine wie Militärparaden oder die Teilnahme am Fronleichnamszug wahr. Ein einziges Mal ließ er sich - gerade frisch zum König gekürt - auf dem Münchner Oktoberfest sehen, denn "patriotische Bierstimmung" war ihm verhasst. Dennoch wird er dort heutzutage mit seinem Konterfei auf Biergläsern oder -deckeln vereinnahmt. Ein gewisse Verbundenheit fühlte er allenfalls mit der bäuerlichen Bevölkerung in seinem geliebten Voralpenland.

Der König wird Popstar

Ludwig zwei als Osterei

Nur wenige Wochen nach Ludwigs Tod machte man Neuschwanstein der Öffentlichkeit zugänglich. Die eigenwillige Architektur sollte aller Welt beweisen, wie wahnsinnig der König war. Der gegenteilige Effekt trat ein: Die Leute waren begeistert und sind es noch heute. Ludwig und seine Schlösser wurden populär.

Neuschwanstein als Andy Warhol Pop art (Ausschnitt) | Bild: Andy Warhol Museum Pittsburgh

Neuschwanstein als Pop art à la Andy Warhol ...

Als touristische Hauptattraktion Bayerns zieht Neuschwanstein jährlich 1,3 Millionen Besucher aus aller Welt an. Wäre dem nicht so, hätte Andy Warhol, der ein sicheres Gespür für Massenwirksamkeit hatte, auch keine Pop art-Version daraus gemacht.

... oder als Mousepad

Der Ludwig-Kult nahm seinen Lauf. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem königlichen Eigenbrötler wich einer großen Sympathie - auch wenn er sie zum Teil vermutlich einem Mitleid-Bonus verdankt, der später auch anderen "Königinnen" des Herzens mit tragischem Schicksal zugute kam.

Man denke nur an Sisi, die mit einer Feile erstochen wurde, an Grace Kelly oder Lady Di, beide durch einen Autounfall getötet. In immer mehr bayerischen Wohnzimmern gab es neben dem Herrgotts- auch einen Ludwigswinkel. Heutzutage sind der "Kini" bzw. seine Schlösser Ziergegenstand bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten.

Der König wird Film- und Musical-Star

Ludwigs Schicksal fand Eingang in Theater, Film und Fernsehen. 1955 drehte Helmut Käutner den Streifen "Ludwig II." mit O. W. Fischer in der Titelrolle.

1972: Helmut Berger als Ludwig

Cineastischer Ludwig-Höhepunkt war aber zweifellos 1972 die ungeschminkte Version des italienischen Regisseurs Luchino Visconti, mit Helmut Berger als Ludwig und Romy Schneider als Kaiserin Elisabeth - im Gegensatz zu ihren "Sissi"-Filmen aus den 1950er-Jahren diesmal unverkitscht.

Ein Pleiten-Musical

Im April 2000 startete man in Füssen ein ehrgeiziges Musical-Projekt. "Ludwig II. - Sehnsucht nach dem Paradies" sollte Publikumsmagnet am Originalschauplatz werden. Das Zuschauerinteresse entsprach aber mit der Zeit nicht mehr den Erwartungen der Veranstalter.

Szene aus dem Füssener Ludwig-Musical

Wie der echte hat auch der Bühnen-Ludwig Schulden in Millionenhöhe aufgehäuft. Der Ludwig-Musical-Betrieb in Füssen wurde daher eingestellt; dem Nachfolger-Musical "Ludwig²-Der Mythos lebt" erging es nicht anders.

Guglmänner und andere Königstreue

Ist vom Kult die Rede, darf man natürlich nicht diejenigen vergessen, die der "guten alten Zeit" nachtrauern. Gute alte Zeit definieren sie dadurch, dass es einen König gab. Dieser muss nicht unbedingt Ludwig II. heißen, darf aber. Und heißt er Ludwig II., so muss man als Königstreuer alljährlich am 13. Juni in voller Trachtmontur an den Starnberger See pilgern und mit gebührendem Pomp "Kinis" Todestag gedenken. Fast 10.000 Mitglieder haben die vielen Monarchisten-Vereine zwischen Garmisch und Bamberg inzwischen.

Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Eine besondere Abteilung der Königstreuen stellen die so genannten "Guglmänner" dar. In ihren schwarzen Kapuzengewändern könnte man sie glatt mit der Trauerfraktion des Ku Klux Klans verwechseln. Doch es handelt sich lediglich um einen Geheimbund, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die "wahren" Umstände von Ludwigs Tod zu klären. Getreu der Maxime, dass nicht sein kann, was nicht sein darf, wärmen sie regelmäßig die Theorie auf, dass sich der König nicht selbst umgebracht hat, sondern feige ermordert wurde. Das Andenken Ludwigs darf selbstverständlich nicht beschädigt werden.

Wahre Königstreue heißen "Guglmänner".

Daher reagierten die Guglmänner 1998 tendenziell humorlos auf die Punk-Oper "Ludwig II. - die volle Wahrheit" des bayerischen Kabarettisten Georg Ringsgwandl - und demonstrierten gegen die Aufführung an den Münchner Kammerspielen.


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