Im Oktober 2016 haben Tübinger Ärzte die erste Uterustransplantation Deutschlands durchgeführt. Inzwischen haben zwei Frauen mit gespendeter Gebärmutter jeweils ein Kind zur Welt gebracht: eins im März und eins Mitte Mai 2019. Damit haben die beiden Frauen weltweit das 15. beziehungsweise 17. Kind zur Welt gebracht, das in einer transplantierten Gebärmutter herangewachsen ist. Das gab das Universitätsklinikum Tübingen am 23. Mai 2019 bekannt.
Schweden ist Vorreiter bei der Gebärmuttertransplantation
Im Jahr 2014 kam in Schweden das erste Kind auf die Welt, nachdem seiner Mutter eine Gebärmutter transplantiert worden war. An den Organverpflanzungen in Tübingen waren ebenfalls Ärzte aus Göteborg um Mats Brännström beteiligt, die als Pioniere auf dem Gebiet der Gebärmuttertransplantation gelten.
Frauen ohne Gebärmutter können eine Organspende bekommen
Die beiden Patientinnen in Tübingen waren aufgrund einer angeborenen Fehlbildung - dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom - ohne Gebärmutter geboren worden. Ihre Spenderinnen waren ihre leiblichen Mütter. Das Alter der Spenderin ist von geringer Bedeutung, so die Experten, weil die eingesetzte Gebärmutter mit Hormonen stimuliert werden kann. Wegen der Abstoßungsreaktion eignen sich in der Regel nur enge Verwandte für eine Organspende.
Uterustransplantation kann eine Schwangerschaft ermöglichen
Nach dem Eingriff müssen die Frauen ungefähr ein Jahr warten, bis die Gebärmutter gut angewachsen ist, ihre Funktion aufnimmt und auch die Menstruation regelmäßig einsetzt. Dann ist eine Schwangerschaft grundsätzlich denkbar. Nach dem Eingriff müssen die behandelten Frauen - wie bei jeder Organspende - dauerhaft Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrücken und eine Abstoßungsreaktion verhindern.
Auf die Gebärmuttertransplantation folgt eine künstliche Befruchtung
Den Patientinnen in Tübingen wurden Eizellen aus ihren vorhandenen Eierstöcken entnommen, mit dem Samen des Partners befruchtet und eingefroren, um sie dann später in die transplantierte Gebärmutter einzusetzen. Eine Befruchtung auf natürlichem Wege wäre nicht möglich gewesen, weil die Frauen keine Eileiter haben. Etwa zweieinhalb Jahre vergingen von der ersten Transplantation bis zur Geburt der Kinder.
Spenderorgane sollten von lebenden Frauen stammen
Aber nicht in allen Fällen kommt es nach der aufwändigen Prozedur zur erhofften Schwangerschaft. Mediziner haben bisher die meisten Erfolge, wenn sie die Gebärmutter einer lebenden Spenderin einsetzen, was auch die Regel ist. Bisher gibt es erst einen Fall in Brasilien, wo 2017 eine Frau ein Kind zur Welt brachte, nachdem ihr der Uterus einer Verstorbenen eingepflanzt worden war.
Manche Frauen besitzen keine Gebärmutter
In Deutschland leben etwa 15.000 Frauen, die ihre Gebärmutter sehr früh verloren oder nie besessen haben. Diese Frauen hatten bisher nur die Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren, ein Pflegekind aufzunehmen oder sich auf eine Leihmutterschaft einzulassen, was aber in Deutschland verboten ist.
Gebärmutterspende ist ethisch umstritten
Der medizinisch machbare Weg, mit gespendeter Gebärmutter schwanger zu werden, ist ethisch sehr umstritten. Der Grund: Die gesunde Spenderin muss sich einer mehrstündigen Operation unterziehen, die Gefahren birgt. Sie hilft damit einer Frau mit Kinderwunsch, wobei nicht sicher ist, ob es letztlich zum erhoffen Nachwuchs kommen wird.
Unerfüllter Kinderwunsch ist keine lebensbedrohliche Krankheit
Der unerfüllte Kinderwunsch kann zwar eine große psychische Belastung darstellen, ist aber keine lebensbedrohliche Erkrankung. Ethiker fragen: Ist der Wunsch nach Kindern wichtig genug, um einer anderen lebenden Frau den Uterus zu entnehmen?
„Ich bin eher skeptisch und halte die Uterustransplantation für ein nicht-verhältnismäßiges Mittel, einer Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen.“ Claudia Bozzaro, Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Mögliche Folgen der Immunsuppressiva für Mutter und Kind
Unklar ist auch, ob die Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken und auch während der Schwangerschaft eingenommen werden müssen, eventuell längerfristig zu Schäden bei den Müttern und ihren Kindern führen können. Denn Immunsuppressiva haben Nebenwirkungen. Um zu vermeiden, dass die Patientin ein Leben lang Medikamente nehmen muss, wird die Gebärmutter wieder entnommen, wenn der Kinderwunsch erfüllt ist. "Spätestens nach dem zweiten Kind werden wir die Gebärmutter wieder entfernen", berichtet Sara Brucker, die Leiterin der Frauenklinik Tübingen.
Es gibt viele Hilfesuchende, aber wenige Organspenderinnen
Experten sind sich einig, dass eine Organtransplantation mit dem Ziel, eine Schwangerschaft zu ermöglichen, keine Standardtherapie werden wird. Das scheitert nicht nur an den ethischen Bedenken, sondern auch an der geringen Zahl der Spenderinnen, die diesen Schritt gehen würden. Sara Brucker fordert eine öffentliche Debatte, wie weiterhin mit dem Thema umgegangen werden soll.
"Ein Kinderwunsch und der Wunsch, Mutter zu werden, ist ein ganz natürliches Bedürfnis. Und da in Deutschland eine Leihmutterschaft nicht möglich ist, blieb uns nur die Möglichkeit der Gebärmuttertransplantation." Sara Brucker, ärztliche Direktorin am Forschungsinstitut für Frauengesundheit in Tübingen
Es geht nicht um Leben oder Tod - aber um Lebensqualität
Unklar ist auch, wer die Kosten des Eingriffs tragen soll. Die Transplantation kostet etwa 50.000 Euro. Verhandlungen mit den Krankenkassen gibt es bereits. Doch noch ist umstritten, ob die Solidargemeinschaft überhaupt standardmäßig für die Kosten aufkommen soll, weil es bei dem Eingriff eben nicht um Leben und Tod geht wie etwa bei einer Herztransplantation. Um Lebensqualität jedoch sehr wohl: "Lebensqualität-Einschränkung ist unbestritten bei diesen Patientinnen vorhanden", sagt Oberarzt Thomas Hildebrandt von der Erlanger Frauenklinik.
Gebärmuttertransplantation ist vorerst nur wenigen Frauen möglich
Im deutschsprachigen Raum gibt es Gebärmuttertransplantationen bislang nur im Rahmen von Forschungsprojekten. "Für eine Routineoperation ist das Verfahren zu komplex", sagt Sara Brucker. Der neue Weg zum leiblichen Kind wird also vorerst nur wenigen Frauen offenstehen. In Bayern soll das Universitätsklinikum Erlangen künftig zum Zentrum für Uterustransplantationen ausgebaut werden.