Eine Zecke (Holzbock) auf einem Grashalm
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Zeckensaison: Die Zecken sind immer früher aktiv

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FSME-Risiko: "Wir können uns nirgendwo mehr richtig sicher sein"

Eigentlich beginnt die Hochsaison der Zecken im April. Aber aufgrund der Klimaerwärmung sind die Blutsauger fast ganzjährig unterwegs - und in jedem Bundesland. Deswegen ist es wichtig, sich nach jedem Spaziergang auf Zecken zu kontrollieren.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Hochsaison haben Zecken gewöhnlich von April bis Ende Oktober. Sie können auf Mensch und Tier gefährliche Krankheiten übertragen wie die Lyme-Borreliose oder die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Während es für die FSME eine vorbeugende Impfung gibt, steht für die Borreliose kein Impfstoff zur Verfügung. Infektionen können aber mit Antibiotika behandelt werden. Deswegen sollte man Kinder, Hunde und Katzen - oder wer immer sich gerne im Grünen tummelt - nach jedem Spaziergang untersuchen, um Zecken vor dem Stich zu finden oder sicher entfernen zu können.

Mildes Wetter lässt Zecken früher aktiv werden

Auf die Hochsaison der Zecken ist aufgrund der Klimaerwärmung allerdings kein Verlass mehr. So sorgen die milden Durchschnittstemperaturen dafür, dass Zecken hierzulande fast ganzjährig aktiv sind. Bei mildem Wetter sind die Blutsauger nämlich schon deutlich früher durstig, denn die Zeckenaktivität wird unter anderem von der Temperatur und damit zusammenhängend von der Luftfeuchtigkeit bestimmt, sagt Prof. Dr. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.

Milde Winter haben Auswirkung auf Zahl der Zecken

In milden Wintern verlassen Zecken ihre Winterstarre früher und lauern auf ein Blutopfer: Die Aktivität des Gemeinen Holzbocks kann bei einer Temperatur über 3-5°C aktiviert werden, so Dobler. Die Auwaldzecke verträgt sogar noch niedrigere Temperaturen und kann auch bis 0 Grad Celsius oder darunter aktiv sein, soweit kein oder nur wenig Schnee liegt. Vor allem in Städten lässt sich häufiger beobachten, dass Zecken schon im Winter aktiv sind, da die Temperaturen dort im Schnitt noch wärmer sind als auf dem Land.

FSME-Virus in wärmeren Wintern aktiver

Da die Wintertemperaturen immer häufiger sehr hoch ausfallen, wird schon seit mehreren Jahren die sogenannte Winteraktivität der Zecken beobachtet, sagt Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim in Stuttgart: "Das bedeutet auch, dass die Gefahr von Infektionen deutlich früher droht und sehr hoch ist." Das bestätigt auch Gerhard Dobler: "Damit verlängert sich der Zeitraum der Zecken-Aktivität über das Jahr gesehen um Tage bis Wochen. Dies ist auch am immer früheren Auftreten der durch Zecken übertragenen Krankheiten zu beobachten."

Milde Winter haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Dauer der Zecken-Saison: "Es scheint so zu sein, dass insbesondere das Nymphenstadium des Holzbocks den Winter besser überlebt und damit im Frühjahr in weitaus größerer Zahl auftritt als in den Jahren vorher. Durch die erhöhten Zahlen erhöht sich auch die Zahl infizierter Zecken und damit das Expositionsrisiko, sich zu infizieren", sagt Dobler. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Tschechien, Österreich und der Schweiz gäbe es einen Anstieg bei den FSME-Zahlen, sagt Dobler. "Wir glauben, dass der Klimawandel dabei eine Rolle spielt. Wir wissen nur noch nicht, wie." Eine Hypothese sei, dass das Virus wegen der wärmeren Winter aktiver sei, weil auch die Zecken früher im Jahr aktiv seien.

Wird 2024 ein Zeckenjahr?

FSME-Infektionen bei Menschen sind meldepflichtig. Zwar ist die Zahl der FSME-Fälle von 627 Fällen (2022) auf 527 im vergangenen Jahr gesunken, so das Robert Koch-Instituts (RKI), trotzdem warnen Experten vor falschen Schlüssen: "Die Entwicklung ist trügerisch [...] Der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben", sagte Rainer Oehme, Laborleiter des Landesgesundheitsamts im baden-württembergischen Gesundheitsministerium. Das laufende Jahr könne ein ausgeprägtes Zecken-Jahr werden, sagt Mackenstedt. Die Forschung identifiziere - vor allem in Baden-Württemberg - immer mehr sogenannte Naturherde, also räumlich begrenzte Gebiete mit Zecken, die den FSME-Erreger in sich tragen.

"Wir können uns nirgendwo mehr richtig sicher sein"

Vor allem in Bayern und Baden-Württemberg besteht ein erhöhtes Risiko, sich mit FSME zu infizieren, meint das RKI. Auf diese beiden Bundesländer entfallen etwa 85 Prozent der FSME-Fälle. Oehme schließt aber keine Region mehr aus: "Auch im Norden und Osten Deutschlands steigen die Fallzahlen massiv, beispielsweise in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen oder Thüringen." Mackenstedt sieht ganz Deutschland als "Endemie-Gebiet für FSME bei allen regionalen Unterschieden". Sie warnt: "Wir können uns nirgendwo mehr richtig sicher sein."

Hohe Dunkelziffer bei FSME-Infektionen

Das RKI erfasst nur die gemeldeten Fälle. Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Viele FSME-Infektionen werden nicht als solche erkannt. Prof. Dobler hat im badischen Ortenaukreis Blutproben von Blutspendenden untersucht, wobei er dank eines neuen Testverfahrens zwischen Antikörpern aus einer Impfung und aus einer Infektion unterscheiden kann. Das Ergebnis hat ihn überrascht: "Wenn man die nicht erkannten Infektionen einbezieht, ist das Risiko einer FSME-Infektion in dem Kreis um ein siebenfaches höher als bisher angenommen", sagte Dobler. "Das Infektionsgeschehen ist also sehr hoch, auch wenn eine Infektion nicht immer zur Erkrankung führt."

Auwaldzecke überträgt ebenfalls FSME und Borreliose

Als Haupt-Übeltäter für die Virus-Infektion FSME galt der Gemeine Holzbock, die häufigste Zeckenart in Bayern. Aber er hat als Krankheitsüberträger in der Auwaldzecke zweifelhafte Konkurrenz bekommen. Denn auch sie kann Borreliose und das FSME-Virus übertragen.

Die Auwaldzecke ist etwas größer als der Gemeine Holzbock. Statt des rot-braunen Hinterleibs ist ihr Körper grau und marmoriert. Sie lebt auf sonnenexponierten Wiesenflächen und in lichten Wäldern (auch in Überschwemmungsgebieten). Für Hundebesitzer wichtig zu wissen: Die Auwaldzecke ist auch als Überträger von Babesien-Bakterien bekannt. Diese lösen bei Hunden die Hundemalaria aus.

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Auwaldzecken vertragen auch Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Zecken zeitnah entfernen

Zecken müssen schnell entfernt werden. Denn je länger die Zecke im Körper bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie krankmachende Erreger überträgt - wenn sie tatsächlich infiziert ist. Im Gegensatz zur FSME wird die Borreliose nicht sofort beim Stich übertragen.

Man vermutet, dass nach etwa zwölf bis 24 Stunden Saugzeit die Zecke so vollgesogen ist, dass sie einen Teil des bereits aufgesogenen Blutes wieder in die Wunde abgibt. Dabei können Borrelien in den menschlichen Blutkreislauf gelangen.

Eingeschleppte Zeckenarten - Beispiel Hyalomma-Zecke

Weltweit gibt es rund 900 Zeckenarten. Mit der Klimaerwärmung könnten auch neue Arten hierzulande Fuß fassen, sagt Volker Fingerle vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Ein Beispiel ist die sogenannte Hyalomma-Riesenzecke, die in den Trocken- und Halbtrockengebieten Afrikas, Asiens und Süd-Europas beheimatet ist.

Laut Dobler gäbe es keine Hinweise darauf, dass aufgrund der milden Winter fremde Zeckenarten einwandern oder überleben können. Allerdings gibt es Fälle von eingeschleppten Zecken: "Veränderte Wetterbedingungen und Klimawandel können dazu führen, dass neue Zeckenarten einwandern oder eine längere Zeit überleben können. In den letzten Jahren ist die Zeckenart Hyalomma vermehrt aufgetreten, die mit Zugvögeln nach Deutschland gebracht wird und sich unter bestimmten Wetterbedingungen (hohe Temperaturen, lange Trockenperioden) zu einer erwachsenen Zecke häuten kann. Bisher gibt es noch keine Anzeichen dafür, dass sich stabile Populationen von Hyalomma etablieren konnten. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass es zu Überwinterungen kommt. Dies scheint aber im Moment noch die Ausnahme zu sein," sagt Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Fachgebiet Parasitologie an der Universität Hohenheim.

Zu befürchten ist aber, dass das Klima sich so entwickelt, dass die Hyalomma-Zecke den Winter übersteht, oder dass sie sich anpasst, sagt Fingerle.

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Links ein Exemplar des "gemeinen Holzbocks", rechts eine Hyalomma-Zecke.

Hyalomma-Zecke geht gezielt und schnell auf die Jagd

Die Hyalomma-Zecke wird dreimal so groß wie normale Zecken, hat gestreifte Beine und überträgt gefährliche Krankheiten.

Während die bei uns heimischen Holzbock-Zecken blinde Lauerjäger sind und auf Gräser und Büsche klettern, um dort auf einen vorbeikommenden Wirt zu warten, der sie abstreift und mitnimmt, ist die Hyalomma-Zecke eine Jagdzecke: Sie geht gezielt auf die Jagd nach Wirten, nimmt Tiere und Menschen über ihre Augen und chemische Prozesse wahr, und läuft dann auf sie zu. Dabei bewegt sie sich spinnenähnlich schnell.

Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.

Dieser Artikel ist erstmals am 20.02.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

Im Video: Wie wird man eine Zecke los?

Schriftzug "How to kill a Zecke" mit einer grafisch dargestellten Zecke
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Zecken sind widerstandsfähig. So wird man sie los.

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