Bilder von Plastikmüll im Meer sind allgegenwärtig. Aber auch im Süßwasser, in Flüssen und Seen, ist Plastikmüll ein Problem. Wie groß die Umweltschäden sind und was man dagegen tun kann, das ist diese Woche Thema bei einer europäischen Forschertagung in Paris.
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Mikroplastik in bayerischen Seen
Als ein Team des Bayreuther Biologieprofessors Christian Laforsch vor zehn Jahren Mikroplastik in Starnberger See und Chiemsee nachwies, da horchte die Öffentlichkeit auf.
Plötzlich war klar: Plastikmüll ist nicht nur ein Problem für die Weltmeere, wo sich die Kunststoffreste an Stränden, in Müllstrudeln oder am Meeresboden sammeln. "Mikroplastik ist genauso ein großes, wenn nicht noch größeres Problem für Landökosysteme und Süßgewässer", sagt Christian Laforsch.
Mikroplastik findet sich überall. In den bayerischen Seen, die sich gerne für ihr klares Wasser rühmen, genauso wie in der Elbe, der Seine, der Themse. Und an Land ebenfalls, zum Beispiel in Ackerböden - möglicherweise bis zu 40 Mal so viel wie in Ozeanen, weiß Laforsch aus Studien. Das zwar nicht flächendeckend, aber doch an einzelnen Hotspots.
In Flüssen, so berichten Forscher aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, schwankt die Konzentration sehr; in der Nähe von Städten und Industriebetrieben ist sie besonders hoch.
Es gibt nicht einen Verursacher, sondern viele
Die Quellen sind vielfältig: Abrieb von Autoreifen oder Plastikstaub, der entsteht, wenn auf Baustellen Plastikrohre zersägt werden, gehören genauso dazu wie Industrie- und Haushaltsabwässer.
Auch aus der Landwirtschaft kommt Plastikmüll in die Umwelt, zum Beispiel über Kunststofffolien auf Äckern, die vom Wind weggeweht werden. Oder wenn Klärschlamm als Düngemittel auf dem Acker verteilt wird. Das ist in Deutschland zwar nur noch selten der Fall – aber weltweit landet er noch häufig auf dem Feld.
Welche konkreten Auswirkungen auf die Umwelt das hat, ist allerdings schwer zu fassen. Auf der Konferenz, die das Forschungsprojekts limnoplast und die UNESCO diese Woche ausrichten, tragen Forschende viele Einzelergebnisse zusammen.
"Man kann natürlich die Effekte von Plastik in der Natur nicht trennen von den Effekten von anderen Chemikalien", erklärt Mikroplastikforscher Christian Laforsch. "Aber es ist ein weiterer Faktor."
Weniger Wasserflöhe - mit Auswirkungen auf die Nahrungskette
Zum Beispiel haben Wasserflöhe weniger Nachkommen, wenn sie starken Mikroplastikkonzentrationen ausgesetzt haben. Nachgewiesen wurde das nur in Laborversuchen. Aber Wasserflöhe sind in der Nahrungskette ein wichtiger Link zwischen Algen und höhergestellten Futterverwertern wie Fischen, erklärt Biologe Laforsch: "Das kann dann natürlich sehr starke Auswirkungen auf das Ökosystem haben."
Forschende konnten auch zeigen, dass Mikroplastik Auswirkungen auf den Verdauungstrakt und Darmflora hat. Oder auf die Zusammensetzung von Mikroorganismen im Boden – was das Pflanzenwachstum beeinflussen kann.
Dass Mikroplastik Effekte in der Umwelt hat, ist klar. Wie drastisch sie sind, das ist eine offene Forschungsfrage. Eine schwierige Situation, meint die Psychologin Sabine Pahl von der Universität Wien: Die Evidenz, die klare Sachlage, aus der man Handeln ableiten kann, ist beim Umweltproblem Mikroplastik bisher nicht gegeben.
Forschende fordern mehr Transparenz von Herstellern
Aber in einer Analyse der politischen Debatten dazu zeigt sie: Dennoch seien sowohl Öffentlichkeit als auch politische Entscheidungsträger sich einig darin, dass Plastikmüll nicht in die Umwelt gehöre. Anders als bei der Diskussion um Klimaerwärmung und Klimaschutz, gebe es keine Bewegung, die – ähnlich wie die sogenannten Klimawandelleugner – das Problem verneint.

Forscher
Trotz offener Fragen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich diese Woche in Paris austauschen, ein klare Botschaft: Dass wir sorgsamer mit Plastik umgehen müssen, das heißt weniger verbrauchen und weniger wegschmeißen müssen, das sei klar, so Laforsch.
Aber: "Wir werden Plastik für unser modernes Leben weiterhin brauchen. Dementsprechend muss vom Design her überlegt werden, wie können wir umweltfreundlichere Kunststoffe entwickeln?" Denn auch die beigemischten Chemikalien schaden der Umwelt, so Laforsch. Darum müsse die Politik darauf dringen, dass diese Beimengungen in den Kunststoffen offengelegt würden.
Plastikmüll noch nicht in europäischer Wasserrahmenrichtlinie
Die Forderungen seien bisher in keiner Verordnung so formuliert. "Und auch in der Europäischen Wasserrahmenlinie wird Plastikmüll und Mikroplastik noch nicht erwähnt", kritisiert Laforsch. Es sei an der Zeit, dass hier ein Umdenken stattfinde.
Diese Botschaft richten die Forschenden auch an die UN-Wasserkonferenz, die vom 22. bis 24. März in New York stattfindet. Die UNESCO, die die aktuelle Forschungskonferenz mit ausrichtet, soll dem Thema Mikroplastik im Süßwasser dort Nachdruck verleihen.

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