Eine Person steht mit Regenschirm vor großen Regenwolken.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Martin Gerten

Viel Regen muss nicht zwangsläufig zu Hochwasser führen.

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Warum große Regenmengen nicht gleich zu Hochwasser führen

In Bayern hat es in den letzten Tagen ungewöhnlich viel geregnet. Dennoch kam es kaum zu Hochwassern. Warum das so ist und wie Städte sich schützen können. Und: Warum Hochwasser nicht gleich Hochwasser ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Dauerregen, und das tagelang: In Bayern gab es in den vergangenen Tagen ungewöhnlich viel Niederschlag. Bis zu 50 Liter pro Quadratmeter waren es etwa in Alpennähe, einige Landkreise in Bayern, darunter Rosenheim und Miesbach, hatten am Mittwochmorgen schließlich eine Warnung vor Ausuferungen und Überschwemmungen herausgeben müssen. Für den Rest Bayerns hieß es Entwarnung. Trotz viel Regen also kaum Hochwasser – wieso ist das so?

Was ist Hochwasser?

Es gibt zwei verschiedene Arten von Hochwasser: Sturzfluten einerseits, die sogenannten pluvialen Hochwasser, die durch große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit entstehen. Straßen, die zu reißenden Sturzbächen werden – auch fernab von Gewässern. Und Hochwasser, die durch kontinuierlichen Regen die Wasserpegel an Gewässern ansteigen lassen, die sogenannten fluvialen Hochwasser. Vor diesen war durch den langen Regen am Mittwochfrüh gewarnt worden.

"Hochwasser ohne Bebauung ist etwas sehr Gutes für die Natur", sagt Professor Markus Disse, Inhaber des Lehrstuhls für Hydrologie und Flussgebietsmanagement an der TU München. Flüsse und häufig überschwemmte Flussauen seien die Gebiete, die die meisten Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Und: Wenn etwa Flussauen überschwemmt werden, trage dies zur Neubildung von Grundwasser bei.

Wann kommt es (nicht) zu Hochwasser?

Regnet es über längeren Zeitraum intensiv, kann es zu Flusshochwasser, dem fluvialen Hochwasser, kommen. Nämlich dann, wenn der Boden wie ein durchnässter Schwamm keine Flüssigkeit mehr aufnehmen kann. Nur das Wasser, das an der Oberfläche in die Flüsse rinnt, trage dann zum Hochwasser bei, so Professor Disse. Dazu brauche es aber große Regenmengen von 60 bis 100 Litern pro Quadratmeter über mehrere Tage.

Dafür habe es in dieser Woche allerdings zu wenig geregnet. Vor allem aber seien die Böden durch den geringen Niederschlag zu Beginn des Jahres trocken gewesen – und die Grundwasserpegel niedrig. "Wir brauchten den Regen, auch die Landwirte sind unendlich froh über den Regen, weil wir endlich wieder die oberen Bodenzonen durchfeuchten müssen", so Disse. Der Regen der letzten Tage hat also lediglich dazu beigetragen, die niedrigen Pegel zu füllen und nur punktuell zu Überschwemmungen geführt.

Wie gefährlich ist Starkregen?

Fallen 15 Liter oder mehr Regen pro Quadratmeter in einer Stunde, spricht der Deutsche Wetterdienst von Starkregen. Dieser kann sehr schnell zu Hochwasser, den sogenannten Sturzfluten, führen und auch in sehr kleinen Gebieten auftreten, so Professor Disse von der TU München. Prinzipiell sind dann alle Regionen mit und ohne Gewässer gefährdet – doch es gibt Risikofaktoren.

Städte und Industriegebiete sind besonders anfällig für Sturzfluten, weil der Boden stark versiegelt ist. Es kommt aber auch, so Disse, auf die geografische Lage an: Berge oder Hügel nämlich wirken bei Starkregenereignissen wie Rutschbahnen, die das Wasser in großer Geschwindigkeit ins Tal leiten. Mittelfranken ist daher zum Beispiel weniger betroffen als das Alpenvorland. In Berchtesgaden hatte 2021 eine Sturzflut große Schäden angerichtet.

Wie können sich Städte vor Hochwasser schützen?

Stefan Homilius ist Leiter des Wasserwirtschaftsamt München und sagt: "Der beste Hochwasserschutz ist, nicht in gefährdeten Gebieten zu bauen." Damit gemeint sind vor allem Gebiete direkt am Wasser. Da Städte jedoch immer weiter an ihre Gewässer gewachsen sind, macht das Hochwasserschutz erforderlich. Doch ein Allgemeinkonzept gebe es nicht: wie sich Wasser verhält, hängt vor allem von der Lage der Bebauung vor Ort ab und ist damit ganz unterschiedlich.

Zu wissen, welche Gebiete bei einer Sturzflut wie stark von Hochwasser betroffen wären, kann somit ein erster Schritt von Hochwasserschutz sein. Einige Städte arbeiten deshalb mit Modellierungen, die zeigen, wie sich das Wasser vor Ort bei Starkregenereignissen verhält. Die Gemeinde Wörth bei Freising etwa hat in einem Pilotprojekt errechnen lassen, dass bei einer Jahrhundertflut 130 Wohngrundstücke bis zu einen Meter tief im Wasser stehen werden.

Das Beispiel München

Die Stadt München gilt als die am meisten versiegelte Stadt Deutschlands und ist damit anfällig für Hochwasser durch Starkregen. Da helfe laut Stefan Homilius hochwassergerechtes Bauen, nämlich etwa dichte Kellerfenster und eine Elementarschaden-Versicherung.

Gegen Flusshochwasser hingegen hat die Stadt bereits vor Jahren gut vorgesorgt und die Isar in großen Abschnitten auf bis zu 90 Meter verbreitert und renaturiert. Sprich: Betonläufe entfernt und den Fluss in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt. So kann sich das Wasser nach außen ausdehnen. Vor allem aber ist der große Sylvensteinspeicher dafür verantwortlich, dass München kaum mehr von Hochwasser betroffen ist. Vor vielen Jahren sah das noch anders aus: Beim Jahrhunderthochwasser 1899 etwa waren unter anderem zwei große Brückenkomplett zerstört worden.

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