Die Aufnahme zeigt das CHIME-Teleskop bei Tag.
Bildrechte: Andre Renard / CHIME

Das Radioteleskop des CHIME-Experiments lieferte einen entscheidenden Hinweis zur Herkunft der Schnellen Radioblitze.

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Ursprung von Schnellen Radioblitzen entdeckt

Magnetar statt Mikrowelle: Wo Schnelle Radioblitze aus dem All herkommen, gab Astrophysikern ein Rätsel auf. Nun lieferte ein Schneller Radioblitz aus unserer eigenen Galaxie den entscheidenden Hinweis.

Es gibt sie durchaus, die Phänomene aus dem Weltall, bei denen niemand so richtig eine Ahnung hat, was es damit auf sich hat. Prominente Beispiele aus dieser Kategorie sind die Dunkle Materie und die Dunkle Energie. Aber auch bei den kleineren astrophysikalischen Mysterien gibt es noch das ein oder andere, das Astrophysiker gerne entmystifizieren würden. Schnelle Radioblitze zum Beispiel. Wie gleich drei Teams im Fachmagazin "Nature" berichten, ist ihnen das wohl nun gelungen. Demnach wird zumindest ein Teil der Schnellen Radioblitze von Magnetaren erzeugt.

Was sind Schnelle Radioblitze?

Schnelle Radioblitze kann man sich durchaus ein wenig wie irdische Blitze vorstellen, zumindest in dem Sinne, dass sie ein extrem kurzes Aufleuchten darstellen. Ihre Dauer beträgt wenige Millisekunden. Allerdings sind sie viel energiereicher. Ein "typischer" Schneller Radioblitz kann so viel Energie abstrahlen wie die Sonne in etwa zwei Wochen insgesamt schafft.

Schnelle Radioblitze kommen aus dem All – oder nicht?

Im Jahr 2007 entdeckten Astronomen erstmals einen Schnellen Radioblitz, und zwar mit dem Radioteleskop am Parkes Observatorium in Australien. Das war zwar schon damals spektakulär. Allerdings wollten nicht alle Kollegen so recht an ein wirklich neues astrophysikalisches Phänomen glauben. Denn seit 1998 hatte just dieses Radioteleskop ebenfalls immer wieder hochmysteriöse Signale empfangen, kurzes Aufleuchten im Radiobereich, deren Ursprung sich niemand erklären konnte. Das Problem war, dass kein anderes Teleskop auf der Welt diese kurzen Blitze empfing. Der Schnelle Radioblitz von 2007 ähnelte jenen Signalen, die auf den Namen "Perytone" getauft wurden.

2015 schließlich gelang des Rätsels Lösung: Die hochmysteriösen Perytone am Parkes Observatorium wurden von der Mikrowelle in der Küche des Observatoriums erzeugt. Wenn man die mitten im Betrieb aufmachte, erzeugte das deaktivierte Gerät einen kurzen Radiopuls. Und der sah für das Radioteleskop nun mal so aus wie ein mysteriöses Signal aus dem All und wie ein potenzieller Schneller Radioblitz.

Nicht aus der Mikrowelle, sondern aus dem All – aber woher aus dem All?

Ab 2012 waren allerdings bereits weitere Schnelle Radioblitze entdeckt worden, unter anderem mithilfe des Arecibo-Radioteleskops. Auch in den folgenden Jahren beobachteten Astronomen immer wieder jenes Aufleuchten. Damit war klar, dass die Schnellen Radioblitze nicht aus einer Mikrowelle, sondern aus dem All kommen. Forscher konnten darauf schließen, dass die Blitze extragalaktischen Ursprungs sind, also die Erde von außerhalb der Milchstraße erreichen. Sie konnten sie sich auch schon zunutze machen, um fehlende Materie im Universum aufzustöbern. Nur woher die Schnellen Radioblitze kommen, das konnten sie nicht herausfinden. Schließlich kann man angesichts ihrer kurzen Dauer kaum gezielt nach ihnen suchen, um herauszufinden, welcher Himmelskörper dahintersteckt.

Schnelle Radioblitze werden von Magnetaren erzeugt

Genau dies gelang den Astrophysikern aber nun. Am 27. April 2020 empfingen zwei Weltraumteleskope mehrere Ausbrüche in den hochenergetischen Röntgen- und Gammastrahlenbereichen des elektromagnetischen Spektrums. Ihr Ursprung war schnell klar: der galaktische Magnetar SGR 1935+2154 war es, im Sternbild Vulpecula, etwa 30.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Ein Magnetar ist ein junger Neutronenstern

Ein Magnetar ist ein Gebilde, das Laien und auch Hobbyastronomen nun vielleicht eher weniger bekannt ist. Es handelt sich dabei um ein sogenanntes stellares Überbleibsel, um einen jungen Neutronenstern. Neutronensterne sind das, was von einem Stern übrig bleibt, wenn er all seine Brennstoffvorräte verbrannt hat und unter seiner eigenen Schwerkraft kollabiert. Ein Stern von der Größe der Sonne endet als Weißer Zwerg, ein sehr massereicher Stern als Schwarzes Loch. Dazwischen kommen die Neutronensterne. Junge Neutronensterne können aus noch nicht ganz geklärten Gründen als Magnetare aktiv sein, als ein Gebilde mit extrem starken Magnetfeldern, die sogar Atome selbst verformen können.

Der Magnetar SGR 1935+2154 und der Schnelle Radioblitz FRB 200428

Schon vor dem 27. April 2020 galten Magnetare als gute Kandidaten für den Ursprung von Schnellen Radioblitzen. Schließlich war bekannt, dass sie auch für Ausbrüche anderer Art sorgen können, wie eben im Röntgen- und im Gammastrahlenbereich. Folglich traf es sich gut, dass tags darauf zwei Radioteleskope auf der westlichen Hemisphäre, nämlich das Radioteleskop des CHIME-Experiments sowie das Radioteleskop der STARE2-Durchmusterung, diesen Himmelsausschnitt in ihrem Sichtfeld hatten. So konnten sie den Schnellen Radioblitz entdecken, der genau von dort kam, wo der Magnetar SGR 1935+2154 ist und der praktischerweise zur gleichen Zeit einen weiteren Ausbruch im Röntgenbereich gen Erde geschickt hatte. Somit scheint klar: Dieser Schnelle Radioblitz wurde vom Magnetar SGR 1935+2154 erzeugt.

Die Herkunft von Schnellen Radioblitzen scheint geklärt

Ganz streichen von der Liste der astrophysikalischen Mysterien können Astrophysiker die Schnellen Radioblitze trotzdem nicht. Einige ungeklärte Fragen gibt es noch. Einerseits ist da die Tatsache, dass das FAST-Radioteleskop in China jenen Magnetar bereits in den Wochen zuvor beobachtet hatte. Obwohl mehrere Röntgenblitze in dieser Zeit bekannt waren, konnte FAST keine dazugehörigen Schnellen Radioblitze entdecken, wohl aber zwei Tage nach der Entdeckung der beiden nordamerikanischen Teleskope. Es ist also nicht so, dass jeder Röntgenausbruch automatisch mit einem Schnellen Radioblitz einhergeht.

Die offenen Fragen um Schnelle Radioblitze, Magnetare und unsere Galaxis

Der genaue Mechanismus, durch den jene Blitze erzeugt werden, ist noch unklar. Unklar ist auch noch, wie häufig sie sind. Hatten die Wissenschaftler Glück, dass sie diesen Schnellen Radioblitz wenige Jahre nach Beginn der Beobachtungen entdeckten? Oder kommen diese Blitze innerhalb unserer eigenen Galaxis durchaus häufiger vor? Auch, ob alle Schnellen Radioblitze ausschließlich von Magnetaren erzeugt werden, ist nicht bekannt, denn die bislang empfangenen Signale von außerhalb unserer Galaxis ähneln sich nicht alle. Beispielsweise sind auch regelmäßiger auftretende Radioblitze mit dabei.

Somit verwundert es nicht, dass Astronomen weiterhin Ausschau nach den Schnellen Radioblitzen halten werden. Nun wissen sie immerhin ein wenig besser, nach was und wo genau sie Ausschau halten sollten – nach Magnetaren, nicht nach Mikrowellen nämlich.

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