Plastik schwimmt im Meer. Seit Jahrzehnten sammelt es sich auch in den Tiefseegräben.
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Plastik schwimmt im Meer. Seit Jahrzehnten sammelt es sich auch in den Tiefseegräben.

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Ungeahnte Artenvielfalt im Plastikmüll in der Tiefsee

Plastikmüll gelangt erst ins Meer und dann bis in die Gräben der Tiefsee. Auch dort gefährdet er Organismen - führt aber auch zu einer ganz neuen Artenvielfalt. Das hat ein Forscherteam jetzt in einer Tiefe von mehr als 3.000 Metern festgestellt.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Zündfunk am .

Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen jedes Jahr über Flüsse und Bäche, durch Wind, aber auch durch Menschenhand ins Meer. Dann treiben die Tüten, Folien, Flaschen, Netze, Schnüre, Kanister, Schuhe und sonstigen Plastiküberbleibsel in allen Größen, Formen und Zuständen an der Wasseroberfläche, schweben in der Wassersäule und lagern sich am Meeresboden ab. Selbst in einer Tiefe von 1.700 Metern bis 3.200 Metern finden sich rund 52.000 Plastikteile pro Quadratkilometer. Das hat ein internationales Forscherteam um Xikun Song von der Universität Xiamen in China, ehemaliger Gastwissenschaftler an der Zoologischen Staatssammlung München, jetzt herausgefunden.

Plastik samt Bewohnern aus der Tiefsee gefischt

Die Wissenschaftler haben sich das Plastik in der Tiefsee mithilfe eines bemannten Tauchroboters genauer angesehen. 33 Plastikstücke haben sie aus einer Tiefe von bis zu 3.200 Metern aus einem Tiefseegraben im Südchinesischen Meer herausgefischt und näher untersucht. Die Zoologen interessierten sich jedoch nicht nur für den Müll an sich, sondern vor allem für die Organismen, die auf und in den bis zu einem Meter langen Fundstücken lebten.

"Es ist das erste Mal, dass man die auf dem Plastik sitzende Fauna genau ansieht." Bernhard Ruthensteiner, Zoologe und Kurator an der Zoologischen Staatssammlung München

49 verschiedene Arten von Müll-Bewohnern

An der Bestimmung der Müll-Bewohner war auch der Münchner Zoologe Bernhard Ruthensteiner beteiligt. Er und seine Kollegen entdeckten fast 1.200 Organismen, die auf und in den Lebensmittelverpackungen, Tüten und Flaschen lebten. Insgesamt identifizierten sie 49 Arten: Die am häufigsten vorkommenden Plastik-Bewohner waren die festsitzenden Polypen von Schirmquallen und noch nicht ausgewachsene Armfüßer - Schalentiere, die äußerlich den Muscheln ähneln. Sie entdeckten außerdem festsitzend lebende Tiere wie Pilze, Korallen und Seepocken. Auch freilebende parasitische Flachwürmer und Schnecken waren dabei.

„Die Formenfülle, aber auch die Individuendichte auf einzelnen Stücken hat uns überrascht." Bernhard Ruthensteiner, Zoologe und Kurator an der Zoologischen Staatssammlung München
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Ein Tiefwasserarmfüßer (Pelagodiscus atlanticus) auf einem Stück Plastikfolie aus der Tiefsee

Plastik bietet Organismen neue Möglichkeiten

"Sehr viele Organismen brauchen feste Materialien, um sich fortpflanzen zu können", erläutert Bernhard Ruthensteiner. An vielen Stellen sei der Meeresboden aber weich und schlammig. Das sei wahrscheinlich der Grund für die Ansiedelung der Organismen auf und im Plastikmüll.

"Hotspot der Biodiversität" im Plastikmüll in der Tiefsee

In den Müllansammlungen der Tiefsee hat sich offensichtlich ein artenreiches Ökosystem entwickelt. Die Wissenschaftler sprechen von einem "neuen Hotspot der Biodiversität". Sie vermuten, dass der Plastikmüll in der Tiefe des Meeres die Ausbreitung bestimmter Meeresorganismen fördert. Insgesamt sei die neue Vielfalt kein gutes Zeichen: Langfristig könnte sich dadurch das Ökosystem im Meer verändern.

Millionen Tiere sterben jedes Jahr durch Plastik im und am Meer

Fest steht, dass der Müll im und am Meer jedes Jahr Millionen von Tieren tötet - weil sie das Plastik fressen, daran ersticken oder sich darin verheddern und strangulieren.

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