Für viele gehört ein Feuerwerk zu Silvester dazu
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Feuerwerk in Nachhaltig - geht das?

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Umweltfreundliches Feuerwerk - geht das überhaupt?

Kurz vor Jahreswechsel ist die Debatte um das Silvester-Feuerwerk erneut entbrannt: Umweltschützer verweisen auf die Feinstaubbelastung, Pyrotechnik-Fans auf Tradition und Spaß am Böllern. Eine Lösung wäre ein Öko-Feuerwerk. Doch gibt es so etwas?

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3 am Morgen am .

Ohne ein Feuerwerk startet es sich schlecht ins neue Jahr, finden viele Deutsche. Die bunten Raketen lassen das alte Jahr fulminant in Schall und Rauch aufgehen - doch sie hinterlassen dabei eine dicke Feinstaub-Wolke. Das könnten wir uns in diesen Zeiten nicht mehr leisten, finden Umweltschützer. Die Deutsche Umwelthilfe etwa fordert ein Böllerverbot zum Jahreswechsel (externer Link). Der Verein verweist nicht nur auf die Luftverschmutzung, sondern auch auf tausende Tonnen Abfall, verschreckte Haustiere, Häuserbrände und Verletzungen bei Kindern und Erwachsenen.

Um es sowohl Feuerwerk-Fans als auch Klimaschützern recht zu machen, müsste eine umweltfreundliche Alternative her, ein "grünes" Feuerwerk sozusagen. Magdalena Rusan von der Ludwig-Maximilians-Universität in München ist eine der wenigen Chemikerinnen deutschlandweit, die dazu forscht. "Der Nachhaltigkeitsgedanke ist noch nicht so alt", sagt sie im Gespräch mit BR24. "Natürlich ist man dabei, zu nachhaltigem Feuerwerk zu forschen, aber so etwas dauert." Zehn bis 15 Jahre Forschung seien auf diesem Gebiet, das große Erfahrung erfordere, nicht viel.

Erster Schritt: Beim Verpackungsmüll sparen

Wer zur Nachhaltigkeit von Pyrotechnik forsche, müsse das Problem von allen Seiten betrachten, sagt Rusan: "Was im Feuerwerk drinnen steckt, was bei der Verbrennung rauskommt, aber auch, wie es verpackt und produziert wird." Eine umweltfreundliche Verpackung lasse sich vergleichsweise leicht realisieren - diesen Gedanken habe die Industrie bereits aufgegriffen und Alternativen geschaffen. So gibt es etwa Hersteller, die Plastik-Raketenspitzen oder Plastik-Zündschnurschutzhülsen durch biologisch abbaubare Materialien ersetzen.

"Unsere Branche ist sehr daran interessiert, Feuerwerk ab sofort so nachhaltig wie möglich zu produzieren", bestätigt der Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI), Klaus Gotzen, im Gespräch mit BR24. "Deshalb versucht man, bestimmte Sachen aus den Produkten – sofern es sicherheitstechnisch möglich ist – rauszunehmen und, wo immer möglich, beim Feuerwerk und dessen Verpackung auf Plastik zu verzichten." Auch an lärmempfindliche Haustiere wird gedacht: Es gibt geräuscharmes Feuerwerk, das durch Farb- und Lichterspiele anstelle von Knalleffekten besticht.

Expertin: Feinstaub ist nicht das größte Problem

Spricht man Hersteller von Silvesterfeuerwerk auf die Feinstaubbelastung an, zeigen sie mit dem Finger gerne auf den Straßenverkehr. Dort werde ein Vielfaches an Feinstaub freigesetzt. "Es stimmt schon, beim Feinstaub ist es im Vergleich zum Autoverkehr natürlich eine geringere Menge, und man hat das auch nur einmal im Jahr, an Silvester", bestätigt Chemikerin Rusan.

Dennoch schade auch eine geringe Menge der Umwelt. Rusan sieht das so: "Meine Meinung: Warum nicht zu einem umweltfreundlicheren Feuerwerk forschen, das weniger Probleme verursachen würde?"

Ohne Metallsalze keine bunten Farben

Kompliziert wird es, wenn man sich an die Substanzen herantastet, die für die Farbgebung und die Explosion im Feuerwerk sorgen. Der pyrotechnische Effekt lebt grob gesagt von zwei Bestandteilen: Schwarzpulver lässt die Rakete in den Himmel steigen. Ein, zwei Sekunden später laufen chemische Reaktionen ab, bei denen Oxidationsmittel wie Nitrate oder Perchlorate den Sauerstoff liefern, mit dem Brennstoffe dann derart hohe Temperaturen erzeugen, dass farbgebende Salze zum Leuchten gebracht werden.

Diese Metallsalze seien ebenfalls umweltbelastend, sagt Rusan. "Aber man braucht sie, denn farbige Effekte werden nur durch bestimmte Chemikalien produziert." Ein Beispiel: Damit am Himmel ein intensives Blau entsteht, muss Kupfer eine Verbindung mit Chlor eingehen - ersetzt man das Chlor jedoch durch Brom, ist die Verbindung weniger schädlich. "Deshalb ist man dazu übergegangen, dass man das blau aus Kupfer und Brom produziert", erklärt Rusan. Genau darauf konzentriert sich ihre Forschung: Welche Inhaltsstoffe können reduziert, welche weggelassen oder ersetzt werden?

Die Menge macht das Gift

Wer nun von Raketen oder Böllern mit einer einwandfreien Klimabilanz träumt, den holt Chemikerin Rusan rasch in die Realität zurück: "Man darf es sich nicht so vorstellen, dass es irgendwann ein Feuerwerk gibt, das völlig unbelastend ist. Das ist utopisch", sagt sie. Vielmehr komme es auf die Menge und Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile an.

"Man geht immer den Schritt: Weniger giftig, weniger belastend, weniger umweltschädigend. Und natürlich muss man sich auch überlegen: Wenn ich eine Mischung habe, die besonders effektiv ist, dann muss ich nicht viel davon nehmen. Dann ist sie zwar per se giftig, aber die Menge ist geringer." Sie ist überzeugt, dass in diese Richtung noch weitere Verbesserungen möglich seien.

An diesem Punkt stoße die Industrie mitunter an ihre Grenzen, gibt VPI-Geschäftsführer Gotzen zu bedenken: "Da ist man eingeschränkter, weil man nicht alle Inhaltsstoffe austauschen kann bzw. es dafür keine Alternativen gibt. Schwarzpulver zum Beispiel ist ein Inhaltsstoff, der sicherlich auch in der Zukunft weiter enthalten sein muss." Dennoch sieht er einen Fortschritt: In der Vergangenheit habe es "viele zugelassene Inhaltsstoffe gegeben, die schon längst nicht mehr verwendet werden dürfen, sei es Blei, sei es Arsen, sei es Quecksilber".

Langer Weg zu nachhaltigerem Feuerwerk

Auf dem Weg zu einem umweltfreundlicheren Silvesterfeuerwerk sieht Expertin Rusan noch viele Hürden. Für ihre Experimente schießt sie nicht etwa auf dem Hinterhof der Universität Raketen in die Luft, sondern testet die Verbrennungen mit sehr geringer Dosierung im Labor. "Das Problem ist, dass wir die Reaktionen nur mit kleinen Menge ausprobieren können und die pyrotechnische Industrie das in großem Maßstab ausprobieren müsste. Man kann einen Laborversuch nicht eins zu eins auf die Anwendung übertragen."

Zudem sei für die Industrie die Frage nach der Wirtschaftlichkeit wichtig: "Man muss sich auch immer die Preise anschauen: Lohnt sich überhaupt die Herstellung von so einer alternativen Verbindung oder ist es dann zu teuer oder aufwendig?" Für die Hersteller ist das entscheidend, für sie ist Silvester der wichtigste Tag im Jahr. Dann wird fast 90 Prozent des Umsatzes erzielt, bestätigt VPI-Geschäftsführer Gotzen.

Fragt man Rusan, ob für sie ein Feuerwerk zu Silvester dazugehört, sagt sie: "Wenn ich nicht dafür wäre, dann würde ich auch nicht an nachhaltigen Möglichkeiten forschen. Dann würde mich das gar nicht interessieren, dann würde ich sagen: 'Okay, lassen wir es einfach bleiben'."

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Dieser Artikel ist erstmals am 9. November 2022 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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