Ein Mädchen kauert in einer Schrankecke mit dem Rücken zum Betrachter.
Bildrechte: picture-alliance / Markus Scholz

Kinder, die ständig angebrüllt oder immer wieder geschlagen werden, leiden später vermehrt unter Angstzuständen und Depressionen.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Strenge Erziehung schadet Entwicklung des Kindergehirns

Kinder, die über Jahre angebrüllt oder geschlagen werden, weisen als Jugendliche eine veränderte Hirnstruktur auf. Laut einer Studie schrumpfen jene Hirnregionen, die mit der Verarbeitung von Gefühlen zu tun haben.

Es muss nicht erst schwerer Missbrauch sein, der für immer Spuren in Körper und Geist eines Kindes hinterlässt. Ein dauerhaft harscher Ton, heftiges Schimpfen, Wutausbrüche, Ohrfeigen – das genügt, um die Entwicklung eines Kindes tiefgreifend zu beschädigen. Es kann dazu führen, dass bestimmte Bereiche des Gehirns schrumpfen, das belegt eine neue Studie der Universität Montreal.

Angstzustände durch zu strenge Erziehung

Ähnlich wie Missbrauchsopfer weisen Kinder, die eine strenge Erziehung erfahren haben, einen kleineren präfrontalen Cortex auf und eine kleinere Amygdala, so das kanadische Forscherteam um Sabrina Suffren. Diese zwei Hirnstrukturen spielen eine Schlüsselfunktion in der Regulierung von Gefühlen und der Entstehung von Angstzuständen oder Depressionen. Für Sabrina Suffren, gehen die Studienergebnisse weit über die reine Feststellung einer Gehirnveränderung hinaus:

"Es ist wichtig für Eltern und die Gesellschaft zu verstehen, dass häufige strenge Erziehungsmaßnahmen sowohl die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes beschädigen können, als auch die Entwicklung des Hirns." Sabrina Suffren, Universität Montreal

Dass strenge Erziehung nicht nur die Hirnaktivität beeinflusst, sondern auch die Hirnstruktur, sei neu, so Suffren. In die Studie, die soeben in der Fachzeitschrift „Development and Psychology“ erschienen ist, sind Daten von Kindern eingeflossen, die vom Babyalter an, Anfang der Nullerjahre, bis in ihre Teenagerzeit beobachtet wurden.

Als die Kinder zwischen zwei und neun Jahre alt waren, wurde der Erziehungsstil der Eltern alle zwölf Monate per Fragebogen eingeschätzt. Parallel dazu beobachteten die Forscher die Neigung der Kinder zu Angstzuständen. Im Alter von 12 bis 16 Jahren scannte das Team um Sabrina Suffren die Gehirne der Jugendlichen per MRT.

Ohrfeigen und Schütteln - für einige Eltern noch "normal"

Das „Schrumpfen“ des Vorderhirns war bereits in vorangegangenen Studien bei Kindern, die schwere sexuelle oder psychische Misshandlungen erlebt hatten, wissenschaftlich festgestellt worden. Dass eine harsche Erziehung schon ausreicht, um Veränderungen in der Hirnstruktur zu verursachen, das wurde erst jetzt empirisch bewiesen. Schütteln, Schlagen, Ohrfeigen, selbst der Klaps auf den Hintern – in Deutschland ist das per Grundgesetz zwar längst verboten. Doch hier wie auf der ganzen Welt sind diese Strafmaßnahmen in manchen Familien noch üblich und werden von Teilen der Gesellschaft noch akzeptiert. Auch darauf weisen die Forscher in ihrer Studie hin.

"Darüber spricht Bayern": Der BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!