Skifahren in den bayerischen Alpen.
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Skifahren in den bayerischen Alpen: Aus der Traum in diesem Winter.

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Skifahren und Corona: Aus der Traum vom Wintersportvergnügen?

Virologen sind uneins: Alle Skigebiete in Europa zu schließen - wie sinnvoll ist das aus medizinischer Sicht? Besser verzichten und unnötige Risiken vermeiden? Oder ist die Ansteckungsgefahr beim Skifahren trotz entsprechender Maßnahmen zu groß?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Mit seiner Forderung, die Skisaison dieses Jahr erst nach den Weihnachtsferien starten zu lassen, hat Ministerpräsident Markus Söder viel Kritik hervorgerufen. Eine wirtschaftliche Totalkatastrophe in einer schon schwierigen Saison befürchten nicht nur Liftbetreiber, Hoteliers und Gastronomen in den Wintersportorten. Auch für die Bevölkerung, zumindest für die Skibegeisterten unter ihnen, wäre ein Winter ohne den geliebten Sport wohl ziemlich hart.

Doch eines ist schon jetzt klar, eine normale Skisaison wird es im Winter 2020/21 ganz sicher nicht geben. Dafür sind allen die Ereignisse im österreichischen Wintersportort Ischgl noch zu frisch in Erinnerung: Zu Beginn der Corona-Pandemie machte Ischgl als Hotspot Schlagzeilen. Pistengaudi und vor allem der Après-Ski machten aus dem Wintervergnügen einen Superspreadingevent.

Ansteckungen vermeiden

Deshalb sollen in diesem Winter, wo immer möglich, Ansteckungs-Risikosituationen vermieden oder zumindest reduziert werden. Das meint auch der Infektiologe Bernd Salzberger von der Universitätsklinik in Regensburg. Die Überlegungen, die Skisaison zu beschränken, kann er gut nachvollziehen:

"Das ist sicherlich sinnvoll, weil wir im letzten Winter gesehen haben, dass Urlaube schon ein Anstoß für neue Infektionen sein können. Vor allen Dingen in den Situationen, wo viele Menschen zu eng zusammen sind, und das ist ja leider in einer vollen Liftgondel schnell der Fall. Und auch abends beim Après-Ski, das wissen wir alles." Bernd Salzberger, Universität Regensburg, Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie

Die Kontakte weiter zu reduzieren, sei wichtig. Beim Skifahren – eigentlich ja ein Individualsport – sieht der Infektiologe zum Beispiel den Liftbetrieb als kritisches Nadelöhr.

"Da würde man sich eigentlich die alte Zeit wieder her wünschen, wo man sozusagen einen Schlepplift hat, wo einer rein kann, wo man Einzel-Sessellifte hat und so weiter. Das war alles vor Corona-Zeiten viel besser." Bernd Salzberger, Universität Regensburg, Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie

Problematisch aus infektiologischer Sicht sind die Wartezeiten an den Liften und die Belegung von größeren Anlagen wie etwa Gondeln. All die Situationen also, in denen Menschen potentiell dicht an dicht aufeinandertreffen und das Infektionsrisiko über Tröpfchen und Aerosole steigt.

Lüftungsexperte: Outdoor-Sport ist nicht das Problem

Das alles sei noch kein Grund, das Skifahren gänzlich auf Eis zu legen, meint der Lüftungs- und Klimatechnikexperte Martin Kriegel von der Technischen Universität Berlin. Er hat unter anderem die Ausbreitung von Aerosolen in Innenräumen untersucht.

"Letztendlich, wenn man rein den Outdoor-Sport betrachtet, glaube ich nicht, dass das ein Problem ist. Und auch das Anstehen an den Liften ist nicht das Problem." Martin Kriegel, Technische Universität Berlin, Hermann-Rietschel-Institut

Das ist auch die Einschätzung des Physikers Christian Kähler von der Universität der Bundeswehr in München. Auch er beschäftigt sich mit Aerosolen. Die Liftwartebereiche könne man coronakonform sicher gestalten, ist er sich sicher.

"Und wenn man jetzt quasi so Reihen vorsieht, wo man eben nicht nebeneinander sich platzieren kann, dann hält man ja automatisch immer einen Sicherheitsabstand, weil man ja den Vorgängern nicht auf die Skier steigt. So ist, wenn man dieses Konzept umsetzen würde, auch in diesem Bereich ein hohes Maß an Sicherheit herstellbar, sodass eine direkte Infektion faktisch ausgeschlossen ist." Christian Kähler, Universität der Bundeswehr München, Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik

Anlagen coronagemäß nachrüsten?

Auch für die Beförderung selbst gäbe es Lösungen. Mit Masken-Pflicht und weniger Auslastung könnte man auch Gondeln risikoarm betreiben. Das Zu- und Aussteigen, die Lenkung der Skisportler-Ströme sollten dabei allerdings technisch geschehen über Ampelsysteme, Drehkreuze und so weiter geregelt werden. Auch die Skihütten sollten, wenn sie überhaupt geöffnet werden dürfen, und so noch nicht geschehen, coronagemäß nachgerüstet werden.

"Wichtig ist, dass das so gestaltet ist, dass Fehlverhalten nicht so ohne weiteres möglich ist. Das ist immer wichtig, denn die Leute neigen natürlich dazu, wenn sie keine technischen Begrenzungen oder keine technischen Sicherungssysteme haben, sich fehlzuverhalten." Christian Kähler, Universität der Bundeswehr München, Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik

Selbst der Hotel- und Restaurantbetrieb sei risikoarm möglich, schätzt Christian Kähler. Immer unter der Voraussetzung, dass die AHA-L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, Lüften) eingehalten werden. Ist Skiurlaub also machbar? Martin Kriegel gießt etwas Wasser in den Wein. Viele Personen in Innenräumen seien eben schon ein Risiko. Es käme darauf an: Spricht man von Tagestrips? Oder von einem zwei Wochen Skiparadies all-inclusive?

"Also die Frage ist, ob jetzt der reine Sport gesehen wird, der sicherlich eher unkritisch ist, oder ob das ganze Drumherum auch mit betrachtet wird. Wo nächtigen die Gäste letztendlich, wo halten sie sich sonst auf?" Martin Kriegel, Technische Universität Berlin, Hermann-Rietschel-Institut

Fazit: Après-Ski können sich die Fachleute allesamt nicht vorstellen in dieser Wintersportsaison. Und selbst wenn Skifahren möglich sein wird, muss letztendlich jede oder jeder für sich selbst entscheiden, ob alles, was gemacht werden darf, auch unbedingt gemacht werden muss. In jedem Fall wird es eine ungewöhnliche Wintersportsaison.

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