Florian Silbereisen, Sophia Thomalla, der Arbeitskollege und der halbe Freundeskreis: In Deutschland hat sich laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung bereits jeder Achte ein Tattoo stechen lassen. Was nur wenige wissen: Die Tattoos können Pigmente enthalten, die eisenhaltig und somit magnetisch sind. Im Alltag bereitet das keine Probleme - aber was, wenn man zum Beispiel wegen Rückenschmerzen und Verdacht auf Bandscheibenvorfall in den Magnetresonanztomagraphen (MRT) soll? Normalerweise muss man jeglichen metallischen Körperschmuck abnehmen. Schwierig bei einem Tattoo.
Einzelne, kleine Tattoos sind kein Problem im MRT
Ein Forscherteam um Nikolaus Weiskopf hat untersucht, wie riskant eine Untersuchung im MRT für Tattoo-Träger ist. In der Studie, die im Januar 2019 im New England Journal of Medicine publiziert wurde, geben die Wissenschaftler Entwarnung - zumindest für einzelne, kleinere Tattoos.
"Wenn man unter diesen in der Studie festgestellten Bedingungen scannt, ist das Risiko sehr gering, dass es zu Nebenwirkungen kommt." Martina Callaghan, Physikerin, University College London
Grund für Tattoo-Studie: Sicherheit für tätowierte Studienteilnehmer
Nikolaus Weiskopf ist heute Direktor am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Für ihn stand am Anfang der Studie eine ganz praktische Frage: "Können wir unsere Studien auch mit tätowierten Probanden bedenkenlos durchführen?" Schließlich trugen immer mehr der Studienteilnehmer am "UCL Wellcome Centre for Human Neuroimaging" des University College in London, wo er die Studie 2011 gestartet hat, Tattoos. "Zum damaligen Zeitpunkt gab es einfach nicht genügend Daten, um die Wahrscheinlichkeit von Tattoo-Nebenwirkungen bei Untersuchungen im MRT zu bestimmen." 2016 wechselte Weiskopf ans Max-Planck-Institut nach Leipzig. Seine damalige Kollegin in London, Martina Callaghan, forschte weiter am Tattoo-Risiko im MRT.
Mit Tattoo im MRT: Einzelberichte von Zug und Erwärmung
Obwohl sich jährlich Millionen von Menschen mit Tattoos in Krankenhäusern und Forschungseinrichtungen im MRT scannen lassen, waren vor der Tattoo-Studie nur vereinzelt Berichte über Komplikationen aufgrund der Farbe in der Haut bekannt. Betroffene spürten entweder ein Ziehen am Tattoo, was sich durch eisenhaltige Farbe und das starke Magnetfeld im Tomographen erklären lässt, oder dass sich das Tattoo erwärmt. "Im schlimmsten Fall kann das zu Verbrennungen führen", sagt Nikolaus Weiskopf. Bei der Magnetresonanztomographie werden sogenannte Hochfrequenzfelder verwendet, um Bilder zu erzeugen. "Das Hochfrequenzfeld hat üblicherweise eine Frequenz von ein paar hundert Megahertz – damit kommt man in die Resonanzlängen von leitenden Strukturen, die ungefähr auch der Länge eines Tattoos entsprechen. In diesem Fall nimmt das Tattoo viel von der Energie des Hochfrequenzfeldes auf, die sich normalerweise weiträumiger verteilen würde", erklärt Weiskopf.
"Mehrzahl mit Tattoos keinerlei Nebenwirkungen im MRT"
Weiskopf und sein Team wollten es genauer wissen und herausfinden, wie häufig solche Erfahrungen mit Tattoos im MRT tatsächlich auftreten - und unter welchen Bedingungen. Die Forscher haben deshalb 330 Probanden vor und nach einem MRT-Scan untersucht und insgesamt 932 Tätowierungen getestet. Sie haben festgehalten, wie groß die Tattoos sind, an welcher Stelle sie sich befinden, welche Farben verwendet werden und sogar, aus welchen Ländern die Kunstwerke stammen. Ihre wichtigste Erkenntnis: "Unsere Studie untermauert, dass die Mehrzahl der Probanden mit Tattoos keinerlei Nebenwirkungen bemerkt hat", sagt Nikolaus Weiskopf.
"Prickeln" bei einem von 330 Probanden
"Es gab einen einzigen Fall, bei dem der Studienarzt festgestellt hat, dass die Nebenwirkungen - nämlich ein Prickeln auf der Haut - mit dem Scannen zusammenhingen", erzählt Weiskopf. Dieses unangenehme Gefühl sei binnen 24 Stunden wieder verschwunden, ohne dass sich der Betroffene ärztlich behandeln lassen musste.
Tattoo-Studie nicht auf große Tattoos und alle MRT-Scans übertragbar
Allerdings haben die Forscher keine großflächigen Tattoos getestet: Um die Studienteilnehmer vor etwaigen Verletzungen zu bewahren, durfte ein einzelnes Tattoo nicht größer als zwanzig Zentimeter sein und in Summe sollten die Tätowierungen nicht mehr als fünf Prozent des Körpers bedecken. Die in der Tattoo-Studie eingesetzten MRT-Scanner hatten eine statische Magnetfeldstärke von drei Tesla, wie sie in vielen Kliniken eingesetzt werden. Die Forscher selbst merken an, dass ihre Ergebnisse nur begrenzt übertragbar seien. Im Zweifel, vor allem, wenn Sie viele und großflächige Tattoos tragen, gilt wie so oft: Vorab den Arzt fragen und abklären, ob das Risiko eines MRT-Scans im Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen für die Diagnose steht. Infos zu den gesundheitlichen Risiken von Tätowierungen gibt es beim Umweltkommissar von Bayern 1 sowie beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).