Eine Zapfpistole, aus er ein grüner Tropfen Flüssigkeit quillt, im Hintergrund ein Sportwagen, es ist das Logo der Firma "Porsche" zu erkennen.
Bildrechte: picture alliance / Ulrich Baumgarten, colourbox.com/Syda Productions, colourbox.com/Kiyoshi Takahase Segundo; Montage: BR

E-Fuels: ein Hoch auf die Technologieoffenheit oder ein ideologisches Luftschloss?

  • Artikel mit Video-Inhalten

Sind E-Fuels die Zukunft?

E-Fuels: Synthetische Kraftstoffe, "grünes Benzin", mit dem man quasi ganz normal tanken und weiter mit Verbrenner-Motor fahren könnte. Wie wichtig sind sie für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft? Possoch klärt!

Die Europäische Union hat das Verbrenner-Aus beschlossen. Aber Deutschland, vor allem FDP-Verkehrsminister Volker Wissing, hat eine Ausnahme durchgesetzt: Verbrenner-Autos, die mit E-Fuels betrieben werden, sollen weiterhin fahren dürfen. Auch andere Länder stehen E-Fuels offener gegenüber, etwa Tschechien, Finnland und Polen.

Sind die E-Fuels wirklich eine klimafreundliche Alternative oder ist das Ganze eine Mogelpackung? Dieser Frage geht das neue "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) nach. Die Ansichten gehen auseinander.

Claudia Kemfert, Energieökonomin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), vertritt den Standpunkt: "E-Fuels im privaten Pkw sind reine Verschwendung. Sie sind wahnsinnig ineffizient und teuer." Thomas Koch vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hingegen sieht in E-Fuels "eine ganz, ganz wichtige Säule der Zukunft". Doch der Reihe nach.

Was sind E-Fuels eigentlich?

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, chemische Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Wie Benzin, Diesel oder Kerosin auch. Allerdings werden sie nicht aus fossilen Energieträgern wie Erdöl gewonnen, sondern mithilfe von Strom hergestellt.

Ganz vereinfacht: Mit Strom wird aus Wasser Wasserstoff gewonnen, aus dem mit Kohlenstoffdioxid Kohlenwasserstoffverbindungen hergestellt werden, diese werden dann zu E-Benzin, E-Diesel oder E-Kerosin verarbeitet. Das CO2 liefern zum Beispiel Direct Air Capture-Anlagen, die das Kohlenstoffdioxid direkt aus der Luft filtern.

E-Fuels: Teuer in der Produktion und ineffizient?

Aufgrund dieses komplexen Herstellungsprozesses sei der Preis für E-Fuels heute noch sehr hoch, analysiert Falko Ueckerdt, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Forschung zu E-Fuels leitet.

"Weil‘s so viele Prozessschritte sind und man Effizienzverluste hat und an jedem Prozessschritt wirklich eine Investition hat, ist das Produkt, was am Ende rauskommt, relativ teuer, also heute noch unbezahlbar." Falko Ueckerdt, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

E-Fuel-Experte Koch vom KIT verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedingungen des Standorts. Teurer Strom in Deutschland etwa würde eine E-Fuel-Produktion hierzulande unsinnig machen. An den Gunststandorten mit viel Sonne und viel Wind sei Strom "heute schon deutlich unter zwei Cent pro Kilowattstunde verfügbar".

Im Video: E-Fuels – Retten synthetische Kraftstoffe das Klima? Possoch klärt!

Sind E-Fuels klimaneutral?

Strom ist das wichtige Stichwort, wenn es um die viel beworbene Klimaneutralität von E-Fuels geht. Wenn der benötigte Strom aus Windkraft oder einer Photovoltaik-Anlage kommt, dann sind E-Fuels klimafreundlich. Außerdem wird ja CO2, das schon vorhanden ist, für die Herstellung gebraucht und zum Beispiel aus der Atmosphäre gezogen. Beim Einsatz im Verbrenner-Motor kommt das zwar wieder aus dem Auspuff, aber es ist eben kein zusätzliches CO2 – es ist ein Kreislauf.

Diese klimaneutrale Rechnung geht nur auf, wenn E-Fuels ausschließlich mithilfe von erneuerbaren Energien hergestellt werden. Mit Strom aus Kohle oder Erdöl, wäre die Klimabilanz natürlich schlechter. Unterm Strich sind E-Fuels also im best case klimaneutral.

Hauptkritikpunkt an E-Fuels: der Wirkungsgrad

Bei der Umwandlung von Strom in Kraftstoff wird viel Energie gebraucht, die eben auch direkt ein E-Auto antreiben könnte. Wenn man sich die eingesetzte Energie von "Well to Wheel" (zu Deutsch: vom Bohrloch bis zum Rad) anschaut, bleiben bei den E-Fuels 15 bis 20 Prozent übrig, beim Elektroauto um 70 bis 80 Prozent. Oder nochmal anders gesagt: Der Strom einer 3-Megawatt-Windturbine recht für 1.600 Elektro-Autos, 600 Wasserstoff-Autos und nur 250 E-Fuel-Autos.

Grafik: Der Wirkungsgrad von E-Autos, H2-Autos und E-Fuel-Autos

Bildrechte: BR24

Der Wirkungsgrad von E-Autos, H2-Autos und E-Fuel-Autos

Thomas Koch, Institutsleiter am KIT, hält dieses Argument für konstruiert. Bei Elektrofahrzeugen müssten ebenso Wirkungsverluste berücksichtigt werden, etwa die Überlandverluste des Stromnetzes, die Altspeicherverluste ins Fahrzeug, Stillstandsverluste, Heizungsverluste: "Wenn sie all das sauber berücksichtigen, dann haben sie sicherlich keinen Vorteil mehr in der Elektromobilität im Mittel."

Falko Ueckerdt, Forschungsleiter am PIK, hält dagegen: "Der Wirkungsgrad der E-Fuels ist schlecht und der bleibt schlecht. Es gibt Verbesserungspotenziale, aber es gibt auch physikalische Grenzen."

Unbestrittene Vorteile von E-Fuels in anderen Sektoren

So umstritten wie E-Fuels für den Individualverkehr zu sein scheinen, so unbestritten sind ihre Vorteile in anderen Sektoren: in der Luftfahrt und in der Schifffahrt etwa. Das hängt mit der Energiedichte zusammen, also: Wie viel Platz braucht die Energie? Ein Schiff kann nicht mit Batterien betreiben werden, weil die so schwer wären, dass das Schiff untergehen würde.

Genauso beim Flugzeug: hier wäre ein Wasserstoff-Tank etwa viel zu groß. Da sind sich die Expertinnen und Experten einig: Da sind E-Fuels unverzichtbar, um diese Verkehrsbereiche klimaneutral machen zu können.

Sind E-Fuels die Zukunft?

Egal, wie man zu den E-Fuels steht, die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Forschende vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben Daten zum weltweiten Stand von E-Fuel-Projekten analysiert und zusammengetragen. Mit dem Ergebnis:

Wenn alle bis 2035 geplanten E-Fuel-Projekte realisiert werden, würde das gesamte globale Angebot nur etwa zehn Prozent der deutschen Nachfrage in den unverzichtbaren E-Fuel-Anwendungen decken, also Flugverkehr, Schiffsverkehr und stoffliche Nutzung in der Chemie, keine LKW oder PKW.

Braucht es die duale Strategie: E-Fuels und Elektromobilität?

Gleichwohl: Es wird in E-Fuels investiert. An HIF Global, einem chilenischen E-Fuel-Produzenten, ist Porsche beteiligt. Das Ziel: die Massenproduktion für den Weltmarkt. Droht Europa, droht Deutschland den Anschluss zu verlieren, wenn hier nicht auch auf E-Fuels gesetzt wird?

Für Energieökonomin Kemfert vom DIW ist die Sache klar: "Der Markt hat entschieden in Richtung Elektromobilität." PIK-Energieforscher Ueckert ergänzt: "Die E-Mobilität ist die dominante Strategie, die sich heute schon durchsetzt in den Pkw-Märkten. Wenn Deutschland das nicht versteht, dann entsteht daraus das Risiko, dass Deutschland den Anschluss verpasst."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!