Ein geöffnetes Auge, in dem sich ein Vollmond spiegelt
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Ist Schlaflosigkeit bei Vollmond mehr als nur Einbildung?

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Schlechter Schlaf bei Vollmond - mehr als nur Einbildung?

Der Mond setzt nicht nur Gezeiten in Bewegung, sondern auch Gemüter: Hat er oder hat er keinen Einfluss auf Mensch und Natur? Schläft man wirklich schlechter, wenn Vollmond oder gar Supermond ist? Daran scheiden sich die Geister und die Studien.

Über dieses Thema berichtet: alpha-gespräche am .

Um die geheimnisvollen Kräfte des Mondes ranken sich viele Mythen. Als Motor der Gezeiten bewegt er das Wasser mächtiger Ozeane. Nur logisch, dass er auch unsere Biologie und unser Verhalten beeinflusst. Einer Umfrage zufolge sind 40 Prozent aller Deutschen "mondfühlig". Aber was ist wirklich dran an den populärsten Mondmythen?

Bei Vollmond schläft man schlechter

Bei Vollmond findet man keinen Schlaf - das ist wohl die landläufigste Annahme, wenn es um den Einfluss des Mondes auf den Menschen geht. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen schien das bisher eher subjektive Wahrnehmung als wissenschaftliche Erkenntnis zu sein.

Hat der Mond Einfluss oder hat er nicht?

Eine Studie von 2021, die im Fachblatt "Science Advances" veröffentlicht wurde, kam allerdings zu anderen Ergebnissen. Danach könnten Mondphasen tatsächlich auf Schlafmuster einen Einfluss haben.

Kürzerer Schlaf bei Vollmond

Leandro Casiraghi und sein Team von der Universität von Washington erfassten das Schlafverhalten von vier verschiedenen Teilnehmergruppen über zwei Mondzyklen hinweg. Dazu statteten sie die Probanden mit Schlafsensoren am Handgelenk aus. Bei den Teilnehmern handelte es sich um indigene Einwohner dreier argentinischer Dörfer mit gar keinem, wenig oder durchgängigem Zugang zu Elektrizität. Deren Schlafdaten wurden mit denen von US-Studenten aus Seattle ergänzt.

Das Ergebnis: Die Forscher konnten bei allen vier Gruppen die gleiche periodische Schwankung im Schlafverhalten feststellen - trotz der unterschiedlichen Lebensweisen und dem unterschiedlichen Einfluss von Kunstlicht.

In allen Gruppen schliefen die Menschen in den drei bis fünf Tagen vor Vollmond 30 bis 80 Minuten später ein als gewöhnlich. Zudem schliefen sie auch 20 bis 90 Minuten weniger. Dabei gab es nur geringe Unterschiede zwischen den Stadtbewohnern und den ohne Kunstlicht lebenden indigenen Einwohnern. Dieser Effekt wiederholte sich regelmäßig – parallel zum Mondzyklus. Wir sehen einen klaren lunaren Einfluss auf den Schlaf, meint Horacio de la Iglesia, ein Kollege von Casiraghi. Dieser Effekt sei zwar in Gemeinschaften ohne Zugang zu elektrischem Strom robuster, aber auch bei den Studenten in Seattle sei dieser Zusammenhang nachweisbar.

Wie lässt dich der Einfluss des Mondes erklären?

Die Vermutung, dass der Mond mit seinem Licht auf den Schlaf-Wach-Rhythmus von Naturvölkern Einfluss haben kann, liegt nahe. Casiraghi und sein Team sind der Ansicht, dass sich hinter diesem Phänomen eine evolutionäre Anpassung verbergen könnte. "Wir vermuten, dass die von uns beobachteten Schlafmuster für unsere Vorfahren vorteilhaft waren, weil sie dann das zusätzliche abendliche Licht dieser Mondphasen nutzen konnten", wird Casiraghi im Wissensmagazin scinexx zitiert. So haben unsere Vorfahren bei hellem Vollmondlicht zum Beispiel länger auf die Jagd gehen können.

Warum sind auch Großstädter vom Mond beeinflusst?

Aber warum trifft dieses Phänomen dann auch Großstadtmenschen, die durch das nächtliche Kunstlicht von der Helligkeit einer Vollmondnacht unbeeinflusst sein dürften? Casiraghi und sein Team ziehen zur Erklärung einen weiteren Faktor hinzu: den Schwerkraft-Einfluss des Mondes. Zu dieser Vermutung kommen die Forscher, weil bei den indigenen Einwohnern neben dem Einfluss des Vollmonds auf das Schlafverhalten auch bei Neumond ein zweiter, schwächerer Ausschlag festzustellen war. "Künftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, wie der Mond uns beeinflusst: Wirkt er durch unsere innere Uhr? Oder durch andere Signale, die das Timing des Schlafs beeinflussen? Es gibt noch vieles über diesen Effekt zu lernen", so Casiraghi (Science Advances).

Die Studien bestätigen Vermutungen, klären aber Ursachen nicht

Christian Cajochen, Leiter der Abteilung Chronobiologie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, ist der Ansicht, dass die Untersuchungen qualitativ hochwertig sind und mit überzeugenden Daten arbeiten. 2013 hatte er selbst eine viel beachtete Arbeit veröffentlicht, der zufolge die Schlafqualität vom Mondzyklus beeinflusst wird. Um herauszufinden, welche Faktoren konkret wirken, ist aber seiner Ansicht nach weitere Forschung nötig. Vor allem müssten Probanden über einen längeren Zeitraum in einer abgeschlossenen Laborumgebung studiert werden.

Stört der Mond beim Schlafen?

Cajochen war im Juli 2013 in einer Studie im Schlaflabor dem möglichen Einfluss des Mondes auf den Schlaf nachgegangen. Bis dahin wurde vermutet, dass die schlechtere Schlafqualität auf das helle Mondlicht zurückzuführen ist, das nachts durch die Fenster und Gardinen schimmert. Dadurch wird die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin gestört. Doch gegen diesen Einfluss haben die Forscher Vorkehrungen getroffen. Die Tests fanden mit 33 Probanden in einem fensterlosen Schlaflabor statt. Die Teilnehmer wussten nicht, dass es bei der Studie um den Einfluss des Mondes ging, noch welche Mondphase regierte.

Im Video: Schlaflosigkeit: Der Einfluss des Mondes auf den Menschen

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Schlaflosigkeit: Der Einfluss des Mondes auf den Menschen

Schweizer Studie: Der Mond beeinflusst den Schlaf

Die Wissenschaftler erfassten die Hirnströme der Schlafenden und untersuchten den Melatonin-Spiegel. Das Ergebnis laut Studie: Vollmondphasen haben tatsächlich Auswirkungen auf den Schlaf. Die Versuchsteilnehmer brauchten fünf Minuten länger, um einzuschlafen, die Schlafdauer verkürzte sich insgesamt um 20 Minuten, der Melatoninspiegel war zur selben Zeit relativ niedrig und der Schlaf war weniger "gut", weil die Tiefschlafphasen um 30 Prozent verkürzt waren.

Aber: Studie hat deutliche Schwächen

Doch bewiesen ist damit nichts. Denn die Studie hat erhebliche Schwächen, das räumt auch Christian Cajochen ein. Vor allem, weil der Schlafforscher nicht ausschließen kann, dass der eine oder andere Proband vor dem Einschluss ins Labor nicht doch noch einen Blick auf den nahenden Vollmond geworfen hat.

Schlaflosigkeit? Selbsterfüllende Prophezeiung!

Nach Ansicht des Soziologen Edgar Wunder ist es eher die "selbsterfüllende Prophezeiung", die für die Schlaflosigkeit bei Vollmond verantwortlich ist. Sein Hobby, die Astronomie, hat ihn zu seinem Forschungsschwerpunkt geführt: der Einfluss des Mondes auf den Menschen. Über 500 wissenschaftliche Studien hat er ausgewertet, ein halbes Dutzend selbst verfasst. Schlaflosigkeit bei Vollmond - das hat für ihn nichts mit Magie zu tun.

Mond hat keinen Einfluss auf den Schlaf

Andere Wissenschaftler, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, konnten das Ergebnis der Schweizer Studie auch nicht bestätigen. Sie hatten rückblickend Schlafdaten von mehr als 1.200 Teilnehmern aus mehr als 2.000 Nächten ausgewertet und keinen Zusammenhang mit dem Mondzyklus gefunden. Sie stießen allerdings auf Hinweise, dass vor allem bei Neuanalysen älterer Daten positive Studien veröffentlicht werden, während solche mit negativem Ergebnis in der Schublade verschwinden.

Im Video: Unser Mond - Mythen und Fakten

Der Mond - Warum zieht er uns in seinen Bann?
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Der Mond - Warum zieht er uns in seinen Bann?

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Dieser Artikel ist erstmals am 25.5.2022 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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